Leber und Darm kooperieren |
24.01.2005 00:00 Uhr |
„Die Leber spielt zwar bei der Aufnahme, Prozessierung und Elimination von Arzneistoffen eine zentrale Rolle, dennoch finden auch viele Prozesse extrahepatisch statt“, sagte Professor Dr. Heyo K. Kroemer von der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald.
So sei der Gastrointestinaltrakt für den Metabolismus und Transport von Arzneimitteln von größerer Bedeutung als bislang angenommen. „Leber und Darm kooperieren ganz deutlich“, betonte Kroemer.
Voraussetzung für einen späteren Stoffwechsel ist zunächst die Aufnahme des Arzneistoffs in die Leber, dass heißt, in die Hepatozyten. Daran sind mehrere Transportproteine beteiligt, unter anderem der OATP-C-Transporter, der für die Aufnahme von Xenobiotika verantwortlich ist. Eine eingeschränkte Funktion dieses Transporterproteins führe zu einer niedrigeren Konzentration der Fremdstoffe in den Hepatozyten und zu einer erhöhten Konzentration in der Peripherie, was unerwünschte Wirkungen zur Folge haben kann. Prominentes Beispiel seien hier die Statine. So hemmt das Fibrat Gemfibrozil das OATP-C-Protein, womit sich die Konzentration der Statine vor allem in der Muskulatur erhöht. Aber auch genetische Polymorphismen können die Funktion des Proteins einschränken. So konnte für genetische Varianten von OATP-C gezeigt werden, dass diese in vitro eine geänderte Funktion aufweisen und dies auch in vivo relevant ist.
Die in die Hepatozyten aufgenommenen Arzneistoffe werden in der Regel in Phase-I- und Phase-II-Reaktionen verstoffwechselt. Auch hier können auf Grund von Wechselwirkungen unerwünschte Wirkungen auftreten. So sei das Antihypertonikum Mibefradil (Posicor®), ein Hemmer des Cytochrom-P450-Isoenzyms 3A4, nach kurzer Zeit wegen Interaktionen mit Simvastatin aus dem Handel genommen worden. Auch bei den CYP-Enzymen sind genetische Polymorphismen von Bedeutung: Laut Kroemer wiesen zum Beispiel 7 bis 10 Prozent der Bevölkerung einen CYP2D6-Defekt auf.
Nach der Metabolisierung müssen die Arzneistoffe wieder aus den Hepatozyten eliminiert werden. Dieser Schritt sei besonders für die hydrophilen Stoffwechselprodukte unabdingbar und könne nur mittels aktiver Prozesse, dass heißt, wiederum mit Transportproteinen bewerkstelligt werden. Dabei werden die Substanzen entweder in die Gallengänge (apikal) oder in die Blutbahn (basolateral) eliminiert. Auch hier könnten wieder genetische Faktoren sowie gleichzeitig verabreichte Arzneimittel modifizierend einwirken. Des Weiteren könnten bei einer eingeschränkten Funktion die Stoffe in die Galle eliminiert oder andere Proteine in den Hepatozyten aufreguliert werden, wodurch die Arzneistoffe blutseitig ausgeschieden werden. So führe die Einschränkung des apikalen Transporters MRP2, der für die Elimination von Glucuroniden verantwortlich sei, zu einer Aufregulierung des basolateralen Transporters MRP3. Dies hat zur Folge, dass die Konjugate in die Blutbahn ausgeschieden werden.
Prinzipiell sollte der Apotheker beim Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen daran denken, dass diese auf Interaktionen beruhen könnten. Vor allem bei der Kombination von neu auf dem Markt befindlichen mit "altbewährten" Arzneimitteln sei erhöhte Vorsicht angebracht. „Dank zunehmender Erkenntnisse über Interaktionsmechanismen wird jedoch ein großer Teil der Arzneimittelwechselwirkungen zukünftig vorhersagbar und somit zumindest teilweise vermeidbar sein“, so Kroemer.
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