Kein klassischer Fall für die Selbstmedikation |
Extrakte aus der Sägepalme sind in klinischen Studien hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bei Prostatabeschwerden gut untersucht. / Foto: Adobe Stock/lizfernandezg
Häufiger und/oder nächtlicher Harndrang, ein schwächerer Harnstrahl als gewohnt, das Gefühl, die Blase nicht vollständig entleert zu haben, und ein verzögerter Beginn der Blasenentleerung – diese Anzeichen können auf ein BPS hindeuten. Da für die Beschwerden jedoch als Ursache auch andere Erkrankungen infrage kommen, sollten sie stets ärztlich abgeklärt werden.
Für Männer ab dem 45. Lebensjahr bietet sich die Früherkennung von Prostatakarzinomen an, auf die gesetzlich Versicherte einmal jährlich Anspruch haben. Dabei führt der Urologe eine digital-rektale Austastung durch. Durch eine weiterführende Diagnostik kann auch eine gutartige Vergrößerung der Vorsteherdrüse (benigne Prostatahyperplasie, BPH) erkannt werden. Eine wiederholte ärztliche Beurteilung in bestimmten zeitlichen Intervallen erlaubt außerdem eine Verlaufsbeobachtung.
Die genaue Ursache der BPH ist nicht vollständig geklärt. Diskutiert wird derzeit eine Stimulation des Prostatawachstums und eine Abnahme der Apoptose durch Dihydrotestosteron (DHT) und Estradiol, deren Bildung durch die 5α-Reduktase und Aromatase aus Testosteron katalysiert wird. Die Entscheidung für eine Therapie orientiert sich unter anderem am individuellen Befund: Wie ausgeprägt ist die BPH? Welche Beschwerden sind vorherrschend? Welche Risikofaktoren liegen vor?
Zu den verschreibungspflichtigen Therapieoptionen gehören 5α-Reduktasehemmer wie Finasterid und Dutasterid sowie α-Rezeptorenblocker wie Alfuzosin und Tamsulosin. Erstere hemmen die Umwandlung von Testosteron in DHT. In der Folge geht die Größe der Prostata zurück, die Harnflussrate steigt. Andere Beschwerden bessern sich oft nur bedingt. Patienten sollten wissen, dass Effekte sich erst nach einigen Wochen zeigen. Hingegen eine rasche Wirkung erzielen α-Rezeptorenblocker. Sie setzen die Gefäßwandspannung in der Harnröhre herab und erleichtern dadurch das Wasserlassen. Auf die Größe der Prostata haben sie keinen Einfluss. Bei Erstverordnung sollten Patienten auf eine mögliche Blutdrucksenkung hingewiesen werden. Eine Kombinationstherapie ist möglich.
Insbesondere zu Beginn einer BPH, bei Patienten mit einem geringen Leidensdruck und/oder die zu Änderungen ihres Lebensstils bereit sind, besteht laut Leitlinie die Möglichkeit eines kontrollierten Zuwartens. In frühen Stadien und bei nicht zu hohem Leidensdruck kommt außerdem eine Phytotherapie infrage. Für sie spricht – auch vor dem Hintergrund der Einnahme über einen langen Zeitraum – nicht zuletzt das weitgehende Fehlen von Nebenwirkungen.
Da Studienergebnisse jedoch heterogen ausfallen beziehungsweise ältere Studien heutigen Ansprüchen nicht mehr genügen, spricht die Leitlinie keine Empfehlung aus. Eine Besserung leichter Beschwerden wird jedoch beobachtet. Patienten sollten jedoch wissen, dass Phytopharmaka das Prostatavolumen nicht verringern. Daher sollte unter ihrer Anwendung zu regelmäßigen Arztbesuchen geraten werden. Und: Die Wirkung von Phytopharmaka setzt langsam ein. Auch dies sollte im Beratungsgespräch angesprochen werden.
Auszüge aus verschiedenen Pflanzen stehen zur Auswahl: Extrakte aus Sägepalmen-/Sabalfrüchten (etwa Prostess® uno) oder Brennnesselwurzel (etwa Utk uno®) sowie Kombinationen aus beiden (etwa Prostagutt® duo), Extrakte aus Kürbissamen (etwa Granu Fink® Prosta forte) oder Pollenextrakte (etwa Pollstimol®) sowie Arzneimittel mit Phytosterolen (etwa Harzol®).
Am besten untersucht sind Sägepalmenextrakte. Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel HMPC der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) stuft allerdings nur bestimmte Extrakte, bei denen Hexan als Auszugsmittel verwendet wurde, als well-established Use ein. In Deutschland sind Präparate mit solchen Extrakten aber nicht im Handel. Extrakte mit Ethanol als Auszugsmittel werden als traditional-Use eingestuft. Als Wirkstoffe der Sägepalmenfrüchte gelten Phytosterole (β-Sitosterol) und freie Fettsäuren. In vitro wurde eine proliferationshemmende, antiandrogene und antiphlogistische Wirkung gezeigt.
Auf welche Weise die Wirkung(en) der Phytopharmaka zustande kommen, ist bisher nicht bekannt. Diskutiert wird eine Beeinflussung des Prostaglandin- und Prolactin-Stoffwechsels sowie eine Verminderung der 5α-Reduktase-Aktivität.