Kassen sehen Pay-for-Performance-Verträge kritisch |
Cornelia Dölger |
11.11.2020 15:00 Uhr |
Für teure Gentherapien sind seit längerer Zeit flexible Erstattungskonzepte im Gespräch. So gibt es Modelle, die eine Vergütung vom Erfolg der Therapie abhängig machen. Wie diese umzusetzen sind und ob mit ihnen tatsächlich Geld gespart werden kann, wird diskutiert. / Foto: Getty Images/Andrew Brookes
»Erfolgsabhängige Vergütungsmodelle können bei Therapien mit unzureichender Evidenz aus dem Zulassungsverfahren zum Tragen kommen«, räumt der GKV-Spitzenverband gegenüber der PZ ein. Gerade bei Gentherapien und weiteren in beschleunigten Verfahren zugelassenen Arzneimitteln stoße das übliche AMNOG-Verfahren, bei dem der Zusatznutzen des Arzneimittels zentral die Preisbildung bestimmt, an seine Grenzen. Ohne solide Datengrundlage würden für solche neuen Therapien teils extrem hohe Preise gefordert – allein »mit dem Versprechen auf Heilung und nachhaltige Einsparungen bei der Standardtherapie«.
Hier auf die so genannten Pay-for-Performance-Modelle auszuweichen, reiche aber wohl nicht, betont der Spitzenverband. »Die Frage, ob dieses Spannungsfeld allein durch erfolgsabhängige Vergütungsmodelle aufzulösen ist und ob diese überhaupt zu finanziellen Entlastungen der Krankenkassen führen, ist offen«, hieß es auf Anfrage. Pay-for-Performance (p4p)-Modelle beruhen auf dem Prinzip, dass eine Vergütung durch die Kassen nur zu leisten ist, wenn der Therapieerfolg einer Behandlung nachgewiesen werden kann.
Die FDP-Fraktion hatte die Bundesregierung Anfang Oktober in einer Kleinen Anfrage um eine Bewertung solcher Modelle gebeten. Mit ihnen würde das finanzielle Risiko zwischen Hersteller und Krankenkassen aufgeteilt – angesichts der hohen Kosten, die die GKV zu tragen habe, sei dies sinnvoll, so die FDP. Die Bundesregierung hatte entgegnet, gerade bei den Arzneimittelkosten sei bereits viel Geld eingespart worden – und zwar mit den bestehenden Regelungen. Das AMNOG-Verfahren habe sich bewährt und überdies »allein im Jahr 2019 zu Einsparungen von etwa 3,6 Milliarden Euro geführt« – also deutlich mehr als die ursprünglich prognostizierten 2 Milliarden Euro pro Jahr.
Für den GKV-Spitzenverband stellt sich bei p4p-Verträgen auch die Frage nach ihrem Nutzen für das Gesamtsystem. Dieser sei begrenzt, da die individuellen Daten, die im Rahmen solcher Verträge erhoben werden, in der Regel nicht für eine spätere Nutzenbewertung zur Verfügung stünden. Sie seien aber wichtig, um grundlegend Evidenz zu schaffen – dies liege »originär in der Verantwortung des Herstellers und der Zulassungsbehörden«. Ohne solche Daten bleibe der Wert des neuen Arzneimittels für das System unsicher. Und: »Die Risiken des Misserfolgs und einer fehlenden Nachhaltigkeit der Behandlung werden auf die Patienten und Krankenkassen verlagert.«
Die Hersteller sehen das anders. Erfolgsabhängige Erstattungsmodelle könnten das AMNOG-Verfahren durchaus sinnvoll ergänzen und das System entlasten, gerade bei hochpersonalisierten Gentherapien, erklärt der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) in einem Positionspapier. Mit ihnen könne das finanzielle Risiko zwischen Kassen und Hersteller geteilt werden. Allerdings müssen dafür aus seiner Sicht einige gesetzliche Regelungen geändert werden, die im Zuge des noch jungen Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetzes (GKV-FKG) getroffen wurden.
So dürfe es zum Beispiel nicht dazu kommen, dass die Kassen womöglich finanziell von einem Therapieversagen profitieren könnten, indem sie Geld vom Hersteller zurückbekämen, das ursprünglich aus dem so genannten Risikopool stammt und somit eigentlich ihm zusteht. Der Risikopool wurde im GKV-FKG ergänzend zum Morbi-Risikostrukturausgleich wiedereingeführt und soll hohe Kosten für Leistungsfälle abfedern, die 100.000 Euro im Jahr übersteigen.
Für diese Fälle bekommt die entsprechende Kasse jeweils 80 Prozent ihrer Ausgaben erstattet. Es müsse rechtlich klargestellt sein, dass solche Geldrückflüsse aus p4p-Zahlungsmodellen an die Kassen zu gleichen Teilen wieder dem Risikopool zurückgeführt werden, wie sie entnommen wurden, betont der BPI.
Auch für das so genannte Ratenzahlungsmodell, bei dem die Kasse den Hersteller mit einer Initialrate sowie Folgeraten bei fortbestehendem Behandlungserfolg bezahlt, muss demnach beim Risikopool noch nachgebessert werden. Solche Ratenzahlungsmodelle seien für die Kassen im Vergleich zur üblichen Einmalerstattung noch unattraktiv, weil diese hier den Selbstbehalt auf jede einzelne Rate zahlen müssten.
»Aus Kassensicht ist es daher vorteilhafter, durch eine Einmalzahlung den Selbstbehalt nur einmal zu übernehmen und auf diese Weise einen größeren Teil des Erstattungsbetrags aus dem Risikopool zu erhalten«, schreibt der BPI. Um dies zu ändern, sei im »Risikopoolparagrafen« § 268 SGB V klarzustellen, dass der kassenindividuelle Selbstbehalt von 100.000 Euro nur auf die erste Rate zu zahlen ist«. Damit werde dieses Zahlungsmodell der herkömmlichen Erstattung gleichgestellt.