Ist der Schlankheitswahn politisch? |
Paulina Kamm |
18.08.2025 12:00 Uhr |
»Wer schön ist, oder was schön ist, hängt letztendlich davon ab, wer die Macht hat, gesellschaftliche Normen und auch Werte zu bestimmen«, meint Post. Während ein schlanker, »bescheidener« Körper laut Post einst Selbstkontrolle, Reinheit und die Nähe zu Gott symbolisierte, assoziiere man üppige Körper oft mit Völlerei. Auch wirtschaftliche Interessen definieren bis heute den Begriff, wie Wolf an Beispielen wie der boomenden Diätindustrie, der Kosmetikindustrie oder dem Markt für plastische Chirurgie festmacht.
Nach Posts Auffassung dient Schönheit außerdem als Kontrollinstrument, um Frauen in passive Rollen zu drängen: als Mütter, Ehefrauen oder Objekte männlichen Begehrens. Sie stellt die These auf, dass Frauen aufgrund der Kontrolle durch erzwungene (dauerhafte) Unterernährung weniger Energie gehabt hätten, was sich negativ auf ihre Leistungsfähigkeit und Autonomie ausgewirkt habe.
Dass ein solcher Blickwinkel nicht nur sexistische, sondern auch rassistische Komponenten hat, beschreibt die Soziologin Sabrina Strings in ihrem Buch »Fearing the Black Body: The Racial Origins of Fatphobia« (2019). Die Professorin ist Inhaberin des North Hall-Lehrstuhls für Black Studies an der University of California in Santa Barbara. In ihrer Forschung befasst sie sich mit Rasse, Geschlecht und Verkörperung in Wissenschaft, Medien und Medizin.
Als Beispiel für die sogenannte ›Adipositas‹ schwarzer Frauen, die nicht mit dem europäischen Schönheitsideal der Schlankheit einhergehen kann, nennt Strings in ihrem Buch die südafrikanische Sklavin Sara Baartman. Schwarze Frauenkörper wurden laut Strings und Post zu Zeiten des Kolonialismus gezielt abgewertet und stigmatisiert. Ziel sei es gewesen, angebliche kulturelle Überlegenheit und barbarische Machenschaften europäischer Gesellschaften gegenüber Sklaven zu rechtfertigen.
Die Leipziger Autoritarismus-Studie der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung aus dem Jahr 2024 zeigt Zusammenhänge auf: Die Autorinnen und Autoren beschreiben die Disziplinierung und Zurichtung der Körper von Frauen, Juden oder nicht-weißen Menschen als Teil autoritärer Impulse. Auch besagte Selbstkontrolle und Reinheit sind darin als Tugenden des rechten politischen Spektrums benannt. In der Studie wird ebenfalls verdeutlicht, dass Anhängerinnen und Anhänger autoritärer Ideologien feministische Errungenschaften ablehnen und an starre Geschlechterrollen anknüpfen.
Wie eine PZ-Recherche ergeben hat, bedienen sich heute auf der politischen Bühne vor allem rechtspopulistische Akteure der Schlankheits- und Schönheitsrhetorik, um antifeministische und sexistische Narrative zu untermauern. So teilte die Afd Sachsen auf der Plattform X ein Meme, in dem eine schlanke »traditionelle Frau« einer dicken »modernen Feministin« gegenübersteht. Auch Maximilian Krah (Afd) nutzt die Bildsprache, indem er Frauen in sexuell attraktive Konkurrentinnen und angeblich chancenlose Feministinnen kategorisiert. Die Heinrich-Böll-Stiftung sieht in derartigen Abwertungen eine Strategie: Wer nicht dem Ideal entspricht, gilt als »Unruhestifter« und soll »deutlich zu spüren bekommen«, dass die Person in der Gesellschaft unerwünscht ist, heißt es.
Hass im Internet und Bodyshaming bleiben dabei keine weltfremden Vorkommnisse, sondern treffen reale Menschen. Die Parteivorsitzende der Grünen Ricarda Lang landet diesbezüglich regelmäßig im Scheinwerferlicht. Dabei geht es selten um ihre politischen Erfolge, sondern meist um Attacken auf ihr Aussehen – etwa mit Sprüchen wie »nicht weiter durchfüttern« oder Vergleiche mit einem Elefanten.