Medizin


"Jetzt bin ich wieder ein ganzer Mensch", so die Worte eines
Hörgeschädigten, als er zum ersten Mal ein hochentwickeltes Hörgerät
trägt. Schätzungsweise zwischen acht und zwölf Prozent der Bürger der
westlichen Welt leiden an Hörstörungen. Probleme mit dem Gehör wirken
sich auch auf die Psyche des Betroffenen aus. Einen entscheidenden Beitrag
zur Hilfe verspricht sich die Firma Siemens Audiologische Technik mit der
Einführung eines digitalen Hörgerätes im Januar 1998.
"Das Auge schafft Beziehung zu Dingen, das Ohr schafft sie zu den Menschen", hieß
es bei einer Veranstaltung des Unternehmens. In einer schweizerischen Studie wurde
ermittelt, daß 25 bis 30 Prozent aller 18- bis 20jährigen bereits eine Verminderung
der Hörfähigkeit erlitten haben. Der gesunde Mensch nimmt in einem Bereich bis
100 Dezibel Geräusche war. Das Ohr wandelt mechanische Schallschwingungen mit
Hilfe des Corti-Organs in elektrophysiologische Signale um, die dann die
Nervenfasern bis zum Gehirn durchlaufen.
"Töne hören ist nicht alles. Die Botschaften müssen auch verstanden werden", so
Professor Claude-Henri Chouard, Direktor der Otorhinolaryngologischen Abteilung
des Universitätskrankenhauses Saint-Antoine, Paris. Das Innenohr interveniere vor
allem, um wichtige Schallereignisse von uninteressanten Geräuschen zu
unterscheiden. Das Gehirn setzt zusätzlich seine Lernerfahrung und sein Gedächtnis
ein, um die Nachricht schneller zu erfassen.
Drei Arten von Schwerhörigkeit werden unterschieden. Die
Schalleistungsschwerhörigkeit beruht auf einer Störung der Tonübertragung. Bei der
Schallempfindungsschwerhörigkeit ist die Umwandlung der mechanischen
Schwingungen in elektrophysiologische Signale gestört; die Hörschwelle kann
angehoben sein oder Worte werden im lauten Umfeld schlecht unterschieden. Bei
der kombinierten Schwerhörigkeit treten sowohl Störungen der Übertragung als
auch der Umwandlung auf.
Hauptbestandteile eines Hörgerätes sind Verstärker, Mikrofon, Hörer
(Miniaturlautsprecher) und Stromversorgung. Das Gerät muß die Störungen des
Unterscheidungsvermögens von Schallintensität und -frequenz sowie die im lauten
Umfeld bestehenden Verständlichkeitsprobleme kompensieren. Das Mikrofon
arbeitet entweder omnidirektional, das heißt alle Töne erfassend, oder richtend,
wobei nur die Töne aus einer bestimmten Richtung wahrgenommen werden. Der
Hörer dient zur Signalverarbeitung und Tonwiedergabe.
Bei einer erhöhten Hörschwelle des Patienten soll die Signalverarbeitung Störungen
des Unterscheidungsvermögens durch eine Verstärkung des Tons ausgleichen.
Zusätzlich muß das Schallsignal aufgrund oftmals großer Intensitäten komprimiert
werden. Bei den neueren Geräten sollen durch eine Umwandlung des Signals in
Impulse von variabler Dauer die durch die Verstärkung entstandenen Verzerrungen
verringert werden, sagte Chouard. Diese Technologie werde als "D-Klasse"
bezeichnet.
Der große Vorteil der digitalen Signalverarbeitung sei, daß alle Schallmanipulationen
in einigen Millisekunden realisiert werden können, so Chouard. Notwendige
Wandlungen würden sofort vollzogen, Tonverzerrungen gebe es nicht. Die
Effektivität eines digitalen Hörgerätes für den Patienten hängt nach seinen Worten
außerdem von dem Filter (Zerlegung des Tons und lineare Verstärkung), der
Frequenzbreite (programmierbares oder nicht programmierbares Frequenzfeld) und
dem Frequenzkanal (Frequenzfeld mit programmierbaren oder nicht
programmierbaren Kompressionsmodi) ab. Das optimale Hörgerät vereinige
Digitalität, mehrere Mikrofone und Frequenzkanäle, um eine individuelle optimale
Anpassung für den Patienten zu erreichen.
PZ-Artikel von Christina Overhamm, Frankfurt


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