Politik

Die Verlagerung von medizinischen Leistungen vom Krankenhaus in die
Arztpraxis hatte allein von 1991 bis 1996 Mehrausgaben für Arznei- und
Heilmittel von 3,2 Milliarden DM im ambulanten Sektor zur Folge. Das ist
das zentrale Ergebnis einer Studie des Berliner Institutes für Gesundheits-
und Sozialforschung (IGES). In Auftrag gegeben hat die Untersuchung der
Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA).
Im einzelnen führt Bertram Häussler vom IGES die Kostenverlagerung auf folgende
Effekte zurück (alte Bundesländer):
- Durch die Verkürzung der durchschnittlichen Verweildauer im Krankenhaus
sind 1996 im Vergleich zu 1991 etwa 23 Millionen Pflegetage eingespart
worden. Pro Pflegetag wurden dadurch circa 4 DM für Medikamente und 3
DM für Heilmittel in den ambulanten Bereich verlagert. Den Umfang der
zusätzlichen Kosten bezifferte Häussler mit 161 Millionen DM im Jahre 1996
beziehungsweise 483 Millionen DM für den gesamten Zeitraum von 1991 bis
1996.
- Von 1991 bis 1996 stieg die Zahl der ambulanten Operationen um mehr als
die Hälfte. Im Durchschnitt wurden 1996 pro Operation 42,13 DM für
Arzneimittel und 67,70 DM für Heilmittel in Anspruch genommen. Zusätzliche
Kosten von 1991 bis 1996: fast 750 Millionen DM.
- Der Umsatz mit Arzneimitteln, die in der ambulanten Krebstherapie eingesetzt
werden, stieg von 1991 bis 1996 um nahezu 65 Prozent. Zusätzlicher
Aufwand: knapp 1,8 Milliarden DM.
- Die Zahl der von niedergelassenen Ärzten behandelten Dialysepatienten stieg
von 1991 bis 1996 um mehr als 60 Prozent. Dadurch erhöhte sich der
ambulante Verbrauch des Wirkstoffes Erythropoietin um insgesamt knapp
170 Millionen DM.
Für die neuen Bundesländer schätzt das IGES die Mehrbelastungen durch vermehrte
ambulante Therapien auf rund 260 Millionen DM zwischen 1991 und 1996. Für die
gesamte Bundesrepublik beläuft sich somit die Mehrbelastung des ambulanten
Sektors auf knapp 3,5 Milliarden DM.
In den nächsten Jahren sei mit ähnlichen Größenordnungen zu rechnen, so Häussler.
Denn zum einen setzten die Krankenkassen verstärkt auf Managed-Care-Ansätze,
die stets eine Verlagerung von Leistungen aus dem stationären in den ambulanten
Sektor zum Ziel hätten. Zum anderen seien neue ambulante Therapien, wie etwa die
Behandlung von Aids-Patienten, in dem jetzt vorliegenden Gutachten noch gar nicht
berücksichtigt.
VFA-Geschäftsführer Edwin Smigielski forderte anläßlich der Vorstellung des
Gutachtens in Bonn die Krankenkassen auf, die Verlagerungseffekte bei der
Vereinbarung von Arzneimittelbudgets und Richtgrößen stärker zu berücksichtigen.
Die gesundheitspolitisch sinnvolle Stärkung des kostengünstigen ambulanten
Bereichs bedeute eben auch einen Mehrverbrauch an innovativen Arzneimitteln.
PZ-Artikel von Hans-Bernhard Henkel, Bonn



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