Innovationen in der Kardiologie |
Daniela Hüttemann |
12.11.2024 10:30 Uhr |
Eine kardiologische Innovation aus Göttingen stellte am Sonntag Professor Dr. Wolfram Zimmermann vor, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der dortigen Universitätsmedizin. Er ist Mitentwickler des sogenannten Herzpflasters, das derzeit in klinischen Studien zur Marktreife gebracht werden soll. Aus induzierten pluripotenten Stammzellen züchtet sein Team Herzmuskel- und Bindegewebsfasern, aus denen zusammen mit Kollagen kontraktile Patches hergestellt werden. Ähnlich wie ein echtes Pflaster wird es auf den geschädigten Herzmuskel von außen aufgenäht.
Die Patches sind sechseckig, etwa 4 cm im Durchmesser und 5 mm dick. Es können mehrere miteinander und aufeinander vernäht werden. / © UKSH
»Kein einziges Arzneimittel führt bislang dazu, dass auch nur eine neue Herzmuskelzelle entsteht«, begründet der Pharmakologe sein Interesse für Gewebe. Die Idee eines Herzpflasters sei daher logisch und eigentlich einfach – der Weg dorthin jedoch nicht zuletzt aufgrund der Regularien schwierig. Rund 30 Jahre habe es gedauert, bis erste Patienten behandelt werden konnten. Bislang bekamen in Kooperation mit dem Uniklinikum Lübeck 13 Patienten ein Herzpflaster. Derzeit läuft die Phase-II-Studie BioVAT-HF-DZHK20. Bereits im kommenden Jahr will man in eine Zulassungsstudie auf europäischer Ebene übergehen, informierte Zimmermann. Aktuell sei das größte Problem die Skalierung des Herstellungsverfahrens – von der einzelnen Kulturflasche auf 1000-Liter-Fermenter. Das limitiere derzeit den Einsatz.
Ebenso wie bei einer Transplantation müssen die Patienten mit Herzpflaster lebenslang Immunsuppressiva einnehmen, da es sich um körperfremdes Gewebe handelt – jedoch vergleichsweise niedrig dosiert und unter der Cushing-Schwelle.
Das längste Follow-up eines Patienten betrage derzeit drei Jahre, berichtete der Referent. Zudem zeigte das explantierte Herz einer Patientin, die nach dem Herzpflaster doch noch ein Spenderherz bekam, dass das »künstliche« Gewebe gut anwächst, vaskularisiert wird, reift (die Herzzellen sind relativ jung) und sich rhythmisch problemlos anpasst. »Das Herzpflaster stärkt die Pumpfunktion des erkrankten Herzens«, erklärte Zimmermann.
Ein Fallbericht eines Studienteilnehmers zeigte zwei Jahre nach dem Eingriff, dass sich seine Leistungsfähigkeit und die Symptome der Herzinsuffizienz deutlich und anhaltend verbessert hatten. Seine Herzleistung stieg von nur noch 10 auf aktuell 35 Prozent.
»Wir hoffen, dass wir irgendwann in den Leitlinien für Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz vor der Herztransplantation oder Pumpe landen«, so Zimmermann. Denn Organe gibt es bekanntlich viel zu wenige und die Pumpen gingen mit erheblichen Nebenwirkungen einher.
Darauf angewiesen sind in Deutschland schätzungsweise 10 Prozent der Patienten mit Herzinsuffizienz, die trotz optimaler medikamentöser Therapie nur noch eine mittlere Lebenserwartung von zwölf Monaten bei schlechter Lebensqualität haben. Zimmermann hofft, dass das Herzpflaster ein (normales) Leben lang hält. Daher werden auch junge Patienten mit Herzschäden in die Studie eingeschlossen.