Bei Dialysepatienten Prioritäten setzen |
09.02.2004 00:00 Uhr |
„Trotz der technischen Möglichkeiten wie der Hämo- und Peritonealdialyse sowie der Nierentransplantation ist die Prognose von Dialysepatienten schlecht“, sagte Professor Dr. Kai-Uwe Eckardt vom Campus Virchow Nephrologie der Berliner Charité. So sei sie zum Beispiel schlechter als beim Kolonkarzinom.
Todesursache sind in mehr als der Hälfte der Fälle kardiovaskuläre Komplikationen. Denn 75 Prozent der Dialysepatienten wiesen eine Hypertrophie des linken Herzmuskels, 40 Prozent eine koronare Herzkrankheit und etwa 25 Prozent eine periphere arterielle Verschlusskrankheit auf. Das Alter der Betroffenen spiele hier eine eher geringe Rolle.
Ziel der Pharmakotherapie sollte es sein, die Lebensdauer und -qualität des Betroffenen zu erhöhen. „Wir verwandeln eine nicht überlebbare Niereninsuffizienz in eine überlebbare, aber wir erreichen niemals den Normalzustand“, sagte Eckardt. Dabei gelte es neben der Nierenersatztherapie vor allem, das kardiovaskuläre Risiko zu senken.
Fast die Hälfte aller Dialysepflichtigen erhält Diuretika. Schleifendiuretika in hohen Dosen tragen dazu bei, die so genannte Restdiurese während der Anfangsphase zu unterstützen. Dies hätte den Vorteil, dass der Patient etwas liberaler mit seiner Flüssigkeitsaufnahme umgehen könnte, und zeige darüber hinaus einen wertvollen psychologischen Effekt („die Niere hat noch nicht vollständig versagt“).
Die meisten Patienten sind hypertensiv und erhalten zur Blutdrucksenkung eine Kombinationstherapie. Hauptsächlich werden dabei Betablocker, ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorantagonisten, Calcium-Antagonisten, a-Blocker und Vasodilatatoren eingesetzt.
Auf Grund der fehlenden renalen Ausscheidung von Phosphat entsteht bei einer Niereninsuffizienz eine Hyperphosphatämie. Zudem kommt es durch die unzureichende Umwandlung von 25-Hydroxycholecalciferol zu einem Mangel an 1,25-Dihydroxycholecalciferol und infolgedessen zu einem sekundären Hyperparathyreoidismus. So entsteht einerseits eine Form der renalen Osteopathie, andererseits führen die erhöhten Blutspiegel von Phosphor und Calcium-Phosphat-Produkten zu Verkalkungen der Gefäße. „Hier den Mittelweg zu finden, ist außerordentlich schwierig“, sagte Eckardt. Therapeutische Ansatzpunkte seien die Gabe von Phosphatbindern wie Calciumcarbonat und -acetat, sowie von Vitamin-D-Metaboliten und Vitamin D.
Nahezu alle niereninsuffizienten Patienten entwickeln eine Anämie, da sie Erythropoietin nur in ungenügender Menge produzieren. In der Regel lasse sich diese durch die Gabe von rekombinantem Erythropoietin (Epoetin alpha, Epoetin beta, Darbepoetin alpha) effektiv behandeln. Voraussetzung dafür sei allerdings eine gleichzeitige Eisenzufuhr, um den chronischen Blutverlust bei der Dialyse – vier bis fünf Liter pro Jahr – auszugleichen. So würden in der Regel intravenös 1 bis 2 g Eisen pro Jahr mit der Dialyse verabreicht.
Dialysepatienten haben typischerweise eine Fettstoffwechselstörung. HMG-CoA-Reduktasehemmer wären vermutlich effektiv und nebenwirkungsarm, allerdings sei ihr präventiver Effekt bei Dialysepatienten noch nicht belegt. Abzuraten sei in jedem Fall von Fibraten, da diese akkumulieren.
Während der Dialyse wird in der Regel unfraktioniertes Heparin verabreicht. Alternativ könne auch Danaparoid gegeben werden. Bei Hirudin sei Vorsicht geboten, da es ebenfalls akkumuliert.
Dialysepatienten seien eines der wenigen Patientenkollektive, die tatsächlich einen Vitaminmangel aufwiesen, sagte Eckardt. Vitaminpräparate sollten dabei insbesondere den Verlust der wasserlöslichen Vitamine durch die Hämodialyse ausgleichen. Aufpassen sollte man bei Vitamin C wegen der Gefahr einer Oxalose sowie bei Vitamin A, da dieses in der Regel bei diesen Patienten sogar erhöht sei. Letztendlich sei es angesichts der „komplexen Situation“ notwendig, Prioritäten zu setzen, um die Compliance nicht zu gefährden.
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