Kognitive Defizite nach Covid-19-Erkrankung |
Theo Dingermann |
28.07.2021 12:30 Uhr |
Personen, die eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, können auch Monate nach der Covid-19-Erkrankung kognitive Einbußen aufweisen, wie eine Auswertung von Teilnehmern eines britischen Intelligenztests zeigt. / Foto: Adobe Stock/jirsak
Noch gibt nur wenige Informationen über die Art und die allgemeine Prävalenz kognitiver Probleme nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 abhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Das motivierte ein Team um Adam Hampshire vom Department of Brain Sciences, Dementia Research Institute Care Research and Technology Centre am Imperial College in London, diese Frage aufzugreifen. Sie analysierten die Daten von 81.337 Probanden, die zwischen Januar und Dezember 2020 an einer klinisch validierten, web-optimierten Studie im Rahmen des »Great British Intelligence Test« teilgenommen hatten. Basis der Bewertung waren Daten aus Fragebögen, aus Selbstauskünften zu vermuteten und bestätigten SARS-CoV-2-Infektionen und aus Atemwegssymptomen.
Die Wissenschaftler konnten in einer jetzt in «EClinicalMedicine« publizierten Arbeit zeigen, dass Personen, die von Covid-19 genesen waren, im Vergleich zu Nicht-Erkrankten signifikante kognitive Defizite aufwiesen, wenn man Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Einkommen, ethnische Zugehörigkeit, vorbestehende Erkrankungen, Müdigkeit, Depression und Angstzustände berücksichtigte. Dies war unabhängig davon, ob die Genesenen über Post-Covid-Symptome berichteten. Unter dem einem Symptom von Long Covid, das allgemein auch als »Brain Fog« (Gehirn-Nebel) bezeichnet wird, subsummieren sich allgemeine psychologische Symptome wie Energielosigkeit, Konzentrationsprobleme, Orientierungslosigkeit und Schwierigkeit, die richtigen Worte zu finden.
Die Defizite waren bei Personen, die ins Krankenhaus eingewiesen worden waren (N = 192), aber auch bei nicht ins Krankenhaus eingewiesenen Personen, bei denen eine Infektion diagnostisch bestätigt worden war (N = 326), von erheblicher Effektgröße. Die beobachteten Defizite variierten in ihrem Ausmaß mit dem Schweregrad der Atemwegssymptome. Voraussetzung war eine diagnostisch bestätigte SARS-CoV-2-Infektion.
Dagegen ließen sich die Defizite nicht durch Unterschiede in Alter, Bildung oder anderen demografischen und sozioökonomischen Variablen erklären. Kognitive Defizite blieben auch bei denjenigen bestehen, die keine anderen Restsymptome aufwiesen, und waren ausgeprägter als die üblichen Vorerkrankungen, die immer wieder mit dem Risiko für schwere Covid-19-Verläufe in Verbindung gebracht werden.
Die Analyse von Markern für eine prämorbide Intelligenz bestätigte nicht, dass diese Unterschiede bereits vor der Infektion bestanden hatten. Eine genauere Analyse der Leistung in den einzelnen Untertests stützte die Hypothese, dass Covid-19 die menschliche Kognition in mehreren Bereichen beeinflussen kann.
Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen Berichte über kognitive Defizite als eines von vielen Long-Covid-Symptomen. Sie sollten dazu motivieren, noch genauer die Phänomene zu studieren, um tiefere Einblicke in den Verlauf der Genesung zu erhalten und die biologischen Grundlagen möglicher kognitiver Konsequenzen nach einer SARS-CoV-2-Infektionen verstehen zu lernen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.