Kann bessere Luft Leben retten? |
Laura Rudolph |
04.03.2024 16:00 Uhr |
Bei der thermischen Inversion handelt sich um ein zufällig auftretendes Wetterphänomen, bei dem warme Luft eine Schicht kalter Luft einschließt, wodurch sich Luftschadstoffe nahe der Erdoberfläche ansammeln. Die Forschenden haben durch die Nutzung von Wetterdaten des China Meteorological Data Service Center und der regionalen Suizidraten, erfasst durch das Chinese Center for Disease Control and Prevention, mithilfe eines statistischen Modells einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Feinstaubbelastung und der Suizidrate in 600 untersuchten Landkreisen identifiziert.
In Phasen mit Inversions-Wetter nahm die Suizidrate in der betroffenen Region innerhalb derselben Woche zu und, sobald sich die Wetterlage besserte, abrupt wieder ab. Die Forschenden vermuten, dass die Feinstaubbelastung neurochemische Vorgänge und damit auch die Psyche beeinflussen könnte. Insbesondere auf ältere Menschen und Frauen wirkte sich der Effekt stark aus. Warum, bleibt noch unklar.
Natürlich ist Luftverschmutzung nur einer von vielen Faktoren, die sich auf das Suizidrisiko auswirken können – aber immerhin führen die Forschenden etwa 10 Prozent des jüngsten Rückgangs der Suizidraten in China auf eine erniedrigte Feinstaubbelastung zurück. »Dreißig Jahre Erwärmung in Indien beeinflussten die Suizidraten etwa in derselben Größenordnung wie fünf Jahre Luftverschmutzungskontrolle in China«, verdeutlicht Studienautorin Professor Dr. Tamma Carleton in einer Pressemitteilung. In Indien nahmen Suizide durch extreme Hitze zu.
Obwohl nur ein geringer Anteil von Suiziden auf Umweltfaktoren zurückzuführen ist, könnte die aktuelle Studie die Sicht auf die Prävention verändern. Das zumindest erhofft sich Carleton: »Wir denken oft über Suizid und psychische Gesundheit als ein Problem nach, das auf individueller Ebene verstanden und gelöst werden sollte. Die Studie weist auf die wichtige Rolle der Umweltpolitik bei der Minderung von mentalen Gesundheits- und Suizidkrisen hin, die über individuelle Interventionen hinausgehen.«
Die Studie hat allerdings einige Einschränkungen. Sie gibt beispielsweise keine Auskunft darüber, auf welche Weise Feinstaub das Suizidrisiko beeinflusst. Zudem berücksichtigt die Studie nicht alle Regionen Chinas und die Ergebnisse sind nicht ohne weiteres auf andere Länder übertragbar. Weitere Studien sind notwendig, um die Entdeckungen näher zu untersuchen.