Medizin


Die tiefe Beinvenenthrombose stellt eine häufige Komplikation einer
totalen Hüftgelenkendoprothese dar. Zur Prophylaxe thromboembolitischer
Kombinationen werden bislang unfraktionierte Heparine, niedermolekulare
Heparine sowie niedrigdosierte Vitamin-K-Antagonisten eingesetzt.
Rekombinantes Hirudin (Desirudin), ein spezifischer Thrombin-Hemmstoff, stellt eine
Neuentwicklung in der antithrombotischen Therapie dar. Sein Wirkmechanismus ist
bislang einzigartig, da es sowohl freies als auch fibrin-gebundenes Thrombin
inaktiviert. Desirudin unterscheidet sich vom natürlich vorkommenden Hirudin durch
das Fehlen einer Sulfat-Gruppe. In Deutschland ist es bislang zur Therapie der
Heparin-induzierten Thrombozytopenie vom Typ II (HIT II) zugelassen. In zwei
Multicenterstudien erwies sich Desirudin (zweimal täglich 15 mg) zur Prophylaxe der
tiefen Beinvenenthrombose beim totalen Hüftgelenkersatz als sicher und wirksamer
als unfraktioniertes Heparin (dreimal täglich 5000 IU).
Es existieren zahlreiche Hinweise, daß niedermolekulare Heparine in der
orthopädischen Chirurgie dem unfraktionierten Heparin überlegen sind. In der
vorliegenden randomisierten Doppelblindstudie wurde daher die antithrombotische
Wirksamkeit von Desirudin mit der eines niedermolekularen Heparins verglichen.
Beide Behandlungsregime werden präoperativ begonnen. Dabei wurde das
niedermolekulare Heparin Enoxaparin (Clexane 40 mg®) am Abend vor der
Operation erstmals appliziert, Desirudin (15 mg) 30 Minuten vor Beginn der
Operation. Anschließend wurde Enoxaparin einmal täglich, Desirudin zweimal täglich
in der jeweiligen Dosierung appliziert. Die Behandlungsdauer lag zwischen acht und
zwölf Tagen. Eine tiefe Beinvenenthrombose wurde mittels bilateraler Venographie
diagnostiziert.
In 31 Zentren in zehn europäischen Ländern wurden insgesamt 2079 Patienten
aufgenommen. Zur Beurteilung der Wirksamkeit wurden die Daten von 1587
Patienten ausgewertet. In der Desirudingruppe zeigte sich im Vergleich zur
Enoxaparingruppe eine signifikant geringere Rate an proximalen, tiefen
Venenthrombosen (4,5 versus 7,5 Prozent, p=0,01).
Dies bedeutet eine relative Risikoreduktion um 40,3 Prozent und eine um 28 Prozent
geringere Gesamtrate an tiefen Venenthrombosen (18,4 versus 25,5 Prozent,
p=0,001). Die Sicherheitsprofile waren in beiden Behandlungsgruppen vergleichbar.
Die prä- und postoperative Gabe von Desirudin ist demnach zur Prophylaxe tiefer
Venenthrombosen beim totalen Hüftgelenkersatz wirksamer als ein
niedermolekulares Heparin.
Quelle: Eriksson, B.I., et al., N. Engl. J. Med. 337 (1997), 1329-1335
PZ-Artikel von Wolfgang Kämmerer, Wiesbaden


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