Jetzt Vorschläge bringen, und zwar konstruktive |
Juliane Brüggen |
25.11.2024 15:52 Uhr |
Pharmazierat Peter Stahl, Präsident der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz, forderte die Apothekerschaft auf, mit ihren Anliegen schnellstmöglich an die demokratischen Parteien heranzutreten. / © Stefan Friebis/LAK Rheinland-Pfalz
»In welchen Zeiten leben wir?« – diese Frage stelle er nun seit mehreren Jahren, berichtete Stahl. In diesem Jahr sei sie so drängend wie nie, betrachte man den andauernden Krieg in der Ukraine und die Wahl des zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump, der die Demokratie nicht gerade hochhalte. Zuletzt das Aus der Ampel-Regierung. Anfangs noch vielversprechend, habe sich die Koalition selbst zerschlagen – zu oft der öffentliche Streit und zu klein die Kompromissbereitschaft.
Positiv sei allerdings, dass die Tage von Karl Lauterbach (SPD) als Bundesgesundheitsminister gezählt zu sein schienen, bemerkte Stahl. Zuletzt habe ihn eine Aussage des Ministers beim diesjährigen Deutschen Apothekertag (DAT) »fassungslos« gemacht: Demnach sei Lauterbach dagegen, in Systeme, die nicht funktionieren, immer mehr Geld zu stecken. »Was ist das für eine Haltung?«, fragte Stahl – und verwies auf die tragende Rolle und Leistungen der Apotheken, etwa in der Pandemie, beim Managen von Lieferengpässen oder bei der Einführung des E-Rezepts, aktuell der elektronischen Patientenakte.
Nun würden die Karten politisch neu gemischt. »In meinen Augen müssen wir, muss die Apothekerschaft jetzt ihre Positionen, ihre Ideen und ihre Visionen einbringen – denn davon haben wir eine ganze Menge«, so Stahl. »Es geht darum, dass die Vertreterinnen und Vertreter der demokratischen Parteien erkennen, dass es sich lohnt, mit der Apothekerschaft ins Gespräch zu kommen, dass es dort gute, innovative und pragmatische Ideen gibt, die unser Gesundheitssystem an der einen oder anderen Stelle nach vorne bringen.« Und darum, zu widerlegen, dass Apotheken immer nur Nein sagen, wie mitunter behauptet werde.
Laut Stahl wäre beispielsweise die Notdienstversorgung ein Thema für die Politik. Apotheken könnten als erste Anlaufstelle fungieren und schnell entscheiden, ob eine Selbstmedikation ausreiche. Und warum sollten Apotheken nicht bestimmte Präparate direkt zulasten der Kasse abgeben können, fragte Stahl, warum nicht auch eine antibiotische Augensalbe nach telemedizinischer Rücksprache. Dies würde die Notdienstzentralen und Kliniken entlasten, ebenso die Patienten. Und wenn dies im Notdienst funktioniere, warum nicht auch generell.
Es gebe viele weitere Ideen und Ansätze, zum Beispiel im Hinblick auf die Prävention oder eine potenzielle Lotsenfunktion der Apotheken neben den Hausärzten. Auch ob Apotheken in bestimmten Fällen selbst Wiederholungsverordnungen ausstellen dürften, könne diskutiert werden, so Stahl.
Nutzen sollten Apotheken zudem die digitalen Möglichkeiten, wenn sie die Versorgung verbessern. Ein Beispiel sei das von der Kammer unterstützte Projekt »Pharmazeutische Betreuung von Patienten mit psychischen Störungen«, bei dem digitale Strukturen eine Rolle spielen. Projektleiterin ist Professor Dr. Kristina Friedland vom Institut für Pharmazeutische und Biomedizinische Wissenschaften der Johannes-Gutenberg-Universität (JGU) Mainz. Der Startschuss für das Projekt ist im September beim 2. Dr.-Andreas-Kiefer-Symposium der Kammer gefallen. Aktuell läuft die Rekrutierung von Apotheken bis einschließlich 31. Dezember 2024.
Bei all den Vorschlägen gehe es nicht darum, den Ärzten etwas wegzunehmen, sondern diese zu entlasten und mit ihnen zusammenzuarbeiten. »Ich möchte die Versorgung der Patientinnen und Patienten aus dem bestehenden kleinteiligen System der Apotheken und Arztpraxen heraus verbessern, im Zusammenspiel von Ärzten und Apothekern«, so Stahl. »Dass so etwas funktioniert und ganze erhebliche Vorteile für das Gesundheitssystem und die Vorsorge mit sich bringt, das hat das Projekt ARMIN bewiesen.«
All dies sei natürlich nicht zum Nulltarif zu haben. Zu den Angeboten der Apothekerschaft gehöre auch die gleichzeitige Forderung nach finanziellen Mitteln. Relativ einfach sei die Lösung der Skonti-Problematik, die schnell angegangen werden müsse.
Die sinkende Apothekenzahl sieht der Kammerpräsident als Warnsignal. »Wenn wir da nicht gegensteuern, dann haben wir keine kleinteilige Versorgung durch Apotheken mehr, dann ist ein sicherer Anker für die Menschen in Gesundheitsfragen unwiederbringlich verloren gegangen«, so Stahl. Diesbezüglich wünsche er sich eine schnelle und klare Positionierung der ABDA.
Clemens Hoch (SPD), Staatsminister für Wissenschaft und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz, richtete seinen Dank an die Apotheken: »für die geleistete Arbeit, den unermüdlichen Einsatz, den Sie jeden Tag erbringen, für die Versorgung der Patientinnen und Patienten.« Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie gut und wichtig eine funktionierende Apothekenversorgung vor Ort sei. »Danke für die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung, nicht nur damals, sondern generell«, so der Minister. Auch die Bereitschaft der Apotheken, Impfungen durchzuführen, schätze er sehr.
Clemens Hoch, Wissenschafts- und Gesundheitsminister in Rheinland-Pfalz, dankte den Apotheken für ihren Einsatz. / © Stefan Friebis/LAK Rheinland-Pfalz
Die Frage sei, wie man die aktuellen Herausforderungen nutze, etwa die Digitalisierung. »Wie setzen wir unsere Ressourcen effizient ein und wie verbessern wir damit auch die Patientenversorgung«, so Hoch. Er begrüße das gemeinsame Projekt zur Betreuung von Patienten mit psychischen Störungen, das das Ministerium ebenfalls finanziell unterstützt.
Die Landesregierung sehe Apotheken nicht als Abgabestellen, sondern als wichtige Anlaufstellen für die Menschen vor Ort bei Gesundheitsfragen, betonte Hoch. Genau deshalb sei es wichtig, qualifizierte Fachkräfte auszubilden. Gerade habe das Ministerium wesentliche Schritte für den Pharmazie-Neubau und die Erweiterung der Studienplätze an der JGU Mainz in die Wege geleitet, so dass es bald losgehen könne.
Bei der anschließenden Diskussion mit der Vertreterversammlung betonte Hoch, dass man ehrlich überlegen müsse, wie die Apothekenversorgung der Zukunft aussehen soll, besonders vor dem Hintergrund einer veränderten Arbeitswelt, des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels. Er freue sich auf eine Diskussion mit konkreten Vorschlägen der Apothekerschaft. Digitalisierungsaspekte sollten genutzt werden, so Hoch, er sei ein Fan von telepharmazeutischen Angeboten. Grundsätzlich wünsche er sich eine bessere Verzahnung im Gesundheitsbereich. Beim Thema Skonti sei er auf Seiten der Apotheker und dazu im Kontakt mit Lauterbach.
In einem Gastvortrag berichtete Dr. Armin Hoffmann, Vorstandsvorsitzender des Zentrallaboratoriums (ZL) Deutscher Apotheker, von den notwendigen Sanierungsarbeiten am Gebäude des ZL in Eschborn, die im Jahr 2025 beginnen. Dem hatte die ABDA-Mitgliederversammlung im Juni 2024 zugestimmt. Er ging außerdem auf die Leistungen des ZL und die zukünftige Ausrichtung ein. Geplant sei ein »Zentrales Leistungsinstitut« der deutschen Apothekerschaft mit dem Fokus auf Wissenschaft, die den öffentlichen Apotheken nutzt.
Die Versammlung stimmte über verschiedene Anliegen ab, hier zu sehen der Vorstand der Landesapothekerkammer. / © Stefan Friebis/LAK Rheinland-Pfalz
Im Rahmen der Vertreterversammlung wurde angeregt, die Kammerwahlen 2026 in digitaler Form vorzubereiten. Eine endgültige Entscheidung darüber steht jedoch noch aus und erfordert eine entsprechende Satzungsänderung.
Beschlossen wurde außerdem eine Änderung der Beitragsordnung: Apothekeninhaber mit einem Jahresumsatz unter 1 Million Euro zahlen demnach ab 2025 einen deutlich niedrigeren Mindestbeitrag. Für Apotheken mit einem höheren Umsatz fallen weiterhin 0,067 Prozent an, wobei ein Höchstbetrag die Summe begrenzt. Inhabern, die in die höhere Umsatzkategorie fallen, gewährt die Kammer 2025 eine einmalige Beitragssenkung von 10 Prozent – ein Signal anlässlich der wirtschaftlichen Situation vieler Apotheken. Für angestellte Apotheker legt die Kammerversammlung nun jährlich einen Fixbetrag fest.