Ist der Schlankheitswahn politisch? |
Paulina Kamm |
18.08.2025 12:00 Uhr |
Dünn bis zur Durchsichtigkeit: Der Schlankheitszwang hat zum Teil rassistische und patriarchale Ursprünge, meinen Experten. / © Getty Images/Darya Komarova
Wegovy, Ozempic, Mounjaro – die Auswahl der Abnehmpräparate ist breit gefächert, die Nachfrage ist immens: Alleine 2023 erwirtschaftete das Unternehmen Novo Nordisk laut Statista mit seinem Produkt Wegovy mehr als 4 Milliarden Euro Umsatz – rund 3,5 Milliarden Euro mehr als noch im Jahr zuvor. Der Konzern Eli Lilly ist Novo Nordisk auf den Fersen: Mounjaro erwirtschaftete seit der Zulassung im Jahr 2022 einen Umsatz von mehr als 5 Milliarden US-Dollar.
Die Investmentexperten von Morgan Stanley European Biopharmaceutical prognostizieren ein globales Umsatzwachstum der Abnehmpräparate von 77 Milliarden Dollar (knapp 66 Milliarden Euro) bis zum Jahr 2030. Obwohl die Präparate zum Teil ursprünglich für Diabetiker gedacht waren, boomen sie nun auch off-label – schlank wollen offenbar alle sein.
Der Fokus auf Gewicht und Aussehen besteht schon lange. Immer mehr junge Patientinnen landen wegen Erkrankungen wie Magersucht oder Bulimie in einer Klinik. Die Zahl verdoppelte sich nach Angaben des Statistischen Bundesamts binnen 20 Jahren: von 3000 Patientinnen im Alter zwischen 10 und 17 Jahren im Jahr 2003 auf 6000 im Jahr 2023.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen darin aber nicht nur individuelle Komplexe, sondern auch ein politisches Konstrukt: Schlankheitswahn, Bodyshaming und antifeministische Rhetorik greifen in ihren Augen ineinander und stärken autoritäre Strukturen.
Schönheit ist nicht neutral, sondern politisch – mit dieser Aussage sorgte bereits im Jahr 1990 Bestsellerautorin Naomi Wolf in ihrem Buch »The Beauty Myth: How Images of Beauty Are Used Against Women« für Aufsehen. Wolf analysiert darin den Druck, die Ängste und Sorgen, die der herrschende Schönheitswahn unter Frauen auslöst. Sie identifiziert die Zugkräfte aus Patriarchat und Ökonomie, die in Wolfs Augen dafür sorgen, dass für Frauen unfaire Erwartungen und Normen gelten.
Auch die promovierte Lebensmittelwissenschaftlerin, Antonie Post, hat die Theorie in ihrem Podcast »Iss doch, was du willst!« aufgegriffen – und erweitert: Sie sieht Schlankheit als das »allumfassende Schönheitsideal«, das sowohl gesellschaftlich, als auch historisch und politisch geprägt ist.