Apotheker in schwieriger Lage |
17.10.2005 00:00 Uhr |
Der Apotheker steht für Verbraucherschutz und Sicherheit des Patienten, wobei die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln unter Berücksichtigung pharmakoökonomischer Aspekte überall gewährleistet sein muss, lautete das Resümee der Debatte. Das Arzneimittel sei und bleibe eine Ware besonderer Art. Der Wettbewerb im Apothekenwesen müsse über Service und Dienstleistungen und nicht über Preise stattfinden. Der Apotheker brauche ein notwendiges Maß an Unabhängigkeit und Planungssicherheit sowie eine stabile wirtschaftliche Basis zur Ausübung seiner heilberuflichen Tätigkeit. Diese Grundsätze sollen in einer gemeinsamen Erklärung festgelegt werden. Geschlossen müssten sich die Pharmazeuten gegen die Ökonomisierung des Apothekenwesens durch multinationale Konzerne im Rahmen der Globalisierung wehren.
Undurchsichtige Verflechtungen
Die Podiumsteilnehmer hatten zuvor auf Gefahren durch »undurchsichtige wirtschaftliche Verflechtungen« nicht nur in Polen, sondern auch in Litauen und Tschechien verwiesen. Der »aggressive Markt« in allen drei Ländern, in denen Fremdbesitz erlaubt ist, werde durch Ketten und Konkurrenten geprägt, die »vor unakzeptablen Methoden nicht zurückschrecken«.
87 Prozent der zurzeit 11.800 polnischen Apotheken sind inhabergeführt, 12 Prozent in Apothekenketten zusammengeschlossen. Auf Grund ihres schwachen wirtschaftlichen Status seien mehr und mehr Apotheken im Begriff, aus dem Markt gedrängt zu werden, so Wróbel. Er machte deutlich, dass 68 Prozent der Apotheken mit nur einem Lieferanten zusammenarbeiten. »Viele Kolleginnen und Kollegen sind sich nicht bewusst, dass sie ihre Unabhängigkeit und Souveränität bereits verloren haben.« Wróbel betonte, dass die polnische Apothekerschaft durch Bildung von Genossenschaften versuche, die Entwicklung in Richtung Monopol aufzuhalten und »den Markt in Apothekerhand zu behalten«.
Die Abhängigkeit des Großteils der Apotheken von nur einem Lieferanten beklagte auch der stellvertretende Präsident der polnischen Hauptapothekerkammer, Dr. Wojciech Giermaziak. Die Privatisierung alter Strukturen habe die Basis für die Bildung von Ketten geboten. Jetzt herrsche ein »erbarmungsloser Wettbewerb um Patienten«, der auch vor Schnäppchenpreisen für Medikamente nicht halt macht, beklagte er. Von einer »großen Verwirrung, allgemeinen Destabilisierung und Unordnung auf dem polnischen Markt« sprach Piotr Kula, Vorsitzender von PharmaExpert. »Wir sind emotional mit unseren Apotheken verbunden, aber es stellt sich die Frage, ob die Realität uns dies weiterhin erlaubt.« Immerhin könne er für den Apothekenumsatz 2005 in Polen eine günstige Prognose abgeben.
In tiefer Krise
Die Verflechtungen mit Großhändlern und anderen Kreditgebern auf Grund von mangelnder Finanzkraft der Apotheker in Zeiten der Privatisierung hob auch der Präsident des tschechischen Apothekerverbands, Jaroslav Polach, als Grundstein von Kettenbildung in seinem Land hervor. In Tschechien gebe es keinerlei gesetzliche Vorschriften im Apothekenwesen; jeder könne eine Apotheke eröffnen. Für etwa 10 Millionen Einwohner gebe es derzeit 2339 Apotheken, jährlich kämen etwa 100 hinzu.
Die Zahl der von Pharmazeuten geführten Apotheken, die aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen werden müssen, steigt. Polach sprach von einer »zunehmenden Tendenz zur Veränderung der Eigentumsverhältnisse« mit der Gefahr der weiteren Kettenbildung. Das gesamte Gesundheitswesen stecke in einer tiefen Krise. Die Krankenkassen seien mit ihren Zahlungen an Ärzte und Pharmazeuten um zwei Monate im Verzug. Auch etliche tschechische Apotheker hätten sich zur Sicherung ihres Überlebens in einer Genossenschaft zusammengeschlossen. Dies sei ein »guter Weg, um sich gegen die Ketten zu wehren«. Polach plädierte für mehr länderübergreifende »Apothekersolidarität«.
Wilder Markt
Ketten, Preisdumping, unehrlicher Wettbewerb, verbotene Werbung, undurchschaubare wirtschaftliche Strukturen: »Alles, was schlecht ist, haben auch wir«, so der Präsident der Litauer Hauptapothekerkammer, Eduardas Tarasevicius, der eine ähnliche Situation wie in Tschechien und Polen beschrieb. Auch in Litauen könne jedermann eine Apotheke eröffnen. Diese lägen oft Tür an Tür. Für 3,5 Millionen Einwohner gebe es derzeit 1500 Apotheken, mit steigender Tendenz. Es herrsche »freie Konkurrenz und freier Wettbewerb wie in den USA«.
Tarasevicius kritisierte den »wilden Markt, der nicht zu Europa passt«. Er träume von einer »europäischen Pharmazie gemäß unserer Kultur, die wir über Jahrhunderte entwickelt und erarbeitet haben«. Tarasevicius bemängelte den ständigen Wandel der politischen Verhältnisse in seinem Land. Dies zwinge die Apotheker dazu, »immer wieder erklären zu müssen, was Pharmazie ist«. Die Wirkung der Medikamente hänge jedoch nicht davon ab, »ob linke oder rechte Parteien an der Macht sind«. Er, so Tarasevicius, wünsche sich ein heilberufliches pharmazeutisches Wirken unabhängig von politischen Konstellationen. »Unsere Mission ist es, dem Wohl der Gesundheit und dem Patienten zu dienen.«
Volles Haus bei den Seminaren Die vier Seminare in polnischer und deutscher Sprache waren teils so gut besucht, dass die Teilnehmer von den Seminarräumen in das Auditorium maximum ausweichen mussten.
Unter Leitung von Professor Dr. Pluta widmeten sich vier Referenten von den Universitäten Krakau und Breslau der praktischen Umsetzung der Pharmazeutischen Betreuung bei Patienten mit Bluthochdruck. Diese Erkrankung betrifft in Polen etwa neun Millionen Menschen; die Therapie orientiert sich an europäischen Standards und Zielwerten. Wie Apothekerin Dr. Agnieszka Skowron anhand von Kosten-Nutzen-Analysen zeigte, machen Arzneimittel nur etwa 16 Prozent der Gesamtkosten bei Hypertonie aus. Die Mediziner Dr. Tomasz J. Wasik und Dr. Anna Kasicka-Jonderko von der Universität Katowice erläuterten Probleme bei der Behandlung viraler Infekte, vor allem von Influenza, HIV und Hepatitiden.
Apothekerin Dr. Nina Griese sensibilisierte in ihrem Seminar für die Problematik von Arzneimittelinteraktionen. Anhand von Fallbeispielen wurde die Bewertung der klinischen Relevanz von Interaktionen geübt. Arzneimittelinteraktionen werden nur für 1 bis 2 Prozent aller klinisch relevanten unerwünschten Wirkungen verantwortlich gemacht und sind zudem häufig vorhersehbar und damit vermeidbar, so Griese.
Fortschritte in der Pharmakotherapie metabolischer Krankheiten zeigten die polnische Pharmazeutin Barbara Filipek, Dr. n. farm. Jacek Sapa sowie der in Krakau niedergelassene Hausarzt Dr. hab. med. Marek Stepniewski auf. Es sei Aufgabe des Apothekers, die Patienten nicht nur über Möglichkeiten der medikamentösen Therapie, sondern auch über die große Rolle von Ernährung und Bewegung zu informieren.
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