Kassen gegen Engpass-Zuschuss für Apotheken |
Der Austausch nicht verfügbarer Arzneimittel ist mit hohem Aufwand für Apothekenteams verbunden. Der GKV-Spitzenverband, der AOK-Bundesverband und der BKK-Dachverband lehnen dennoch eine Vergütung für dieses Management ab. / Foto: Getty Images/alvarez
Am 14. Februar hat das Bundesgesundheitsministerium einen ersten Entwurf für ein »Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln« (ALBVVG) vorgelegt. Die PZ berichtete mehrfach darüber. Der Entwurf sieht unter anderem neue Bevorratungspflichten für Generika-Hersteller, Festbetragssenkungen sowie Änderungen bei Rabattverträgen für Antibiotika und Onkologika vor. Apotheken sollen zudem künftig nur noch Rabattarzneimittel austauschen dürfen, die auf einer Lieferengpass-Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stehen. Für ihr Lieferengpass-Management sollen Apothekenteams eine Pauschale von 50 Cent erhalten.
Nach der Vorstellung des Gesetzentwurfs hagelte es Kritik von allen Seiten. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening beklagte mangelnde Wertschätzung für die Leistung der Apothekenteams. Auch die Hersteller kritisierten den Gesetzentwurf als unzureichend.
Am gestrigen Dienstag nutzten Verbände im Gesundheitswesen in einer Anhörung die Möglichkeit, zum Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Der Sozialverband VdK setzte sich in seiner Stellungnahme dafür ein, die erweiterten Austauschregeln für Apotheken bei Lieferengpässen von der geplanten Lieferengpass-Liste des BfArM zu entkoppeln. Ansonsten könne es bei kurzfristig auftretenden Engpässen, die noch nicht erfasst seien, zu Problemen bei der Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Medikamenten kommen. Die ABDA forderte flexiblere Abgaberegeln für Rabattarzneimittel, einen besseren Schutz vor Retaxationen und einen Engpass-Zuschlag für Apotheken in Höhe von 21 Euro.
Auf Unterstützung der Kassen kann die Apothekerschaft hierbei nicht hoffen. Ganz im Gegenteil. Denn den Kassen sind sowohl die erleichterten Austauschmöglichkeiten von Arzneimitteln in Apotheken als auch der damit verbundene Ausschluss von Retaxationen ein Dorn im Auge. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Spitzenverband), der AOK-Bundesverband sowie der Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK-Dachverband) wollen zudem die im Gesetzentwurf vorgesehene Engpass-Pauschale für Apotheken kippen.
Der BKK-Dachverband lehnt den Lieferengpass-Zuschlag für Apotheken in Höhe von 50 Cent zuzüglich Umsatzsteuer »entschieden ab«, so der Verband. Mit der Vergütung für Arzneimittel seien alle Aufwände abgegolten. »Eine weitere Honorierung käme einer doppelten Vergütung gleich«, heißt es in der Stellungnahme. Der Kassenverband fordert, Großhändler und Apotheken zu verpflichten, Arzneimittel besser zu bevorraten. Dann seien auch die erleichterten Abgaberegelungen für Arzneimittel entbehrlich, so der BKK-Dachverband.
Der GKV-Spitzenverband hält laut seiner Stellungnahme zwar die Intention des Gesetzgebers, den durch Lieferengpässe entstehenden Arbeitsaufwand in Apotheken zu verringern, für sinnvoll. Der mit den gelockerten Austauschmöglichkeiten gewählte Ansatz sei jedoch nicht zielführend. Der Aufwand ließe sich durch die Etablierung eines umfassenden Monitoring-Systems verhindern. Dabei könnten Ärzte bereits vor der Verordnung einen entsprechenden Hinweis erhalten. Somit kämen Apotheken gar nicht in die Situation, dass ein Mehraufwand entstehe.
Aus diesem Grund lehnt der GKV-Spitzenverband die geplanten vereinfachten Austauschregeln in Apotheken ab. Sollte die Neuregelung Teil des Gesetzes bleiben, empfiehlt der Verband dringend, sie anzupassen. Er fordert insbesondere, das mit dem Austausch von Arzneimitteln verbundene Verbot von Beanstandungen und Retaxationen zu streichen, da dies zu einer Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots führen könne. Weiterhin spricht sich der GKV-Spitzenverband dafür aus, auf die geplante Engpass-Pauschale für Apotheken zu verzichten. Da die vereinfachten Austauschregelungen darauf abzielten, den Aufwand in den Apotheken zu reduzieren, erschließe sich nicht, warum für die Abgabe vorrätiger Arzneimittel nun eine zusätzliche Vergütung notwendig sein solle, begründet der Verband seine Haltung.
Der AOK-Bundesverband hält einen Engpass-Zuschlag für Apotheken ebenfalls für verzichtbar. Statt eine Sondervergütung einzuführen, sollte sich die Anstrengung auf eine wirksame Vorbeugung von Lieferengpässen konzentrieren, heißt es in der Stellungnahme. Die Fortführung von Sonder-Abgaberegeln aus der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung lehnt der AOK-Bundesverband ab, da mittlerweile keine Notwendigkeit zur Kontaktreduktion mehr bestehe. Der Verband fordert insbesondere, die damit verbundene generelle Freistellung von der Retaxation zu streichen. »Das vorgesehene Abstellen auf breitere Abgaberegelungen wegen eines nichtvorrätigen Arzneimittels verbunden mit einer Retaxfreiheit unterläuft damit die Wirtschaftlichkeit der Versorgung«, so die Begründung des Verbands.
Der Verband der Ersatzkassen (vdek) will die Engpass-Pauschale für Apotheken nicht pauschal streichen, aber die Voraussetzungen für die Berechnung beschränken. Der Verband fordert, die im Gesetzentwurf geplante Regelung zu kippen, wonach in Fällen, in denen Apotheken nicht verfügbare und in der BfArM-Liste aufgeführte Rabattarzneimittel austauschen, keine Beanstandung und Retaxation stattfinden sollen.
Der vdek ist auch gegen die Formulierung im Gesetzentwurf, wonach Apotheken bei Arzneimitteln, die in der Apotheke vorrätig sind und die auf der Liste des BfArM aufgeführt sind, das verordnete Arzneimittel gegen ein in der Apotheke vorrätiges wirkstoffgleiches Arzneimittel austauschen können. Dass für die Vergütung der Apotheken für das Management der Lieferengpässe das Kriterium »des Vorrätigseins« in der Apotheke ausschlaggebend sein solle, ist aus Sicht des Verbandes nicht nachvollziehbar. »Für ein solches Kriterium fehlt jegliche Überprüfbarkeit und es setzt Fehlanreize für die Apotheke, ein möglichst kleines Warenlager zu haben, um davon zu profitieren«, heißt es in der Stellungnahme. Langfristig wirke sich diese Regelung negativ auf Rabattverträge aus, da durch die eingeschränkte Substitutionsverpflichtung der Apotheke der Anreiz für pharmazeutische Unternehmen sinke, Rabattverträge zu schließen. Der vdek schlägt vor, als Kriterium eine bestehende Lieferunfähigkeit beim Großhandel zu verwenden.
Der Ersatzkassenverband fordert außerdem, die höheren finanziellen Anreize für Arzneimittelhersteller durch die Lockerungen bei Fest- und Rabattverträgen mit konkreten Verpflichtungen zu verknüpfen. So sollten die Hersteller beispielsweise zu verbindlichen Liefermengen verpflichtet werden, auf die sich die Krankenkassen und ihre Versicherten verlassen könnten, so der vdek.
Auch die Techniker Krankenkasse (TK) hält es für problematisch, »dass die Politik vor allem mit pauschalen Preiserhöhungen die Liefersicherheit von Arzneimitteln erhöhen will«, kritisierte der TK-Vorstandsvorsitzende Jens Baas in einer Mitteilung. »Vielmehr müssen höhere Preise an klare Maßnahmen seitens der Hersteller geknüpft sein, die die Liefersicherheit von Medikamenten auch tatsächlich erhöhen, indem sie robustere und diversifizierte Lieferketten aufstellen«, forderte Baas.
Dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) gehen die geplanten Lockerungen bei Rabatt- und Festbeträgen hingegen nicht weit genug, er vermisst einen »größeren Wurf«. Der »Teufelskreis« von immer neueren und schärferen Preisregulierungen müsse durchbrochen werden. Da es Lieferengpässe nicht nur im Bereich der Kinderarzneimittel, Antibiotika und Onkologika gebe, schlägt der BPI weitergehende Strukturveränderungen für Arzneimittel in der Grundversorgung vor. Konkret fordert der Verband, das Preismoratorium abzuschaffen und generell die Mehrfachvergabe von Rabattverträgen zur Pflicht zu machen. »Nur so lassen sich Ausfallrisiken minimieren, zusätzliche Belastungen für Unternehmen vermeiden und mehr Anbietervielfalt und Liefersicherheit erreichen«, formuliert der BPI in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf.