Pharmazie

Wie sieht die Behandlung der Parkinson-Krankheit im Jahre 1998 aus,
nachdem 1997 vier neue Produkte mit dieser Indikation ausgeboten
wurden? Professor Dr. Peter-Alexander Fischer aus Frankfurt gab in seinem
Vortrag anläßlich des Pharmacons Davos eine Antwort auf diese Frage.
Morbus Parkinson ist ein chronisch-progredientes organisches Nervenleiden, das
durch motorische Symptome, wie Akinese, Rigor und Tremor, gekenntzeichnet ist.
Der Krankheit liegt ein degenerativer Prozeß zugrunde, der mit einem Untergang
melaninhaltiger Zellen der Substantia nigra und einer Degeneration dopaminerger
nigrostriataler Neurone einhergeht. Morbus Parkinson ist also eine
Dopaminmangelerkrankung.
Die Krankheitssymptome entwickeln sich schleichend. Die stumme asymptomatische
Phase kann Jahre dauern. Phänotypisch sollen, so Fischer, die charakteristischen
Symptome, deren Ausprägung von Fall zu Fall wechseln können, erst auftreten,
wenn 70 Prozent des Striatums zugrunde gegangen ist. Deshalb sei es
außerordentlich wichtig, die Erkrankung möglichst frühzeitig vor Ausbruch der
klassischen Symptomatik zu erkennen und zu therapieren, um den Krankheitsverlauf
zu verzögern. Der Dopaminmangel wirkt sich außerdem auf die Funktionalität
anderer Transmittersysteme, wie Acetylcholin und Glutamat, aus.
Zur Zeit gibt es weder eine protektive noch eine kurative Therapie, so daß nur die
Symptome der Parkinson-Krankheit behandelt werden können. Die Behandlung
besteht in erster Linie in einer Dopaminsubstitution durch Zufuhr der
Dopaminvorstufe L-Dopa, die nach Überwinden der Blut-Hirn-Schranke
intracerebral zu Dopamin decarboxyliert wird. Da L-Dopa bereits in der Peripherie
durch Decarboxylase schnell metabolisiert wird, muß, um eine ausreichende Dosis
zentral zu garantieren, bis zu 3g täglich peroral appliziert werden.
Eine Reduzierung auf ein Fünftel der Dosis konnte durch die Kombination mit
peripher wirksamen Decarboxylasehemmern wie Benserazid und Carbidopa erreicht
werden. Durch diese Kombinationen konnten allerdings die L-Dopa-bedingten
Nebenwirkungen wie Fluktuationen, insbesondere die unangenehmen
On-off-Phänomene, Dyskinesien und der Wirkungsverlust nicht wesentlich
beeinflußt werden. Eine weitere Verbesserung der Bioverfügbarkeit von L-Dopa ist
durch die neuen COMT-Hemmer erreicht worden, von denen Tolcapon 1997 in
Deutschland eingeführt wurde.
Das Enzym Catechol-O-methyltransferase (COMT) ist vorrangig in der Darmwand,
der Leber und den Nieren vorhanden und metabolisiert L-Dopa zu
3-O-Methyldopa (3-OMD). COMT-Hemmer blockieren diesen Abbau, so daß
mehr L-Dopa ins ZNS gelangen kann. Die Dosierung des L-Dopas läßt sich
dadurch weiter reduzieren. Die Fluktuationen treten seltener auf, dafür werden
häufiger Diarrhoen beobachtet.
Neben der L-Dopa-Therapie kann durch Hemmung des intracerebralen
Dopaminabbaus durch Monoaminooxydase-Hemmer vom Typ B (Selegilin) die
Konzentration des Dopamins im synaptischen Spalt erhöht werden. Als Alternative
bieten sich außerdem die Dopaminagonisten an (zum Beispiel Bromocriptin,
Cabergolin und Ropinirol), die direkt an den verschiedenen postsynaptischen
D-Rezeptoren, vorwiegend D
2, stimulierend wirken. Prinzipiell ist eine
Monotherapie mit diesen Substanzen möglich. Nachlassen der Wirkung und
spezifische Nebenwirkungen lassen die Kombination mit L-Dopa als sinnvoll
erscheinen, was im übrigen zu einer weiteren Reduzierung der L-Dopa-Dosis führt.
Zu den Arzneimitteln, die nicht direkt auf das dopaminerge System einwirken,
sondern in andere Regelkreise eingreifen, gehören die Anticholinergika und die
Glutamat-Antagonisten (NMDA-Rezeptor-Antagonisten), wie Amantadin und der
neue Wirkstoff Budipin. Ihre Wirkung ist wesentlich geringer als die von L-Dopa
und den Dopaminagonisten.
Eine kausale Therapie gibt es nach Meinung Fischers noch nicht. Auch die
Möglichkeit, protektiv zu therapieren, sei noch nicht schlüssig nachgewiesen, obwohl
in der DATATOP-Studie, bei der Deprenyl, Tocopherol als Monotherapie und in
Kombination gegen Placebo gemessen wurde, positive Ansätze für Deprenyl und
der Deprenyl/Tocopherol-Kombination für eine Verzögerung des Krankheitsverlaufs
beobachtet wurde. Da Deprenyl eine eigene therapeutische Wirkung zeigt, ist für
Fischer der protektive Effekt damit nicht eindeutig nachgewiesen worden.
Einen Therpiestandard für die Parkinson-Therapie gibt es nach Meinung Fischers
nicht.Die Therapie kann nur einzelfallorientiert, symptombezogen und je nach
Stadium des Krankheitsverlaufes individuell festgelegt werden.
PZ-Artikel von Hartmut Morck, Davos



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