Kassen verärgern Apotheker mit Engpass-Vorschlag |
Im Gesundheitsausschuss des Bundestages wurde am heutigen Mittwoch über Lieferengpässe diskutiert. / Foto: imago stock&people
Die Arzneimittel-Lieferengpässe werden immer mehr zum gesundheitspolitischen Schwerpunktthema. In der vergangenen Woche hatte es im Plenum eine Debatte zu dem Thema gegeben – die Union hatte zuvor einen Neun-Punkte-Plan gegen Engpässe präsentiert, der allerdings in die Ausschüsse verwiesen wurde. Am heutigen Mittwochvormittag fand dann noch ein Fachgespräch statt, bei dem die Gesundheitspolitikerinnen und -politiker der Fraktionen einige Fachverbände zur Situation befragten. Neben der ABDA waren unter anderem der GKV-Spitzenverband, der Großhandelsverband Phagro und einige Pharma-Verbände geladen.
Für Aufregung im Apothekenlager sorgte nach Informationen der PZ ein Vorschlag des GKV-Spitzenverbandes. Dem Vernehmen nach sollen die Kassen eingebracht haben, dass die Ärzte über ihre Praxissoftware Einblicke in die Warenlager der Apotheken erhalten, damit sie schon bei der Ausstellung der Verordnung wüssten, welche Präparate von Engpässen betroffen sind.
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening sprach mit Blick auf die Lieferengpässe von einem belasteten Vertrauen der Bevölkerung in das Gesundheitswesen. Auch die Apotheker empfänden jede Form von Engpass als Beeinträchtigung, Störung und Belastung. Die Apotheken täten alles, um die Menschen nach den Therapievorgaben mit Arzneimitteln zu versorgen. Die Apotheken seien die einzigen Institutionen im Gesundheitswesen, die am Point of care Lösungen entwickelten und umsetzten, wobei die Probleme durch vorgeschaltete Ebenen verursacht würden, so Overwiening.
Die ABDA-Präsidentin forderte daher mehr Flexibilität für die Apotheken. Einerseits müsse die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung uneingeschränkt verstetigt werden. Zur Erinnerung: In dieser Verordnung sind die während der Pandemie erlassenen, erleichterten Abgaberegeln für alle Arzneimittel festgehalten. Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgeschlagenen Eckpunkte enthalten eine Verstetigung der Verordnungsinhalte nur für bestimmte Arzneimittel. Overwiening wies auch darauf hin, dass die Apothekenteams durch Arzt-Rücksprachen und durch das Auftreiben alternativer Beschaffungswege der verordneten Arzneimittel pro Tag einige Stunden zusätzlichen Aufwand hätten – dafür forderte die ABDA-Präsidentin einen angemessenen »Engpass-Ausgleich«. Dieser Ausgleich müsse unbürokratisch erfolgen und beispielsweise nicht an Rücksprachen mit Ärzten gebunden sein.
Sebastian Schütze vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sagte, mittelständischen Firmen, die in Deutschland produzieren, gehe angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen die Luft aus, weil Arzneimittel teils nicht wirtschaftlich hergestellt werden könnten. Manche Mittel brächten den Firmen sehr wenig Geld, selbst mit lebenswichtigen Medikamenten machten Hersteller bisweilen kaum Gewinn. Das könne so nicht funktionieren. Es müsse etwas getan werden, sonst könnten weitere wichtige Arzneimittel wegfallen. Es sollte über die Aussetzung von Preismoratorien und Preisabschlägen gesprochen werden. Schütze schlug außerdem eine verpflichtende Mehrfachausschreibung mit mindestens drei Zuschlägen vor, um auf Dauer eine gewisse Anbietervielfalt zu gewährleisten. Ein Anbieter müsse eine verpflichtende Produktion in Deutschland oder Europa haben.
Bork Bretthauer vom Verband Pro Generika sagte, mit Lieferengpässen bei Arzneimitteln habe Deutschland schon seit gut zehn Jahren zu tun. Jetzt werde von der Politik erstmals anerkannt, dass auch über Preise geredet werden müsse. Der Preisdruck sei eine Ursache für Engpässe. Die vielen Kostendämpfungsinstrumente hätten nur das Ziel, Ausgaben zu senken, das habe die Probleme mit verursacht. Er betonte, in einigen Fällen sicherten zu wenige Unternehmen die Versorgung. Das Aussetzen von Festbeträgen oder die Befristung von Regelungen helfe nicht, wenn andere Kostensenkungsmaßnahmen aufrechterhalten würden. Die Investition in mehr Produktionskapazitäten müsse langfristig betriebswirtschaftlich auch verantwortbar sein.
Thomas Porstner vom Bundesverband des Pharmazeutischen Großhandels (Phagro) sagte, der Großhandel leide erheblich unter den Lieferengpässen und habe ein hohes Interesse daran, Apotheken bedarfsgerecht zu versorgen. Es werde ein aufwendiges Lager- und Liefermanagement betrieben, um eine möglichst flächendeckende und faire Verteilung von Mindermengen zu ermöglichen. Der Großhandel habe einen gesetzlichen Sicherstellungsauftrag, es würden keine Arzneimittel gehortet. Die Ware werde insbesondere bei Lieferengpässen sofort in den Markt gegeben. Allerdings werde der enorm gestiegene Aufwand für die Beschaffung sowie das Lager- und Liefermanagement nicht vergütet.