Kanzlerin setzt auf digitale Lösungen |
Auch Apotheken sind betroffen: Ab 2020 müssen in Betrieben mit Bargeldeinnahme elektronischen Kassenvorgänge jederzeit nachvollziehbar sein. Dazu zählt auch der verpflichtende Ausdruck des Kassenbons. / Foto: Colourbox
Bürokratisch, überflüssig und umweltschädlich – so fasste kürzlich der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), Fritz Becker, die Bonpflicht zusammen. Sie fußt auf dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen aus dem Dezember 2016. Darin verpflichtet der Bund alle Betriebe, die ihre Bargeldeinnahmen mit elektronischen Registrierkassen aufzeichnen, dazu, ab dem kommenden Jahr jedem Kunden einen Kassenbeleg auszudrucken. Dabei ist es egal, ob er diesen haben möchte oder nicht.
Das Ziel der Regierung ist es, Steuerhinterziehern das Handwerk zu legen. Das bekräftigte Merkel am Mittwoch bei einer Befragung im Bundestag. »Wir können nicht einfach akzeptieren, dass dem Staat Milliarden Steuereinnahmen verloren gehen«, sagte sie. Es gehe nicht, dass Betriebe die Mehrwertsteuer hinterzögen.
In einer Kleinen Anfrage hatte sich kürzlich die FDP-Fraktion im Bundestag erkundigt, ob diese Regelung nicht der Absicht, nachhaltig mit Ressourcen umzugehen, entgegenlaufe. Denn in der Praxis wolle die Mehrzahl der Kunden die Kaufbelege gar nicht mitnehmen und die Betriebe müssten die Bons letztlich entsorgen. »Dies beeinflusst wiederum den Bedien- und Betriebsablauf, der auf eine schnelle Abfolge einer Vielzahl von Verkäufen ausgerichtet ist«, schreibt die FDP.
»Generell gilt der Grundsatz der Abfallvermeidung, der sich an alle Erzeuger und Besitzer von Abfällen richtet«, so der Bund. Bei der Auslegung der Vorschrift zu elektronischen Kassen habe das Bundesministerium für Finanzen (BMF) daher »ausdrücklich vorgesehen, dass anstelle eines Papierbelegs ein elektronischer Beleg erstellt werden kann, wenn der Kunde zustimmt«. Elektronische Bons können demnach etwa per E-Mail, über Kundenkonten oder direkt auf das Mobiltelefon zugestellt werden. Denn konkrete Regeln, in welcher Form der Beleg zugestellt werden muss, gibt es der Regierung zufolge nicht.
Das unterstrich auch Merkel bei der Befragung im Bundestag. Ob es in Zeiten der Digitalisierung nötig sei, für die Bon-Ausgabe kilometerweise Thermopapier zu bedrucken, wisse sie nicht. »Vielleicht kann man sich da vernünftigere Dinge vorstellen«, sagte die Kanzlerin.
Die Bonpflicht trifft nicht nur die Apotheker. Um insbesondere das Bäckergewerbe zu schonen, brachte die FDP-Fraktion vor wenigen Tagen einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein. Demnach soll dann eine Befreiung von der Bonpflicht möglich sein, wenn beim Verkauf von Waren und beim Erbringen von Dienstleistungen an eine Vielzahl von Personen »die Besteuerung durch den Einsatz einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung nicht beeinträchtigt wird«. Eine solche ist im Gesetz ohnehin vorgeschrieben.
In der Begründung heißt es, die Belegabgabepflicht führe im Handel »zu einer erheblich gesteigerten Ausgabe von Belegen, die größtenteils nicht vom Kunden mitgenommen werden, sondern direkt im Geschäft entsorgt werden«. Der daraus resultierende Müll sei vermeidbar, so die Liberalen. Die generelle Ausgabe von Kassenbons sieht die Fraktion als nicht notwendig an, sofern der betroffene Betrieb ein elektronisches Aufzeichnungssystem nutze.
Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wehrt sich gegen die Bonpflicht. In einem Brief an Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), der für das Gesetz zuständig ist, bittet Altmaier um ein Einlenken. »Die Folgen dieser Regelung sind beträchtlich«, warnt der Minister in dem Brief, der unter anderem der Tagesschau vorlag. »Für jeden noch so kleinen Einkauf oder Geschäftsvorgang muss ein Kassenbon ausgedruckt werden – auch wenn der Kunde darauf ausdrücklich verzichtet.« Daraus folge ein erheblicher Mehraufwand für die betroffenen Betriebe.
Der finanzpolitische Sprecher der SPD, Lothar Binding, hält in einem Gastbeitrag in der »Frankfurter Rundschau« dagegen. Einzelhändler, die ihre Geschäfte ehrlich führen, hätten »Nachteile gegenüber jenen Marktteilnehmern, die Mehrwertsteuer hinterziehen, ihre Lieferketten manipulieren und ihre Mitarbeiter schwarz oder prekär beschäftigen«. Möglich sei dies mithilfe von manipulierbaren Kassen, die Umsätze klein rechneten, um Steuern zu sparen, oder sie erhöhten, um Geld zu waschen.
Die Belegausgabepflicht sei eine der wichtigsten Forderung der SPD im Gesetzgebungsverfahren 2016 gewesen, erinnert Binding. »Die Ausgabe von Kassenbelegen bei Bargeschäften ist die Voraussetzung dafür, dass die Finanzverwaltung schnell und einfach prüfen kann, ob Umsätze korrekt erfasst sind.« Und der SPD-Mann geht noch weiter: »Die plötzliche Entdeckung ihres Herzens für Umweltschutz zwei Wochen vor Inkrafttreten des Gesetzes, nachdem die Pflicht zur Umsetzung drei Jahre lang bekannt war, ist nicht mehr als ein zum Zeitgeist passendes, vorgeschobenes Arguments seitens der Lobbyisten.« Schließlich sei die Belegausgabe bei Kartenzahlung »keiner Erwähnung wert, geschweige denn ein Problem«.