Keine Bürgerversicherung, mehr Kooperationen |
Die Spitze der Grünen, Robert Habeck und Annalena Baerbock, SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz sowie FDP-Chef Christian Lindner (v.l.) wollen gerne gemeinsam Koalitionsverhandlungen starten. / Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
Diese Woche haben SPD, Grüne und FDP auf Bundesebene Sondierungsgespräche geführt und in vertraulichen Gesprächen ausgelotet, ob sie miteinander Koalitionsverhandlungen starten wollen. Am heutigen Freitagmittag verkündeten die Partei-Chefinnen und Chefs der drei Parteien in Berlin die Empfehlung der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen für eine mögliche ersten Ampel-Regierung auf Bundesebene. Dabei veröffentlichten sie ein Ergebnispapier der Sondierungen in dem die Parteien auf zwölf Seiten umreißen, welche Themen sie künftig angehen wollen. Das Papier liegt der PZ vor.
Zum Thema Gesundheit äußern sich die drei Parteien allerdings noch sehr vage. Zur Gesundheitspolitik der nächsten vier Jahre heißt es in dem Papier: »In der Gesundheitspolitik wollen wir Vorsorge und Prävention zum Leitprinzip machen. Wir wollen unser Gesundheitswesen stark machen, damit es für kommende Krisen, etwa eine neue Pandemie, gut vorbereitet ist. Dafür werden wir aus den Erkenntnisse der Pandemie lernen und den Öffentlichen Gesundheitsdienst digitalisieren und stärken.«
Der Zugang zu guter und verlässlicher gesundheitlicher Versorgung müsse überall in Deutschland, ob in der Stadt oder auf dem Land gewährleistet sein. Insbesondere in den ländlichen Räumen gelte es außerdem die »Daseinsvorsorge zu stärken«. Dort wo der Nachholbedarf am größten sei, sollten notwendige Investitionen angepackt werden, heißt es.
Das Papier betont zudem die Notwendigkeit von mehr »sektorenübergreifender Kooperation und Vernetzung zwischen den verschiedenen Gesundheitseinrichtungen – und berufen«. Hinsichtlich der Krankenhausfinanzierung und der Pflege wird das Sondierungspapier etwas konkreter. Pflegepersonal soll etwa durch Entbürokratisierung und angemessene Löhne entlastet werden, zudem sollen mehr qualifizierte ausländische Pflegekräfte gewonnen werden. Und: Fallpauschalen zur Krankenhausfinanzierung sollen weiterentwickelt und vor allem in Bereichen der Geburtshilfe, Notfallversorgung oder Kinder- und Jugendmedizin angepasst werden. Konkrete Vorstellungen zu den Apotheken und der künftigen Arzneimittelversorgung äußern die drei Parteien jedoch nicht in dem Ergebnispapier.
Auch das Thema Cannabis-Legalisierung wird im Ergebnispapier nicht angesprochen. Alle drei Parteien hatten sich im Vorfeld in ihren Wahlprogrammen für eine Liberalisierung ausgesprochen, viele halten deshalb eine künftige Öffnung bei Genuss-Cannabis für sehr wahrscheinlich. Ob die Abgabe von Cannabis nach einer Legalisierung in Apotheken erfolgen könnte, ist dabei ebenfalls noch offen.
Nicht ganz überraschend außerdem: Die drei Parteien haben sich laut Ergebnispapier darauf geeinigt, die Gesetzliche und Private Kranken- und Pflegeversicherung weiter erhalten zu wollen. Von einer Bürgerversicherung, wie sie Grüne und SPD in ihren Wahlprogrammen gefordert hatten, ist nicht die Rede. In diesem Punkt hat sich die FDP in den Sondierungen offenbar durchgesetzt.
Für Apotheken könnten darüber hinaus weitere Punkte interessant werden. FDP, Grüne und SPD haben sich geeinigt, das Klimaschutzgesetz bereits im kommenden Jahr anzugehen und ein Klimaschutz-Sofortprogramm auf den Weg zu bringen. Dafür werden alle Sektoren »einen Beitrag leisten müssen«. Noch unklar ist, inwiefern hier konkret Änderungen auf Apotheken zukommen könnten.
Auch den gesetzlichen Mindestlohn wollen die drei Parteien erhöhen. Im ersten Jahr soll es hierzu eine einmalige Anpassung auf zwölf Euro pro Stunde geben. Im Anschluss werde die Mindestlohnkommission über mögliche weitere Erhöhungsschritte beraten. In diesem Punkt haben sich die SPD und Grüne offenbar durchgesetzt. Derzeit gilt ein gesetzlicher Mindestlohn von 9,60 Euro brutto. Dieser wurde zuletzt am 1. Juli 2021 angepasst. Zum 1. Januar 2022 soll der Mindestlohn derzeit auf 9,82 Euro steigen, zum 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro. Für den künftigen Apotheken-Nachwuchs könnte zudem folgendes relevant werden: Die drei Parteien wollen das BaföG reformieren, dieses soll künftig elternunabhängiger gestaltet werden.
In Bezug auf die Forschung setzen die drei Parteien zudem auf künftige Innovationen. Konkret will eine mögliche Ampel-Regierung den Anteil der gesamtstaatlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts erhöhen. Laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts lag die Ausgabenhöhe in diesem Bereich 2019 bei 3,2 Prozent. Insgesamt wurden 109,5 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Zudem heißt es im Ergebnispapier von FDP, Grüne und SPD: »Wir brauchen mehr Ausgründungen aus Forschungsinstituten.«
Das Papier sieht außerdem vor, dass künftig alle geeigneten Dachflächen für die Solarenergie genutzt werden sollen. Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend sein. Diese Regelung würde auch neu gebaute Apothekengebäude betreffen.
Laut SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz werde nun das weitere Setting besprochen, wenn die Parteien nacheinander ihre Entscheidungen zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen getroffen haben. Bis dahin könne man über weitere Termine nicht entscheiden. Die Grünen etwa planen laut Medienberichten diesen Sonntag einen kleinen Parteitag, um über die Ergebnisse der Sondierungen zu beraten.