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Da das kardiovaskuläre Risiko bei den meisten Patienten mit einer Hypertonie (≥ 140/90 mmHg) hoch ist, empfehlen beide Leitlinien in der Regel eine medikamentöse Therapie. Ausgenommen hiervon sind Personen im Alter von 80 bis 85 Jahren oder solche mit relevanter Gebrechlichkeit, symptomatischer orthostatischer Hypotonie oder limitierter Lebenserwartung. Darüber hinaus raten beide Leitlinien bei ausgewählten Patienten mit hohem oder sehr hohem kardiovaskulären Risiko zu einer medikamentösen Therapie, selbst wenn der Praxisblutdruck unterhalb der Schwellenwerte für die Hypertoniediagnose liegt. Die Auswahl der Patienten unterscheidet sich zwischen beiden Leitlinien.
Als Zielblutdruck empfehlen die ESH- und ESC-Leitlinien – sofern toleriert – einen systolischen Blutdruck von 120 bis 129 mmHg und einen diastolischen Blutdruck von 70 bis 79 mmHg. Die ESH-Leitlinie rät von einer aktiven Blutdrucksenkung unter < 120/70 mmHg ausdrücklich ab, da das Risiko von Komplikationen und Therapieabbrüchen aufgrund von Nebenwirkungen den möglichen Nutzen überwiege.
Für Patienten über 80 Jahre beziehungsweise gebrechliche Patienten empfiehlt die ESH-Leitlinie einen systolischen Zielblutdruck von 140 bis 150 mmHg, bei guter Verträglichkeit der medikamentösen Therapie auch 130 bis 139 mmHg. Allerdings gibt es für dieses Kollektiv nur wenig Evidenz. Die ESC-Leitlinie schlägt bei Über-85-Jährigen oder gebrechlichen Patienten mit symptomatischer Hypotonie oder begrenzter Lebenserwartung einen individuell angepassten systolischen Zielblutdruck, zum Beispiel < 140 mmHg, vor.
Patienten und Patientinnen mit diagnostizierter Hypertonie erhalten mit der pDL »Risikoerfassung hoher Blutdruck« ein Angebot, den Erfolg ihrer medikamentösen Blutdruckeinstellung kontrollieren zu lassen. Dabei werden die Blutdruckwerte im Informationsbogen Blutdruck dokumentiert, der vom Geschäftsbereich Arzneimittel der ABDA zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) entwickelt wurde (4). Der Mittelwert der zweiten und dritten Messung sowie das Alter bestimmen entsprechend der Leitlinien die Zuordnung zu einer der drei Risikokategorien (grün, gelb, rot). Das Ampelschema dient dem pharmazeutischen Personal als Entscheidungshilfe, welche Patienten zeitnah ärztlich untersucht werden sollten (Abbildung).
© ABDA
Patienten der roten Kategorie (> 130 mmHg systolisch < 65 Jahre, > 140 mmHg ≥ 65 Jahre, > 80 mmHg diastolisch) sollten innerhalb von vier Wochen ärztlich untersucht werden. Niedrige Werte (< 120 mmHg systolisch, < 70 mmHg diastolisch) erfordern ebenfalls eine ärztliche Abklärung, zum Beispiel beim nächsten Praxisbesuch, da sie ein erhöhtes Sturzrisiko bergen. Liegen systolische und diastolische Werte in unterschiedlichen Kategorien, gilt die höhere (rot > gelb > grün).
Entscheidend für alle weiteren Maßnahmen ist die korrekte Messung. So kann der Blutdruck bei einer um eine Größe zu kleinen Manschette bereits um 4,5 mmHg unterschätzt werden, bei zwei Größen sogar um bis zu 20 mmHg (5). Auch wenn der Arm während der Messung nicht abgestützt wird, kommt es zu falschen Ergebnissen. Liegt der Arm im Schoß oder hängt seitlich herab, wird der Blutdruck um 4 bis 6,5 mmHg überschätzt (6).
Alle Informationen zur pDL Blutdruck finden Sie hier.
Das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg am 23. Oktober 2024 bestätigt die Relevanz der pDL Blutdruck für Menschen mit Hypertonie. Das LSG wies die Klagen des GKV-Spitzenverbands und der Kassenärztlichen Vereinigung Hessens ab, die diese pDL aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen streichen wollten.
Literatur
1. McEvoy JW et al. (2024) Eur Heart J.;45(38):3912-4018.
2. Mancia G et al. (2023) J Hypertens.;41(12):1874-2071.
3. Whelton SP et al. (2020) JAMA Cardiol.;5(9):1011-1018.
4. Freudewald L, Said A (2020) Pharm Ztg; 165: 1518-19. www.pharmazeutische-zeitung.de/die-informationsboegen-blutdruck-117913/
5. Ishigami J et al. (2023) JAMA Intern Med.;183(10):1061-1068.
6. Liu H et al. (2024) JAMA Intern Med.;184(12):1436-1442.
Zu den Autoren:
Dr. Lucas Lauder, Professor Dr. Felix Mahfoud; Klinik für Kardiologie, Universitäres Herzzentrum Basel, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz
Dr. Pia M. Schumacher, Dr. Nina Griese-Mammen, Professor Dr. Martin Schulz; Geschäftsbereich Arzneimittel der ABDA, Berlin