KKH moniert Betrug durch Apotheken |
Melanie Höhn |
15.05.2024 14:55 Uhr |
Die reinen Leistungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) stiegen 2022 auf den Höchstwert von 274,2 Milliarden Euro. »Das weckt bei manch einem Begehrlichkeiten, sich ein Stück vom ‚Milliardenkuchen Gesundheitssystem‘ abzuschneiden«, sagt KKH-Chefermittlerin Dina Michels. Dabei betont sie, dass es immer nur einige wenige Kriminelle sind, die mit ihren Betrügereien dem Ansehen ehrlicher Berufskolleginnen und -kollegen schaden. Doch die würden teils skrupellos vorgehen, mitunter sogar Menschenleben gefährden, um illegal hohe Summen einzustreichen.
Laut der Juristin hat sich der Pflegebereich zu einem Brennpunkt entwickelt. Ein Fallbeispiel: »Bei einem ambulanten Pflegedienst besteht der Verdacht, dass Pflegebedürftige intensivmedizinisch von Personal versorgt wurden, das dafür nicht ausgebildet war. Lebensnotwendige Medikamente wurden fehlerhaft gegeben, eklatante Mängel in der Hygiene in Kauf genommen und zudem Leistungen abgerechnet, die nie erbracht wurden.«
Die KKH habe neben anderen Krankenkassen Strafanzeige erstattet. Die Schadenssumme liege im Millionenbereich. »Doch was viel schwerer wiegt, sind die körperlichen und seelischen Folgen bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen. Durch solche Machenschaften schwindet das Vertrauen in die qualitativ gute Gesundheitsversorgung in unserem Land«, so Dina Michels. »Es ist gut, dass der Gesetzgeber auf die Forderung der Krankenkassen eine lebenslange Beschäftigtennummer für Pflegekräfte in Pflegediensten eingeführt hat. Diese ist in den elektronischen Abrechnungsdatensätzen anzugeben, so dass die Krankenkassen ihre Daten zusammenführen und übergreifend prüfen können.«
Der niedersächsische Sozialminister Andreas Philippi (SPD) hält die Arbeit der Stellen zur Fehlverhaltensbekämpfung der Krankenkassen für zentral, da nur durch konsequente Aufdeckung von Straftaten die Integrität des Gesundheitssystems gewahrt werden könne. »In Zukunft bieten die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz neue Chancen, große Datenmengen effizient zu überprüfen und den Aufwand der Betrugsbekämpfung in vertretbaren Grenzen zu halten«, sagt er.
Auch KKH-Expertin Dina Michels sieht in datenbasierten Verfahren mittels KI-Algorithmen großes Potential im Kampf gegen die typischen Straftaten im Gesundheitswesen: »Wir wirken daher an einem Pilotprojekt der Bitmarck mit und haben eine Vereinbarung mit dem Fraunhofer Institut initiiert, um Abrechnungsanomalien künftig noch besser aufdecken sowie effektiver und effizienter bekämpfen und verhindern zu können.«
Straftaten aufzudecken und zu verfolgen sei ein komplexes Unterfangen. Voraussetzung Nummer eins ist laut KKH, dass Krankenkassen Hinweise auf mögliche Betrugsfälle erhalten. Hierdurch bestehe die Chance, Tätern auf die Schliche zu kommen. Die häufigsten Hinweisgeber sind der Medizinische Dienst (MD), andere Krankenkassen sowie die Polizei. Grundsätzlich könne jeder den Krankenkassen einen Verdacht melden. »Wer meint, Zeuge bewusster Falschabrechnung zu sein, weiß oft gar nicht, dass er das anonym oder namentlich melden kann«, erklärt Michels. Das spiegelt auch die Ergebnisse der Forsa-Umfrage wider: So ist 71 Prozent der Befragten nicht bekannt, dass Fehlverhalten im Gesundheitswesen anonym gemeldet werden kann.