Krebsscreening verlängert Leben kaum |
Annette Rößler |
06.10.2023 14:00 Uhr |
In einem begleitenden Meinungsbeitrag zur vorliegenden Arbeit erörtern Bretthauer sowie die beiden Seniorautoren Professor Dr. Hans-Olov Adami und Professor Dr. Mette Kalager nun, warum die Wirksamkeit der diversen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen aus ihrer Sicht allgemein massiv überschätzt wird. Innerhalb der Fachszene werde die Sinnhaftigkeit der Screenings mittlerweile zwar durchaus kontrovers diskutiert. Aus politischen Gründen sei es aber nahezu unmöglich, einmal implementierte Screenings, die sich als unwirksam erwiesen hätten, wieder abzuschaffen. Denn alle, die an einer solchen Entscheidung beteiligt sein könnten, hätten Interessenkonflikte.
Da seien zum einen die Ärzte, die für die Durchführung der Untersuchungen bezahlt würden und deshalb befangen seien. Zum anderen hätten Gruppen von (ehemaligen) Patienten einen großen Einfluss. Diese bestünden meist aus relativ gesunden Krebsüberlebenden, von denen viele selbst glaubten, durch das Screening gerettet worden zu sein, was aber meist nicht stimme: Größtenteils hätten diese Patienten wahrscheinlich an einer nicht tödlichen Erkrankung gelitten, sodass die Krebsdiagnose im Rahmen des Screenings und die unnötige Therapie für sie in Wirklichkeit einen Schaden dargestellt habe.
Krebsgesellschaften müssten, um wahrgenommen und finanziert zu werden, sichtbar sein und setzten sich allein schon deshalb lautstark für die Screenings ein. Und schließlich scheuten Politiker den Konflikt mit all diesen Akteuren, um wiedergewählt zu werden. Um zu einer sachlichen Diskussion über die Vor- und Nachteile der Screenings zu gelangen, müssten all diese Interessenkonflikte offengelegt werden, fordern die Autoren.
Nicht alle Experten halten allerdings den Ansatz der Forschenden, einzig den Effekt auf die Gesamtmortalität gelten zu lassen, für richtig. So wies Professor Dr. Monika Klinkhammer-Schalke, Direktorin am Tumorzentrum Regensburg und Vorstandsvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT), gegenüber dem »Deutschen Ärzteblatt« darauf hin, dass »dass in randomisierten kontrollierten Studien zum Screening die Gesamtmortalität von nicht tumorspezifischen Todesursachen wie zum Beispiel Herzinfarkt oder Schlaganfall bestimmt wird, zum Teil auch bei Tumorpatienten«.
»Der zu bevorzugende Endpunkt ist sicher die tumorspezifische Sterblichkeit«, lautet daher ihre Einschätzung. Denn der Effekt des Screenings auf die tumorspezifische Sterblichkeit sei klinisch relevant, der (vernachlässigbare) Effekt auf die Gesamtsterblichkeit demgegenüber nicht.