Krebs ist mehr als eine medizinische Herausforderung |
Eine gute Versorgung von Krebspatienten geht nur im Team. / Foto: Getty Images/FatCamera
»Unser Credo ist seit jeher die stete Verbesserung der optimalen Versorgung unserer Patienten auch im Bereich der Krebstherapie«, machte in seinem Grußwort der Präsident der Apothekerkammer Hamburg, Kai-Peter Siemsen, deutlich. »Unser aller Hauptantriebskraft ist es, die Versorgung und Betreuung krebskranker Menschen nicht nur durch wissenschaftliche Fort- und Weiterbildung, sondern auch durch Stärkung der medizinischen und pharmazeutischen Multiprofessionalität und Multidisziplinarität weiter auszubauen«, unterstrich Klaus Meier als Präsident der DGOP, die in diesem Jahr ihr 25jähriges Bestehen feiern kann.
»Wenn wir es ernst meinen mit diesem Anliegen, dann müssen wir uns jetzt auch unserer Verantwortung gegenüber den Pflegeberufen bewusst werden und uns für eine nachhaltige Verbesserung der derzeit desolaten Pflegesituation einsetzen«, so Meier. Es sei wichtig, ein Zeichen der Solidarität mit den Pflegenden zu setzen und gemeinschaftlich für eine Verbesserung und Aufwertung ihrer Arbeitsbedingungen, ihres Berufsbildes und ihrer Vergütungen zu kämpfen, so der DGOP-Präsident, der mehr gesamtgesellschaftliches Engagement forderte. »Es reicht nicht, auf den Balkonen zu klatschen wie jetzt während der Corona-Pandemie«, sagte er.
»Multiprofessionalität und Multidisziplinarität sind nicht erst im Zeitalter der Spezialisierung mit Inhalten gefüllte Begriffe. Nur im Team ergeben sich nachhaltige Erfolge von Apothekern, Ärzten und Pflegenden«, so machten bei den anschließenden Diskussionen auch die DGOP-Präsidiumsmitglieder Michael Marxen, Wesseling, Dr. Anette Freidank, Fulda, Franziska Ockert-Schön, Braunau am Inn, und Dr. Tilman Schöning, Heidelberg, deutlich.
Als einige von zahlreichen Perspektiven der onkologisch-pharmazeutischen Versorgung in Zeiten von Covid 19 und Apothekenstärkungsgesetz beschrieb der DGOP-Vizepräsident Michael Marxen das Handling spezifischer Digitalisierungsmaßnahmen wie E-Medikationsplan und E-Rezept sowie den Ausbau spezialisierter pharmazeutischer Dienstleistungen, die, so Marxen, »heute schon von uns gelebt und nun nur noch in Verträge gegossen werden müssen«. »Nicht zuletzt die Pandemie zeigt, dass die Zukunft pharmazeutischen Sachverstand und kluge Apotheker braucht«, unterstrich auch die Medizinrechtlerin Dr. Constanze Püschel, Berlin.
Den verstärkten Einbezug der onkologischen Pharmazie in die Versorgung und Betreuung von Krebs-Patienten forderte im weiteren Verlauf der Veranstaltung auch Professor Dr. Andrew Ullmann, MdB, Berlin. Während seiner Aufenthalte in den USA habe er hinsichtlich des Stellenwertes der klinischen Pharmazie sehr positive Erfahrungen gemacht, unterstrich der Humanmediziner und Infektiologe.
Die Stärkung der Rolle des Pharmazeuten trage nicht nur zur Steigerung der Compliance und Minderung von Interaktionen, sondern auch zum professionellen Einsatz der rasant wachsenden Zahl neuer und immer komlexer werdenden Zytostatika bei. Hier müsse der Apotheker dem Mediziner beratend zur Seite steht.
Ullmann hält die generelle Einbindung der Apotheker zur Kontrolle des gesamten Medikamenten-Portfolios bei gleichzeitig besserer Honorierung für unabdingbar und plädiert für eine Honorierung gemäß des Vorbildes der Gebührenordnung der Ärzte. »Hier müssen die Standesgremien der Apotheker lauter werden und sagen, wie sie sich das vorstellen«, konstatierte er. Auch den Einbezug der Apotheker in Impfmaßnahmen halte er für sinnvoll. »Die Hybris, dass der Arzt alles kann, ist überzogen. Ich wäre als Mediziner sehr dankbar, wenn andere Disziplinen mir etwas abnehmen«, hob er abschließend hervor.
Der NZW bietet seit jeher auch Gelegenheit zu »Blicken über den Tellerrand«, um aufzuzeigen, wie Apotheker über die Herstellung und Anwendung von Zytostatika hinaus zum körperlichen und seelischen Befinden des Patienten beitragen können. So auch in diesem Jahr. Martin Inderbitzin, Zürich, stellte die von ihm zur mentalen Stärkung von Krebspatienten ins Leben gerufene englischsprachige Internet-Plattform »My Survival Story« vor.
In Videos und Podcasts erzählen Menschen ihre ganz persönlichen Krebsgeschichten – von Ängsten und Depressionen, Rückschlägen und Hoffnungen. Vor allem aber, wie sie es schaffen, trotz Krebs ihr Leben zu leben. »Es geht nicht darum zu zeigen: Du musst einfach nur positiv sein. Wir wollen das ganze Spektrum an Erfahrungen zeigen, das Krebspatienten durchmachen müssen«, so der Neurologe, der selbst vor acht Jahren von der Diagnose Pankreaskarzinom betroffen war.
Wissenschaftlich erwiesen sei, dass der überall und insbesondere beim Googeln auch hinsichtlich Krebserkrankungen auffindbare »demotivierende Schrott« Stress erzeugt, der wiederum das Immunsystem schwächt. »Inspirierende Überlebensgeschichten reduzieren den Stress und stärken somit die Abwehr und Prognose«, zeigte er sich überzeugt. Das Echo auf seine Plattform, so Inderbitzin, belegt, dass diese offenbar eine Lücke füllt. Die große, auch weltweite Resonanz bestätige ihn in seiner These, dass die Diagnose Krebs von vielen Menschen nicht nur als medizinische, sondern auch als mentale Herausforderung verstanden wird.
Ob physisch oder psychisch: Der Wunsch, selbst tätig zu werden und aktiv etwas gegen den Krebs zu tun, hat bei vielen Betroffenen einen hohen Stellenwert, hob in einem Vortrag zur Pharmazeutischen Betreuung von Krebspatienten auch Dr. Anke Ernst vom Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), Heidelberg. Dieser Dienst bietet Patienten und Angehörigen aktuelles Wissen, Hilfe und individuelle Beratung zur Bewältigung ihrer Erkrankung.
Ob Prävention, Früherkennung, Diagnose oder Therapie: Als ein spezielles Angebot des DKFZ, das sich nur an Fachleute richtet, ermögliche der krebsinformationsdienst.med darüber hinaus Ärzten und Apothekern den schnellen Zugang zu evidenzbasierten Erkenntnissen aus allen onkologischen Themenbereichen.
Ernst machte deutlich, dass die der Arbeit des Informationsdienstes zugrundeliegende Datenbank nicht zuletzt das heute verfügbare Wissen zum Einsatz komplementärer Behandlungsmethoden sowie ein bundesweites Adressverzeichnis mit psychosozialen Unterstützungsangeboten für Krebspatienten umfasst. Der krebsinformationsdienst.med habe sich seit seiner Gründung 2014 über die Jahre hinweg als wichtige Informationsquelle für Mediziner und Pharmazeuten etabliert.
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