Keine Patienten für Teleclinic via Doc Morris |
Ev Tebroke |
28.05.2024 14:02 Uhr |
Dürfen Versender auf ihren Online-Plattformen Patienten an Telemedizin-Anbieter weiterleiten? Zu dieser Frage gibt nun ein Urteil des Landgerichts München Aufschluss. / Foto: DocMorris
Der Telemedizin-Anbieter Teleclinic darf nicht ungefragt Patienten von der Doc-Morris-Seite zugeleitet bekommen. Das geht aus einem Urteil des Landgerichts München hervor. Gegen diese Form der Zuweisung und auch andere Punkte hatte die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) geklagt. Dem Gericht zufolge beteiligt sich Teleclinic mit der möglichen ungefragten Zuführung von Patienten an dem Verstoß von Doc Morris gegen § 11 Absatz 1 Apothekengesetz (ApoG).
§ 11 ApoG lautet: »Erlaubnisinhaber und Personal von Apotheken dürfen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, mit Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, oder mit Dritten keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder die Fertigung von Arzneimitteln ohne volle Angabe der Zusammensetzung zum Gegenstand haben. Dies gilt auch für Rechtsgeschäfte oder Absprachen, die die Zuweisung von Verschreibungen in elektronischer Form oder von elektronischen Zugangsdaten zu Verschreibungen in elektronischer Form zum Gegenstand haben. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Apotheken, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum liegen, sowie deren Inhaber, Leiter oder Personal, soweit diese Apotheken Patienten in Deutschland mit Arzneimitteln versorgen.«
Laut LG erfordert die Vorschrift insoweit eine Absprache mit einem Apothekeninhaber- oder angehörigen (mit Sitz in der EU), welche die »Zuführung von Patienten« zum Gegenstand hat (sogenanntes Ärztebevorzugungsverbot). In dem Urteil heißt es: »Das Verbot richtet sich dabei nach Gesetzessystematik und Wortlaut anerkanntermaßen an den Apotheker, nicht an den Absprachepartner. Derjenige, der nicht selbst Adressat einer wettbewerbsrechtlichen Verbotsnorm ist, kann nach den im allgemeinen Deliktsrecht und im Lauterkeitsrecht entsprechend geltenden strafrechtlichen Bestimmungen aber als Teilnehmer haften (vgl. BGH, GRUR 2015, 1025 Rn. 16 – TV-Wartezimmer). Diese Voraussetzungen sieht das Gericht nach eigenen Angaben hier als gegeben an. Doc Morris habe gegen § 11 Absatz 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstoßen, heißt es. »Die Beklagte hat dazu Beihilfe geleistet.«
Ein berechtigtes Interesse für das Vorgehen könne die Doc Morris nicht anführen, so das Gericht. Im Gegenteil: Es gehe bei der Verlinkung offensichtlich um wirtschaftliche Erwägungen innerhalb der Konzernstruktur, nicht um fachlich-medizinische Gesichtspunkte. § 11 Absatz 1 ApoG solle aber gerade auch sicherstellen, dass die an der Patientenversorgung beteiligenden Apotheker und Ärzte ihr Verhalten rein an medizinischen Erwägungen ausrichten und nicht wirtschaftlichen Interessen erliegen. Dies soll eine ordnungsgemäße Versorgung der Patienten mit Arzneimitteln gewährleisten, betonen die Richter.
Der EU-Versender Doc Morris stand seinerseits bereits im Fokus, weil er Patienten auf seiner Plattform Marktplatz direkt an den Telemedizin-Anbieter Teleclinic weiterleitet. Konkurrent Shop Apotheke wurde eine ähnliche Konstellation – den direkten Verweis auf den Telemedizin-Anbieter Zava – bereits gerichtlich untersagt.
Kritiker sehen zudem in dem gleichzeitigen Betrieb von Online-Apotheke und Online-Ärzte-Portal unter einem Firmendach einen Verstoß gegen das sogenannte Edikt von Salerno: der strikten Trennung von Arzt und Apotheke ergo von Arzneimittelverordnung und -abgabe.
Was das Verfolgen von Rechtsvergehen des Versenders Doc Morris betrifft, so ist die AKNR eine verlässliche Instanz. Abgesehen von arzneimittelrechtlich umstrittenen Rx-Boni ging es zuletzt auch um Provisionsmodelle für die Doc-Morris-Plattform Marktplatz und mögliche Verstöße gegen das Makelverbot.
Mit dem aktuellen Urteil konnte die AKNR nun, vertreten durch die Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner, einen erneuten Erfolg erwirken. Teleclinic muss sich dafür verantworten, dass Doc Morris auf seiner Plattform die Möglichkeit bietet, Patienten, die noch keine Verschreibung haben, unmittelbar auf die Seite des Anbieters der Ärzte weiterzuleiten.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Teleclinic kann in Berufung gehen. Eine endgültige Rechtsprechung dürfte mittelfristig aber klären, ob und in wieweit Grenzen bestehen zwischen der Zuführung von Patienten einerseits sowie der Zuleitung von Verschreibungen andererseits zwischen Versandapotheke und Ärzteplattformen.