Politik

Wieder handeln Ärzteschaft und gesetzliche Krankenversicherung
entscheidende Bedingungen für den Arzneimittelmarkt aus: nämlich die
Arzneimittel-Richtlinien, die dem Bundesausschuß Ärzte/Krankenkassen
während seiner Sitzung am 30. Januar in der zehnten Entwurfsfassung
vorliegen. Und wieder einmal nehmen sie damit maßgeblichen Einfluß auf
das Schicksal der Apotheken. In diesem Fall zeichnet sich ab, daß die
Medikamententherapie des Arztes erneut gedrosselt werden soll.
Mit der Gesundheitsreform hat der Bundesausschuß Ärzte/Krankenkassen eine
sogenannte Richtlinienkompetenz bekommen. Wie nicht anders zu erwarten, wird er
die erste von ihm zu verabschiedende Richtlinie nutzen, dem Arzneimittelmarkt neue
und weitere Fesseln anzulegen. Von der Negativliste bis zur Preisvergleichsliste ist
alles in den Richtlinien enthalten, was das sozialgesetzlich an Einschränkungen
ermöglicht. Als besonderes Kennzeichen gilt: Ärzte sollen weggeführt werden von
einer medikamentösen Therapie zu anderen Behandlungsformen.
Die neuen Arzneimittel-Richtlinien regeln die Verordnung von Arzneien durch die an
der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte. Ziel ist eine bedarfsgerechte
und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten. Die Regelungen gelten
entsprechend auch, für die Verordnung von Medizinprodukten, soweit sie arzneiliche
Wirkung entfalten, und von Verbandstoffen. Sie sind für Vertragsärzte,
Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen verbindlich. Ob der
Bundesausschuß allerdings mit der Aufstellung der Richtlinien verfassungskonform
handelt, ist juristisch noch zweifelhaft.
Mit den Richtlinien werden den Vertragsärzten Bewertungen für einen,
"indikationsgerechten Arzneimitteleinsatz, therapeutischer Zweckmäßigkeit,
geeigneter Behandlungsstrategien und preisbewußter Arzneimittelauswahl gegeben".
Das wichtigste asu dem Inhalt des Entwurfs:
- Der Vertragsarzt kann Arzneimittel nach Handelsnamen (Warenzeichen),
Freinamen (generische Bezeichnung) oder als Rezeptur verordnen.
- Der Arzt entscheidet, ob der Apotheker im Einzelfall anstelle des verordneten
Arzneimittels ein preisgünstigeres, wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben darf.
- Arzneien mit nicht ausreichend gesichertem therapeutischen Nutzen darf der
Vertragsarzt nicht zu Lasten der Krankenkassen verordnen.
- "Die Verordnung von Arzneien der besonderen Therapierichtungen
Phytotherapie, Homöopathie und Anthroposophie ist nicht ausgeschlossen."
- Die Arzneimittelgruppen werden in einer tabellarischen Übersicht
zusammengefaßt. Bei gewichtigen Arzneigruppen hat der Arzt seine
Therapieentscheidung zu dokumentieren.
- Stehen für einen Wirkstoff mehrere gleichwertige Darreichungsformen zur
Verfügung, ist die preisgünstigste Form zu wählen. Stehen Arzneien von
verschiedenen Firmen mit gleichem Wirkstoff, Wirkstärke und
Darreichungsform zur Verfügung, soll der Arzt ein möglichst preisgünstiges
Präparat auswählen.
- Der Arzt soll auch wirkstoff- und namensgleiche Importarzneimittel
berücksichtigen.
- Dem Arzt soll durch eine Preisvergleichsliste die Auswahl ermöglicht werden.
Arzneimittel, die therapeutisch nicht notwendig, nicht zweckmäßig und
unwirtschaftlich sind oder zur Behandlung geringfügiger Gesundheitsstörungen
dienen, dürfen nicht verordnet werden. Die Krankenkassen haben ihre Versicherten
über die rechtlichen Einschränkungen ihrer Leistungspflicht bei der Versorgung mit
Arznei- und Verbandsmitteln zu unterrichten.
Vor der Verordnung hat der Arzt zu prüfen, ob angesichts von Art und
Schweregrad der Gesundheitsstörung eine Arzneiverordnung zulässig ist; ob
Maßnahmen im Sinne einer gesundheitsbewußten Lebensführung ausreichend sind,
etwa bei Diabetes mellitus Typ II, Hyperlipidämie und Gicht (Eigenverantwortung
des Versicherten) oder ob nichtmedikamentöse Therapien in Betracht kommen.
PZ-Artikel von Rainer Vollmer, Bonn



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