Infektprophylaxe durch Probiotika |
Recken, dehnen, kräftigen: Eine starke Körpermitte gibt Rückgrat. Das gilt auch für das Darmmikrobiom und das Immunsystem. / Foto: Adobe Stock/Picture-Factory
In einer randomisierten, placebokontrollierten und vierfach verblindeten Studie untersuchten mexikanische Wissenschaftler eine neue probiotische Formulierung, bestehend aus vier Bakterienstämmen, hinsichtlich Infektprophylaxe von Covid-19 bei 300 Teilnehmern. Dabei bekamen die symptomatischen, ambulant behandelten Covid-19-Patienten über die Dauer von einem Monat entweder einmal täglich die Bakterien-Kombination oder Placebo. In der Verumgruppe ergaben sich signifikante Effekte auf die Dauer der Symptome, die Antikörperbildung und die Viruslast. Die Studie wurde aktuell in »Gut Microbes« publiziert.
So reduzierte die Probiotikum-Gabe die durchschnittliche Symptomdauer im Vergleich zu Placebo von 18 auf 13 Tage. Die erste Symptomlinderung setzte in der Verumgruppe bereits am Tag drei ein. Zudem verbesserte die tägliche Einnahme sowohl die SARS-CoV-2-spezifischen IgM- als auch die SARS-CoV-2-spezifischen IgG-Spiegel an den Tagen 15 und 30 signifikant. Die Viruslast im Nasen-Rachen-Abstrich war signifikant schneller verringert. Auch die in Röntgenbildern dokumentierte Lungenveränderung besserte sich unter Verum schneller.
Die Vierer-Bakterien-Kombination enthält Lactobacillus plantarum CECT 30292, zwei weitere Stämme der Gattung Lactobacillus und einen Pediococcus-Stamm und entspricht in seiner Zusammensetzung dem Nahrungsergänzungsmittel Panabiotics® Immun aB21. »Die Studie zeigt, dass eine Darmtherapie mit Probiotika zur Behandlung von unkomplizierten Infekten der oberen Atemwege bei Kindern und Erwachsenen wirksam ist. Entscheidend ist die Auswahl geeigneter Bakterienstämme, da deren Wirkung stammspezifisch ist. Und die Studie zeigt auch, dass die Darm-Lungen-Achse ihre Bedeutung hat«, sagte Professor Dr. Stephan Bischoff vom Institut für Ernährungsmedizin und Prävention der Universität Hohenheim bei einer Online-Veranstaltung der Firma Dr. Kade. »Bislang gab es jedoch nur kleine Pilotstudien, die keine robusten Schlussfolgerungen erlaubten. Das ist bei der genannten Untersuchung anders.«
In den vergangenen Jahren konnte die Wissenschaft zeigen, dass der Darm und seine Bakterien mit verschiedenen anderen Organen kommunizieren. Die Hauptpartner sind dabei die Leber, die Lunge und das Gehirn. Der »Crosstalk« zwischen dem Verdauungsorgan und dem Atemorgan ist dabei die jüngste Entdeckung. Diese Verbindung wird über Darmbakterienmetabolite wie kurzkettige Fettsäuren und Darmimmunzellen, die durch Darmbakterien geprägt werden und in Richtung Lunge wandern, vermittelt. »Wir wissen mittlerweile zumindest teilweise, wie dieser Crosstalk zustande kommt, vor allem durch Migration von immunkompetenten Zellen, etwa von Lymphozyten, die im Darm geprägt werden und ihre Information dann in den Respirationstrakt tragen. Sie lernen quasi im Darm und informieren dann die Lunge, damit diese mit unerwünschten Bakterien umgehen kann.« Probiotika funktionierten also nicht wie vor einiger Zeit angenommen über eine Verdrängung anderer Bakterien, sondern über das Immunsystem.
»Man vermutet, dass eine Dysbiose von Darmbakterien in der Folge die Entstehung von Lungenerkrankungen wie COPD oder von respiratorischen Infekten begünstigt«, erklärte der Mediziner. Hier seien gewisse Parallelen zu den anderen Achsen auszumachen. »Die Darm-Leber-Achse ist am naheliegendsten, denn der Darm ist direkt mit der Leber über die Pfortader verbunden. Wenn die Darmbarriere geschädigt ist, strömen mehr Bakterien oder Bakterienbestandteile in die Leber ein und rufen dort Entzündung und Leberverfettung hervor. Dies spielt bei krankhaftem Übergewicht oder Diabetes eine Rolle. Die Darm-Hirn-Achse wird ebenfalls über Darmbakterienmetabolite, aber auch durch Darmhormone und nervale Impulse wie über den Vagusnerv vermittelt. Die hat, so nimmt man an, eine Bedeutung für zerebrale Erkrankungen wie Autismus, Angstzustände, Depressionen und chronischen Schmerz.«
Dadurch, dass die Mikrobiomforschung heute funktioneller Natur ist, man also in Ansätzen weiß, welchem Keim welche Funktion zukommt, leitet sich das Konzept ab, dass geeignete Mikroben auch im Sinne von Prävention oder Therapie eingesetzt werden können. Wichtig zu wissen: Nur wenige Bakterienstämme sind im Vergleich zur hohen Diversität des gastrointestinalen Mikrobioms in der Lage, das Immunsystem zu stärken und eine immunologische Wirkung zu erzielen.
Häufiger sind Bakterienstämme, die die Darmbarriere stärken und einem Leaky Gut entgegenwirken können, sowie Stämme, die eine gestörte Darmflora normalisieren oder die Darmpassage regulieren. Bei deren Verdauungsarbeit entstehen kurzkettige Fettsäuren wie Acetat, Butyrat und Propionat. Diese sind wesentlich dafür verantwortlich, dass die Darmschleimhaut gut gedeiht, dass sie integer bleibt und nicht durchlässig für Pathogene wird. Nur dann können darunterliegende Immunzellen so geprägt werden, dass sie regulatorische T-Zellen bilden. Regulatorische T-Zellen sind hauptverantwortlich für immunologische Toleranz.
Bei der Auswahl eines Probiotikums gilt es aufgrund dieser stammspezifischen Wirkung, auf die enthaltenen Bakterienkulturen zu achten. Bei dreien der in Panabiotics enthaltenen Bakterienstämme handelt es sich um solche, die vom Diätmanagement beim Reizdarmsyndrom bekannt sind. Der vierte enthaltene Bakterienstamm - Lactobacillus plantarum CECT 30292 - ist neu, wurde bislang nicht in Probiotika genutzt und macht mengenmäßig die Hälfte der Fix-Kombination aus. Er scheint in der Lage zu sein, ein Protein zu überexprimieren, das für die Modulation des Immunsystems von Interesse ist.
»Die Immunstärkung hat in Pandemiezeiten an Bedeutung gewonnen. Apothekenkundinnen und -kunden möchten sich einerseits durch ein starkes Immunsystem vor einer Virus-Ansteckung schützen und andererseits im Erkrankungsfall darauf bauen können, dass durch ein gutes Immunsystem die Symptome nur mild verlaufen«, sagte Apothekerin Kirsten Hien. Diese Kunden könnten von probiotischen Helfern profitieren, da ein intaktes Darmimmunsystem auch die Atemwege schützt. Die Vierer-Bakterien-Kombination sei Hien zufolge auch ein guter Tipp für Eltern, die über ihre infektanfälligen Kinder berichten. Die Kapsel lasse sich gut öffnen und mit Joghurt, Müsli oder einer Lieblingsspeise einnehmen.