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Cannabis auf Rezept

Juristische Fallstricke

Vor zweieinhalb Jahren ist das sogenannte Cannabisgesetz in Kraft getreten. Rechtsanwältin und Apothekerin Isabel Kuhlen zog im Inspiration-Lab auf der Fachmesse Expopharm in Düsseldorf ein juristisches Resümee und informierte über rechtliche Fallstricke, die bei Cannabis-Verordnungen möglich sind.
AutorKontaktCaroline Wendt
Datum 26.09.2019  11:20 Uhr

»Versicherte mit schwerwiegenden Erkrankungen haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis«, so steht es in § 31, Absatz 6 des fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V). Doch gibt es einige Einschränkungen, informierte Kuhlen. Patienten können nur dann die getrockneten Blüten oder den Extrakt von Cannabis oder Arzneimittel mit Dronabinol oder Nabilon zulasten der Krankenkassen erhalten, wenn eine dem medizinischen Standard entsprechende alternative Leistung nicht zur Verfügung steht oder nicht zur Anwendung kommen kann. Zudem müsse eine »nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Entwicklung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehen«, so der Gesetzestext.

Die erste Verordnung muss durch die Krankenkasse genehmigt werden. Eine Ablehnung sei nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig. Befinde sich der Patient in einer spezialisierten ambulanten Palliativversorgung oder erfolge die Behandlung direkt im Anschluss auf einen Krankenhausaufenthalt, müsse die Krankenkasse innerhalb von drei Tagen nach Eingang des Antrags über diesen entscheiden. Ganz ohne Genehmigung könne eine Anpassung der Dosierung oder der Arzneiform vonstatten gehen.

Ärzte aller Fachrichtungen dürfen Rezepte über Cannabis ausstellen, jedoch keine Zahn- oder Tierärzte. Die Bestimmungen des § 31 SGB V gelten für die getrockneten Blüten, den standardisierten Extrakt und für Fertigarzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon, wenn sie außerhalb der zugelassenen Indikation rezeptiert werden. »Innerhalb der zugelassenen Indikation gelten die allgemeinen Vorschriften zur Abgabe von Fertigarzneimitteln«, erklärte Kuhlen. Der Wirkstoff Cannabidiol werde dagegen gar nicht in der Gestzespassage genannt, somit sei eine Vorordnung auch nicht zulässig.

Doch wie ist eine schwerwiegende Erkrankung definiert? Es scheint, dass sich hier Gesetzgeber und Krankenversicherungen nicht ganz einig sind. Rechtlich besteht keine Beschränkung der möglichen Indikation und es ist keine chronische Erkrankung nötig, um Cannabis auf Rezept zu erhalten. Die Definition der Krankenkasse sieht hingegen vor, dass eine Krankheit dann schwerwiegend ist, wenn sie lebensbedrohlich ist und die Lebensqualität auf Dauer beeinträchtigt. Dies lasse eine Vielzahl an Erkrankungen zu, so die Apothekerin. Eine Zwischenauswertung der Begleiterhebung zur Abgabe von Cannabis auf Rezept von mehr als 4100 Datensätzen habe ergeben, dass 69 Prozent der Verordnungen bei chronischen Schmerzen, 11 Prozent bei Spastiken und 8 Prozent bei Anorexie oder Wasting ausgestellt wurden, berichtete Kuhlen.

Obwohl die Therapiehoheit beim Arzt liegt und Patienten nicht dazu verpflichtet sind, alle theoretisch denkbaren Therapiealternativen erfolglos erdulden zu müssen, wird ein Drittel der Anträge zunächst von der Krankenkasse abgelehnt. »In 65 Prozent der negativ beschiedenen Fälle verwies die Krankenkasse auf bestehende Therapiealternativen«, so Kuhlen. Deshalb sei die Angabe von plausiblen Gründen für die Nichtdurchführung einer Alternative von besonderer Bedeutung. Dies könnten beispielsweise in der Fachinformation beschriebene Nebenwirkungen sein, die beim Patienten aufgetreten sind und die Anwendung anderer Wirkstoffe ausschließen.

Um eine Cannabis-Verordnung gegenüber der Krankenkasse zu rechtfertigen, müsse kein Wirksamkeitsnachweis nach Maßstäben der evidenzbasierten Medizin erbracht werden. Die im Gesetz geforderte nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Besserung könnten Ärzte auch aus Indizien ableiten, die sich außerhalb von Studien oder Leitlinien finden ließen. »Eine alleinige positive Erfahrung eines Patienten reicht allerdings nicht aus«, betonte die Referentin.

In manchen Fällen befristen Krankenkassen ihre Genehmigung. »Hierzu gibt es allerdings ein Urteil des Sozialgerichts Hildesheim, dem zufolge eine solche Befristung vom Gesetz nicht vorgesehen ist«, so die Rechtsanwältin. Die Verantwortung über die Fortführung der Therapie liege nach erstmaliger Genehmigung beim behandelnden Arzt.

Muss sich die Apotheke vergewissern, dass eine Genehmigung durch die Krankenkasse erfolgt ist? Hierzu zitierte Kulen ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, wonach sich ein Apotheker keinen Vergütungsanspruch für die Abgabe von Cannabisblüten erwirbt, wenn er sich nicht bei jeder Abgabe die notwendige Genehmigung der Erstverordnung vorlegen lässt. »Diese Aussage dürfte nicht mit den in den Lieferverträgen bisher ausgehandelten Prüfpflichten des Apothekers in Einklang zu bringen sein«, kritisierte Kuhlen. Daher sei es wichtig die jeweiligen Arzneilieferverträge im Einzelfall zu prüfen.

Doch insbesondere bei der kurzen Frist nach Krankenhausentlassung sei die Prüfung oft problematisch. »Es lässt sich nicht nachweisen, dass innerhalb der gesetzlichen Frist keine Reaktion der Krankenkasse erfolgt ist.« Eine Rechtsprechung fehle hier jedoch noch.

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