Bachelor und Master unerwünscht |
04.10.2004 00:00 Uhr |
Darüber hinaus soll das Pharmaziestudium laut Antrag künftig mit einem einheitlichen akademischen Grad (PharmD - Pharmazeutischer Doktor) abschließen. Die Studieninhalte seien so anzupassen, dass eine gegenseitige europaweite Anerkennung möglich ist.
Trotz zahlreicher Stimmen, die davor warnten, sich den europaweiten Entwicklungen zu entziehen, schloss sich die Hauptversammlung damit der Meinung des Präsidenten der Bundesapothekerkammer (BAK) und der BLAK, Johannes M. Metzger, an, der in der kontroversen Debatte engagiert für Meinungsführerschaft und strategische Positionierung im Sinne des Heilberufs Apotheker und somit für den Verzicht auf Bachelor- und Masterstudiengänge plädiert hatte. Er sehe eine „latente Gefahr“ dahingehend, dass der Bachelor-Grad als Regelabschluss für 80 bis 90 Prozent der Pharmaziestudierenden angedacht sei. Nur für einen kleinen Kreis solle der Master-Abschluss oder das Doktorat in Frage kommen. Weder ein Änderungsantrag der Kammer Nordrhein, der darauf abzielte, die neuen Studiengänge nicht von vorneherein abzulehnen, aber am Staatsexamen als Abschluss festzuhalten, noch ein Geschäftsordnungsantrag auf Verweis in einen Ausschuss fanden eine Mehrheit.
Teilziel der Bologna-Erklärung
Die Einführung von Bachelor-Master-Studiengängen ist ein Teilziel der so genannten Bologna-Erklärung (1999) von zwischenzeitlich 40 Unterzeichnerstaaten, nach der die Mobilität und Berufsfähigkeit der europäischen Bürger gesteigert sowie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Hochschulsystems gefördert werden soll. Dies hatte zuvor Dr. Christiane Eckert-Lill, ABDA-Geschäftsführerin Pharmazie, in ihrem Referat deutlich gemacht.
Auch sie hatte sich kritisch gezeigt. Mit dem dreijährigen grundständigen Bachelor-Studium als „Durchgangsstation“ zum Masterabschluss werde ein neuer Beruf geschaffen, dessen Bedarf zu ermitteln sei. Beim vierjährigen Studium wären die Anforderungen der EU-Richtlinien zur universitären Ausbildung zwar erfüllt, doch habe dieser Abschluss das Qualifikationsniveau einer Fachhochschulausbildung. Die Arbeitsmarktchancen der Absolventen dieses Studiengangs außerhalb der Apotheke seien zu prüfen. Gleiches gelte für den Bedarf an Master-Studiengängen. Eckert-Lill betonte, dass deren Schaffung zwangsweise eine Reduktion der Studentenzahl und damit der Zahl der jährlich ins Berufsleben eintretenden Apotheker bedeutet.
Diploma-Supplement
Als weiteres Teilziel der Bologna-Erklärung mit Auswirkungen auf die Apothekerausbildung stellte Eckert-Lill das so genannte Diploma-Supplement vor, mit dem ein System leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse geschaffen werden soll. Es handle sich um einen auf Initiative der Europäischen Union, des Europarats und der UNESCO standardisierten englischsprachigen Zusatz zu Zeugnissen über akademische Abschlüsse und Grade. Das Diplom könne bei Bewerbungen, für die es einer entsprechenden Qualifikation bedarf, sowie insbesondere für die Anerkennung von Apothekerdiplomen außerhalb der EU sinnvoll sein.
Last but not least beschrieb die ABDA-Geschäftsführerin das gemäß der Bologna-Erklärung angestrebte Leistungspunktesystem, das die Anrechnung, Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen ermöglicht. Als Standard sei das European Credit Transfer System - ECTS vereinbart worden, wobei ein Credit Point (CP) 24 bis 30 Arbeitsstunden entspräche. Pro Semester dürfen maximal 30 Points verlangt werden.
Als einen Vorteil des Leistungspunktesystems hob die Referentin die ständige Lernerfolgskontrolle hervor. Dies würde die Studenten entlasten, wenn größere, im ersten und zweiten Teil der pharmazeutischen Prüfung übliche „Prüfungsblöcke“ nicht mehr absolviert werden müssen.
Vierte Säule Prävention
Eckert-Lill beschrieb abschließend nicht nur QMS, das Pseudo-Customer-Konzept und die Hausapotheke als Zukunftschancen der Apotheker, sondern auch die Prävention als einen viel versprechenden Sektor. Diese habe sich neben Akutbehandlung, Rehabilitation und Pflege zu einer eigenständigen Säule der gesundheitlichen Versorgung entwickelt.
Die ABDA-Repräsentantin verwies auf die Gründung der Stiftung für Prävention und Gesundheitsförderung, die durch das geplante Präventionsgesetz ihre rechtliche Grundlage erhalten soll. Diese Stiftung solle im Konsens mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen vorrangige Präventionsziele und Handlungsfelder definieren, Umsetzungsstrategien sowie Schwerpunkte und Programme entwickeln. Die Apotheker hätten eine gute Chance, sich hier institutionalisiert einzubringen.
Dieser Ansicht stimmte die Hauptversammlung zu. Einstimmig verabschiedete sie einen Antrag der Berufsorganisationen aus Baden-Württemberg, der die ABDA auffordert, sich aktiv des gesundheitspolitischen Themas „Prävention als vierte Säule im Gesundheitswesen“ anzunehmen. Sie solle im Gesetzgebungsverfahren darauf hinwirken, dass die Apotheker im Präventionsgesetz als Leitungserbringer angemessen berücksichtigt werden.
Hausapotheke ausbauen
„Es gilt weniger das geschriebene Wort als vielmehr die gelebte Praxis“: Hatte bereits Eckert-Lill die Hausapotheke als ein wesentliches Element des zukunftsweisenden Berufsbildes hervorgehoben, so sprach auch ABDA-Geschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz von „der richtigen Richtung“, die die Apotheker hier eingeschlagen hätten. Doch müssten sie die Umsetzung der Hausapotheke jetzt vorantreiben.
Durch die Optimierung der Arzneitherapie nützt das Modell in jedem Fall den Patienten, so Schmitz´ Fazit. Für die Apotheken bedeute es einen großen Aufwand, dem jedoch ein hoher Effekt durch Kundenbindung, Sicherung der Marktposition und zusätzliche Einnahmen gegenüber steht. Sie sollten die persönliche, individuelle und qualifizierte Beratung vor Ort als ihre Stärke und ihr Alleinstellungsmerkmal im Markt ausbauen.
Bis heute haben rund 10 300 Apotheken die nötigen Qualifizierungsmaßnahmen durchlaufen: „ein großer Erfolg“. Derzeit haben etwa zehn Millionen Versicherte Anspruch auf Leistungen der Hausapotheke; weitere Verträge könnten noch einmal neun Millionen Versicherte einbeziehen, machte der Jurist die Dimensionen deutlich. In der Politik werde das Modell überwiegend positiv bewertet.
Die Delegierten begrüßten in einem Antrag einmütig die Verträge, die mit den Krankenkassen erzielt wurden, und ermutigten Verbände und Kassen, in neuen Vereinbarungen weitere pharmazeutische Dienstleistungen für die Versicherten vertraglich zu verankern. An die Apotheker vor Ort erging der Aufruf, das Hausapothekenmodell aktiv umzusetzen.
Integrierte Versorgung gestalten
„Zuschauen oder mitmachen“, lautet für viele Apotheker die Frage bei der integrierten Versorgung. Auch wenn diese bislang vorwiegend im Bereich der Krankenhäuser umgesetzt wird, gibt es für Schmitz keinen Zweifel: Die Apotheker müssen immer dann mitmachen, wenn die Arzneimittelversorgung betroffen ist, um „die Spielregeln“ mitzubestimmen. Ein Ziel sei es, pharmazeutische Dienstleistungen als Bestandteil der Verträge zu verankern, die integrierte Versorgung als Ergänzung von Hausapothekenverträgen zu nutzen und Mitverantwortung für die wirtschaftliche Versorgung der Patienten zu übernehmen.
Voraussetzung sei, dass es nur einen Wettbewerb um die Qualität und kein Preisdumping gibt. Außerdem müsse jede Apotheke, die die geforderte Qualität gewährleistet, an den neuen Versorgungsformen teilnehmen können. Derzeit würden Konzepte mit den Ärzten entwickelt, wie Kommunikation und Datenaustausch erfolgen können. Diese Positionierung der Apotheker in der Integrierten Versorgung unterstützte die Hauptversammlung in einem Antrag.
Kommentar: Keine Barfuß-Apotheker Die Ängste sind groß. Entsprechend hoch schlugen die Wogen in der Hauptversammlung, als es um Bachelor-Master-Studiengänge in der Pharmazie ging. Dass die Pharmazie an der Münchner Uni mit dem zum Wintersemester beginnenden Bachelor-Studiengang bereits Fakten geschaffen hat, heizte die Diskussion weiter an. Gleichwohl: Die zweizyklische Studienstruktur einzuführen, ist ein Ziel des internationalen Bologna-Prozesses.
Ein grundständiges dreijähriges Bachelor-Studium käme einem neuen Beruf gleich. Eine vierjährige universitäre Ausbildung würde formal die EU-Anforderungen zur gegenseitigen Anerkennung der Apothekerdiplome erfüllen, erklärte die ABDA-Geschäftsführerin Dr. Christiane Eckert-Lill, jedoch entspräche das Qualifikationsniveau einem Fachhochschulabschluss. Für BAK-Präsident Johannes M. Metzger ein Unding: Der Heilberuf dürfe keinen Zwischenabschluss akzeptieren. Unverzichtbar sei ein Staatsexamensstudiengang, der bundesweit einheitliche Qualitätsstandards garantiert.
Ich sehe die große Gefahr, dass mancher Politiker angesichts der aktuellen Sparvorgaben auf die Idee kommen könnte, die Approbationserteilung an den Bachelor- und nicht erst an den Master-Abschluss zu knüpfen. Dies muss verhindert werden. Einen Barfuß-Apotheker darf es nicht geben. Gerade darum muss die Diskussion weitergeführt werden.
Brigitte M. Gensthaler
Redakteurin
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