Kleine Alltagsmanager für MS-Patienten |
Daniela Hüttemann |
30.05.2022 14:30 Uhr |
Die MS wird auch Krankheit der 1000 Gesichter genannt, weil sie so unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Verschiedene Apps wollen helfen, Symptome zu tracken und mögliche Verbesserungen zu erzielen. / Foto: Adobe Stock/AnnaStills
Im Bereich MS gibt es bislang mit »Elevida« erst eine einzige Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA), deren Nutzen für die Patienten durch Studien belegt ist und deren Kosten die Krankenkassen übernehmen. Doch es gibt viele gut gemachte kostenlose Alternativen mit Informationen, Übungen zur körperlichen und/oder geistigen Fitness und Tools zum Selbstmanagement der Erkrankung im Alltag.
»MS Kognition« ist eine kostenlose, relativ schlicht designte App zur Stärkung der kognitiven Fähigkeiten. Anbieter sind die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) und ihr Ableger Amsel (Aktion Multiple Sklerose Erkrankter), unterstützt von der Techniker Krankenkasse. Es gibt verschiedene Übungen, um unter anderem Gedächtnis, Konzentration, Problemlösungsfähigkeiten und Reaktionszeiten spielerisch zu verbessern. Dabei bekommt man seinen eigenen Fortschritt visualisiert und kann sich auch mit anderen messen. Mehr Informationen gibt es dazu auf der DMSG-Website (www.dmsg.de/ms-kognition) sowie auf www.amsel.de.
Von DMSG und Amsel stammt auch die App »MS TV«. Hier finden sich zahlreiche Videos, etwa mit aktuellen Infos zu MS und Corona(-impfungen), Hintergründe zu Pathogenese, Diagnose und Therapie von MS. Ebenso enthalten sind Interviews mit Experten und Betroffenen zu verschiedensten Aspekten, auch zum psychosozialen Umgang und Problemen im Alltag, sowie viele Sportvideos.
Kognitives Training bietet auch die kostenlose App »Aktiv mit MS« der Pharmafirma Teva (www.aktiv-mit-ms.de). Sie verfügt zudem über eine Tagebuchfunktion mit Medikamentenerinnerung. Dort können auch beobachtete Nebenwirkungen eingetragen werden.
Deutlich umfassender ist »Cleo – Meine MS-App« von Biogen, die MS-Patienten helfen soll, ihren Alltag besser zu meistern. Neben vielen Infos und Inspirationen und einem gut durchdachten Tagebuch inklusive Erinnerungen an Medikamente und Arzttermine gibt es einen Aktivitätsbereich. Dort finden sich Lektionen für Sport, Ernährung und Wohlbefinden, die von Reha-Experten entwickelt wurden. Bei individuellen Fragen hilft eine Chatfunktion mit MS-Coaches. Die gesammelten persönlichen Daten lassen sich auch mit dem Behandlungsteam teilen. Cleo lässt sich mit »Google Fit« verbinden.
Einen ähnlichen Funktionsumfang wie die anderen vorgestellten Programme besitzt »Emilyn – Deine MS-Begleiterin« vom gleichnamigen Anbieter, hinter dem wiederum das Berliner Unternehmen BreakthroughX Health steht. Emilyn wirbt unter anderem mit Funktionen, »die dir helfen, deine Symptome zu verstehen, deinen Gehirnnebel zu bekämpfen und produktivere Gespräche mit deinem Arzt zu führen«.
Auch »Brisa« von Temedica in Kooperation mit dem Pharmaunternehmen Roche ist ähnlich aufgebaut wie Cleo und Emilyn und wie diese kostenlos. Hier lassen sich ebenfalls Fitness- und andere aufgezeichnete Gesundheitsdaten erfassen wie etwa die Schlafqualität. Diese App legt einen Fokus auf Analysen, um Muster bei Symptomen wie etwa ausgeprägte Erschöpfung (Fatigue) besser zu erkennen. Auf deren Basis erhält der Nutzer Vorschläge zum besseren Umgang mit der Erkrankung und wird zu positivem Gesundheitsverhalten motiviert. Im Gegensatz zu den anderen Apps ist Brisa ein zertifiziertes Medizinprodukt der Klasse 2a. Sie korrespondiert mit der von Roche betriebenen Patienten-Infoseite www.trotz-ms.de.
Auf Nachfrage einer MS-Patientin hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) einen sogenannten Health Technology Assessment (HTA) zur Evidenz von mHealth-Anwendungen zur Förderung des Selbstmanagements bei MS-Patienten erstellen lassen. Der Report kommt zu dem Schluss, dass die Evidenzbasis allgemein unzureichend ist; die Wirksamkeit lasse sich (noch) nicht sicher beurteilen.
Elf randomisierte klinische Studien wurden eingeschlossen, in denen vor allem Erinnerungsfunktionen (zum Beispiel zur Applikation der MS-Medikamente) gegeben wurden sowie solche, die depressive Beschwerden lindern sowie die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit verbessern sollen. Hier gebe es Anhaltspunkte, dass die Erinnerungen im Alltag helfen sowie dass verhaltenstherapeutisch orientierte Online-Programme depressive Beschwerden lindern könnten. »Ob mobile Gesundheitsanwendungen Vorteile haben können, bleibt letztlich unklar«, so das Berichtfazit. Beispielsweise bleibe offen, ob Apps helfen können, die mit einer MS-Erkrankung häufig einhergehenden körperlichen und geistigen Erschöpfungszustände zu lindern, die Konzentration zu verbessern, körperliche Aktivität zu unterstützen oder Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden. Untersucht werden sollte auch, ob die Apps auch unerwünschte Effekte haben können. »Derzeit laufen aber weitere Studien zu dem Thema, sodass sich die Vor- und Nachteile der Anwendungen in einigen Jahren voraussichtlich besser beurteilen lassen werden«, so das IQWiG.