Vitamin C: Neueszum Stand der Forschung |
29.12.1997 00:00 Uhr |
Medizin
Vitamin C (Ascorbinsäure) hat sich vom bloßen Anti-Skorbut-Vitamin zu
einem multifunktionell wirksamen Pharmakon entwickelt. Sein heutiger
Stellenwert für die Gesunderhaltung liegt in antioxidativem Zellschutz und
der Prävention schwerwiegender Krankheiten. Zu diesem einhelligen Fazit
kamen Experten auf einem Internationalen Symposium in Monte Carlo.
Freie Radikale und reaktive Sauerstoffverbindungen (ROS) werden vom
Organismus physiologisch gebildet. Gerät das pro- und antioxidative Gleichgewicht
jedoch außer Kontrolle, hat das pathologische Folgen. Man spricht dann von
oxidativem Streß, der in die sogenannten Free-Radical-Diseases münden kann.
Hierzu zählen langfristige degenerative Erkrankungen wie koronare Herzkrankheit
(KHK), Diabetes oder Krebs, ebenso altersbedingte Erkrankungen wie
Maculadegeneration oder Störungen des Immunstatus sowie der Alterungsprozeß
selbst.
Der Körper schützt sich dagegen durch eigene enzymatische Antioxidantien sowie
durch exogen zugeführte nichtenzymatische Antioxidantien, deren wichtigste
Vertreter die Vitamine C und E sowie Carotinoide sind. Vitamin C ist das effektivste
und am wenigsten toxische natürliche Antioxidans, ebenso das potentiell wichtigste
im Extrazellulärraum, hieß es in Monte Carlo.
Neue Empfehlung für die Zufuhr
Aufgrund einer Depletion-Repletion-Studie kommt Dr. Mark Levine, Bethesda,
USA, zu dem Ergebnis, daß die empfohlene Tagesdosis von derzeit 60 auf 200 mg
Vitamin C anzuheben ist. Levine kam zu dem Schluß, daß Vitamin-C-Dosen bis
1000 mg pro Tag als sicher einzustufen sind und die vorgeschlagene optimale Dosis
von 200 mg täglich über die Nahrung nach der "Five-a-day"-Regel (täglich fünf oder
mehr Portionen Gemüse oder Obst) zugeführt werden kann. Schätzungsweise 210
bis 280 mg Vitamin C stehen auf diesem Weg zur Verfügung. Eingehalten wird diese
Empfehlung laut Levine von weniger als einem Prozent der Bevölkerung.
Stellenwert in der Prävention von Krebs...
Von klinischer Bedeutung ist Vitamin C hauptsächlich bei der Therapie von Krebs,
KHK und Atemwegserkrankungen. Allerdings zeigt die Literatur bis heute nach
Professor Tim E. Byers von der University of Colorado, USA, für
Nahrungsergänzungsmittel keine eindeutigen Zusammenhänge in der Prävention von
Krebs, weder bei isolierter Gabe von Vitamin C noch anderer Antioxidantien.
Dagegen stehe die präventive Wirkung bei Krebs außer Frage, wenn es um die
kombinierten Effekte von Mikronährstoffen geht, wie sie in Nahrungsmitteln als
natürliche antioxidative Mischungen vorliegen. Ein hoher Verzehr von Gemüse und
Obst korreliert eindeutig mit einem geringeren Risiko für Darm- und Lungenkrebs.
Höhere Risiken für Brust-, Darm- und Prostatakrobs zeigen sich dagegen bei hohem
Fett- und Alkoholkonsum, bei Bewegungsmangel und Übergewicht. Nach Byers
sind die "Five-a-day"-Regel, eine Begrenzung der Fett- und Alkoholzufuhr sowie
Reduktion von Übergewicht und mehr Bewegung die wichtigsten Voraussetzungen
für eine effektive Krebsprävention.
Eine Ausnahmestellung nimmt Vitamin C bei Magenkrebs ein, wie Professor
Christopher J. Schorah von der University of Leeds, England, dokumentierte.
Vitamin C liegt in sehr hoher Konzentration in der Magenmukosa vor und wird auch
hochkonzentriert in den Magen sezerniert. Als Kanzerogene sind für den Magen
besonders wichtig: N-Nitroso-Verbindungen, freie Radikale und reaktive
Sauerstoffverbindungen (ROS) sowie Kochsalz. Vitamin C hemmt effektiv die
Nitrosaminbildung und ist normalerweise überall dort vorhanden, wo ROS auftreten.
Neu ist die Erkenntnis, daß Vitamin C bei Helicobacter-Infektion erst nach völliger
Eradikation wirksam werden kann. Dies wurde in bisherigen Präventionsstudien
nicht beachtet. Nach epidemiologischen, metabolischen und chemischen Kriterien ist
Vitamin C, so Schorah, ein bedeutender Wirkstoff zur Verhütung von Magenkrebs.
... und Erkrankungen der Atemwege
Ein eindeutig protektiver Zusammenhang besteht zwischen Atemwegserkrankungen
und Viatmin C, wie Dr. Harri Hemilä von der Universität Helsinki, Finnland,
feststellte. Supplementierungen ab 1 g pro Tag reduzierten die Erkältungshäufigkeit
bei Jugendlichen um 30 Prozent, bei Personen unter starker physischer Belastung
sogar um 50 Prozent. Allerdings sei der physiologische Effekt bei Jugendlichen
stärker als bei Erwachsenen. Professor Pier Carlo Braga von der Universität
Mailand, Italien, sieht den vergleichsweise größten Nutzen von Vitamin C bei
Atemwegserkrankungen in der Hemmung von reaktiven Sauerstoffverbindungen.
Diese stellen beispielsweise bei Emphysem, bronchialer Hyperreaktivität, Asthma,
Fibrose und Silikose sowie bei Grippe und Erkältung wichtige Cofaktoren dar oder
wirken als primäre Auslöser pathologischer Zustände.
Neue klinische Aspekte in der KHK-Prävention
Verschiedene epidemiologische Studien sprechen für einen Nutzen von Vitamin C
bei der Prävention von KHK. Professor Gladys Block von der University of
California, Berkeley, USA, berichtete von einer Studie mit 68 Männern, die Vitamin
C über eine kontrollierte Diät zu sich nahmen. Es zeigte sich, daß unter streng
kontrollierten Bedingungen der Vitamin-C-Plasmastatus signifikant mit einer
Blutdrucksenkung und einer Erhöhung von HDL-Cholesterol korrelierte.
Über bemerkenswerte Kurzzeiteffekte bei Vitamin-C-Gabe von 2 g pro Tag
berichtete Professor Dr. Balz Frei von der Oregon State University, Corvallis, USA.
Bei Patienten mit angiographisch gesicherter KHK zeigte sich innerhalb von zwei
Stunden eine dramatisch verbesserte Vasodilatation im Vergleich zur
Placebokontrolle. Bei allen Versuchen war es von Vorteil, die Dosis von 2 g Vitamin
C auf zwei Einzeldosen zu verteilen.
Nach Frei demonstrieren die Ergebnisse seiner Studie deutlich, daß eine
Vitamin-C-Gabe bei Patienten mit KHK bereits akut die vasomotorische
Dysfunktion des Endothels verbessert, vermutlich über eine Erhöhung der
endothelialen Stickstoffmonoxid(N0)Produktion. Nitroglycerin, ein direkter
NO-Donator, war bei Patienten der Vitamin-C-Gruppe gleichermaßen wirksam.
Dies zeigt, daß die Zellfunktion der glatten Muskulatur durch Vitamin C nicht negativ
verändert wird, so Frei.
PZ-Artikel von Gunter Metz, Monte Carlo
© 1997 GOVI-Verlag
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