Kratzen hat auch Vorteile |
Laura Rudolph |
05.02.2025 11:00 Uhr |
Kratzen hat aus immunologischer Sicht offenbar einen Sinn. Dennoch überwiegen laut Experten die Nachteile durch die Mikroverletzungen der Haut. / © Adobe Stock/Maria Fuchs
Die Haut juckt, man kratzt, es tut kurz gut – und juckt dann noch mehr: ein bekannter Teufelskreis. Warum ist das Verlangen zu kratzen so stark, wenn es doch hauptsächlich schadet? Schließlich fügt es der Haut winzige Verletzungen zu und Krankheitserreger können leichter eindringen. Dass Kratzen aber auch die Immunabwehr ankurbeln und somit zumindest einen kleinen Beitrag zur antimikrobiellen Abwehr leisten kann, haben nun Forschende der University of Pittsburgh in den USA in einer Mausstudie festgestellt.
Demnach ist Kratzen nicht nur eine passive Reaktion auf Juckreiz, sondern fördert auch aktiv eine Immunreaktion, indem es eine bestimmte Kaskade neuronaler und immunologischer Prozesse in Gang setzt. Seine Ergebnisse hat das Team um Andrew Liu vom Department of Immunology kürzlich im Fachjournal »Science« veröffentlicht. Sie könnten die Grundlage für die Entwicklung neuer Therapien gegen chronischen Juckreiz sein, wie er beispielsweise bei Diabetes oder Nierenerkrankungen auftritt.
Hautmastzellen kommen in großer Zahl in der Dermis vor und spielen eine wichtige Rolle für allergische Reaktionen und Entzündungsprozesse. Sie besitzen zwei wichtige Rezeptoren, die für den »Juck-Kratz-Kreislauf« entscheidend sind:
Für die Steuerung von Juckreiz und Entzündung sind außerdem zwei Gruppen von Neuronen von besonderer Bedeutung:
Durch das gezielte Ausschalten dieser Neuronen in der Mausstudie konnten die Forschenden die jeweiligen Mechanismen präzise untersuchen. Sie stellten fest, dass Mastzellen nicht nur durch Allergene, sondern auch direkt durch das mechanische Kratzen über Substanz P aktiviert werden können.
Die Forschenden beschreiben den Zyklus aus Jucken und Kratzen folgendermaßen:
Dieser Kreislauf ist besonders relevant für chronische Juckreiz-Erkrankungen, da wiederholtes Kratzen zu anhaltender Entzündung und einer Verschlechterung des Krankheitsverlaufs führen kann.
Immunologie-Experte Professor Dr. Aaron Ver Heul kommentiert in einem Begleitartikel von Science: »Die Ergebnisse definieren nicht nur einen bisher unbekannten neuroimmunen Juckreiz-Kratz-Schaltkreis, sondern könnten auch die Grundlage für Forschung bilden, die Menschen mit chronischem Juckreiz helfen könnte.«
Interessanterweise zeigte sich in der Studie, dass kratzende Mäuse weniger Bakterien auf der Haut aufwiesen, insbesondere Staphylococcus aureus. Dies legt nahe, dass Kratzen in bestimmten Situationen auch einen schützenden Effekt haben kann.
Seniorautor Professor Dr. Daniel Kaplan erklärt dazu in einer Pressemitteilung der Universität: »Aber der Schaden, den das Kratzen der Haut zufügt, überwiegt wahrscheinlich diesen Nutzen, wenn der Juckreiz chronisch ist.«