Freiberuflichkeit, Kompetenz und Bürgernähe |
26.09.2005 00:00 Uhr |
Wolf ließ keinen Zweifel daran, dass »Deutschland eines der besten Gesundheitssysteme überhaupt« hat und dies nicht zuletzt auf Grund der gegenwärtigen Arzneimittelversorgung durch die Apotheker. Nach den vielen gesetzlichen Änderungen der vergangenen Jahre brauche man nun Zeit für Stabilität und Planungssicherheit. Weitere Reformen, etwa auf der Einnahmenseite, müssten gut überdacht werden, mahnte er, denn: »Die Gesundheit der Menschen ist nicht dafür geeignet, Experimente durchzuführen.« Der künftigen Regierung bot Wolf im Namen der ABDA jedoch auch in Zukunft eine intensive und zielorientierte Mitarbeit an.
Auch wenn derzeit noch nicht abzusehen ist, in welche Richtung sich das Gesundheitssystem entwickeln wird, das Zukunftsprogramm der Apothekerschaft ist klar umschrieben und besteht aus drei Punkten: An erster Stelle gilt es, dem Patienten mit einer optimalen Arzneimittelversorgung zu nutzen. Zum Zweiten muss diese an die Freiberuflichkeit gekoppelt sein und schließlich an den Leistungs- und Qualitätswettbewerb unter den niedergelassenen Apothekern.
Allgegenwärtig in den Diskussionen über das Gesundheitssystem sind die steigenden Arzneimittelausgaben. Diese müssten jedoch sauber analysiert, an einem seriösen Vergleichsjahr gemessen und dann erst den jeweiligen Verantwortlichen zugeordnet werden. Wer vorschnell mit dem Finger auf die Apotheker zeige, sollte sich daran erinnern, dass die Berufsorganisation den Krankenkassen an Pfingsten ihr »finanzielles Eigentor« erließ. Zudem würden die Kassen auch dieses Jahr einen Überschuss von gut 2 Milliarden Euro erwirtschaften, so Wolf.
Sicherheit vor Kosten
Mit Blick auf die Politik forderte der ABDA-Präsident, die Arzneimittelversorgung jedoch nicht nur an ihren Kosten zu messen. Viel wichtiger sei ihre Sicherheit, die der Apotheker als Manager der Medikation wie beim Hausapothekenmodell am besten gewährleisten kann. Gefährdet seien Qualität und Sicherheit der Arzneimittelversorgung in jüngster Zeit immer dann gewesen, wenn die »Selbstverwaltung ausgebremst« wurde, etwa als Drogeriemärkte Rezeptsammelstellen einrichteten oder Arzneimittel im Internet versteigert wurden. Wolf stellte klar: »Erst mit dem Apotheker werden Arzneimittel zur Medizin.«
Eine optimale Arzneimittelversorgung ist für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit. Tatsächlich basiere sie aber auf harter Arbeit der Apothekerinnen und Apotheker und ihrer Berufsvertretungen, auf steter Fort- und Weiterbildung sowie neuen zukunftsorientierten Konzepten wie dem Hausapothekenmodell und dessen logischer Weiterentwicklung, dem Seamless-Care-Modell. Die zunehmend stärkere Verzahnung der einzelnen Sektoren im Gesundheitssystem nütze nicht nur dem Patienten, sondern erhöhe auch die Wirtschaftlichkeit.
Nach Wolf ist der freie Heilberuf Apotheker unverzichtbar, denn er garantiert eine fachliche Unabhängigkeit und damit die bestmögliche Versorgung. Dies werde mit der neuen Arzneimittelpreisverordnung nun auch stärker betont, da sie Apotheker vom Arzneipreis unabhängig und damit als Partner der Patienten und Krankenkassen glaubhaft macht. Dass Apothekenketten die Kosten im Gesundheitssystem senken würden, »geradezu altruistisch im Sinne der gesetzlichen Krankenkassen agieren und dort ihre Überschüsse abliefern«, stellte Wolf deutlich infrage.
Mit Blick auf die EU und die europäische Dienstleistungsrichtlinie forderte der ABDA-Präsident, dass für die Versorgung mit Arzneimitteln das Bestimmungslandprinzip gelten müsse. Würde hier das Herkunftslandprinzip greifen, sähe man sich 24 möglichen Fremdregelungen gegenüber. Wolf: »Arzneimittelversorgung, die in Deutschland stattfindet, muss auch nach deutschen Spielregeln stattfinden!«
Qualitäts- statt Preiswettbewerb
Apotheker locken laut Wolf nicht mit reißerischen Sonderangeboten und schrillen Werbespots, sondern mit Qualität und Service. Hier werde die Selbstverwaltung weiter die öffentliche Transparenz und eine maximale Qualität fördern, sowohl über Zertifizierungen als auch über Testkäufe. Und genau in diesem Bereich müsse auch der Wettbewerb unter den Apotheken stattfinden: in der Leistung und der Qualität, und nicht im Preis.
Der gesetzlich vorgeschriebene, einheitliche Arzneimittelabgabepreis für verschreibungspflichtige Präparate garantiere, dass »Jahreszeiten, Krankheitswellen und Notsituationen nicht für finanzielle Attacken auf die Geldbeutel kranker Menschen ausgenutzt werden können«. Preiswettbewerb finde nämlich nicht nur nach untern, sondern auch nach oben hin statt. Die pharmakoökonomische Verantwortung werde künftig aber auch für den Apotheker eine größere Rolle spielen. So könnten sie etwa als eine Art Makler bei Rabattverträgen zwischen Herstellern und Krankenkassen agieren.
Als eine der schwierigsten anstehenden Aufgaben der ABDA und ihren Mitgliedsorganisationen bezeichnete Wolf, »maßgeschneiderte Versorgungsverträge für definierte Patientengruppen, Regionen oder Krankenkassen« zu gestalten. Dazu müssen aber auch neue Allianzen mit Verbrauchern, Kassen, Ärzten und Krankenhäusern geschmiedet werden denn nur ein gemeinsames Handeln führe zum Erfolg.
Helfen soll hier künftig auch die Telematik, denn mit ihr können die unterschiedlichsten Patientendaten zusammengeführt werden. »Dabei ist es besonders wichtig, dass der Patient jederzeit Herr seiner Daten bleibt«, fasste Wolf die Ansicht der ABDA zusammen. Gemäß dem Motto des diesjährigen Deutschen Apothekertags sind Apotheker schließlich »Partner der Patienten«. Diese erwarten eine interessenunabhängige, qualitätsgesicherte und professionelle Beratung durch den Apotheker. Das Vertrauen, das Patienten Apothekern entgegenbringen, gelte es stets ernst zu nehmen und zu unterstützen. Dafür müssten Apothekerinnen und Apotheker seien sie in der öffentlichen Apotheke, in Krankenhäusern, in der Forschung, Verwaltung oder Bundeswehr tätig die Arzneimittelversorgung permanent weiterentwickeln und optimieren. Und dabei gehe die Apothekerschaft auch in Zukunft den »pharmazeutischen Weg«.
Kontinuität gefragt Die deutschen Apotheker waren wieder einmal die Ersten. Nur vier Tage nach der Wahl eines neuen Bundestags machten sie während des diesjährigen Deutschen Apothekertags in Köln deutlich, welche pragmatische Gesundheitspolitik erforderlich ist, um langfristig vom Schlingerkurs in ruhigere Gewässer zu kommen. Die Repräsentanten des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH) verfolgten den Auftakt und die Grußworte der gesundheitspolitischen Sprecher von CDU/CSU, SPD und FDP im Blick auf ihre gestern begonnene Hauptversammlung in Berlin mit besonderem Interesse.
Es konnte nicht überraschen, dass Wolfgang Zöller (CSU) und Dr. Heinrich Leonard Kolb (FDP) von der Noch-Opposition bei den 278 Delegierten als Interessenvertreter von 54.000 deutschen Apothekerinnen und Apothekern mehr Beifall fanden als die bisherige stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gudrun Schaich-Walch, der die Apotheker die Aufhebung des Versandhandelsverbots und die Aufweichung des Mehrbesitzverbots anlasten. Verglichen mit dem vehementen Protest, den sie vor Jahren beim Deutschen Apothekertag in Berlin als damalige parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium ertragen musste, waren die Missfallensäußerungen aber diesmal harmlos, eine Protokollnotiz am Rande.
An der Reaktion auf die Abschiedsrede der sozialdemokratischen Gesundheitspolitikerin, die dem neuen Bundestag nicht mehr angehören wird, konnte man zweierlei ablesen: Den nötigen Respekt vor Andersdenkenden für insgesamt faire Zusammenarbeit in der Vergangenheit und die durchaus legitime taktische Überlegung der Delegierten im Blick auf eine Große Koalition. Schaich-Walch hatte sich den wohlwollenden Beifall verdient, machte sie doch den Apothekern im Blick zurück auf die größte Unterschriftensammlung aller Zeiten mit über sieben Millionen Plädoyers zu Gunsten der individuell geführten Apotheken ein großes Kompliment. Mit ihrer Aufforderung an die Pharmaindustrie, »bei Preisfestsetzungen an die Interessen der Konsumenten zu denken« und der Anregung an die Apotheker »Konzentrieren Sie die bei der Unterschriftenaktion deutlich gewordene Energie auf den Ausbau des Gesundheitswesens« trug sie getreu dem Apothekertagsmotto »Apotheker Partner der Patienten« zum Konsens bei.
Die deutschen Apotheker haben während der Diskussionen in den Arbeitskreisen und in zahlreichen Entschließungen deutlich gemacht, dass sie dieser Anregung folgen wollen, dazu aber Planungssicherheit und Kontinuität erforderlich sind. Daran hat es in der Vergangenheit leider oft gefehlt. Gab es vor zwei Jahrzehnten nur in größeren Abständen und dann erst nach entsprechendem Vorlauf Gesetzesänderungen, mussten sich Bürger und Leistungsanbieter im Gesundheitswesen inzwischen an immer kürzere Abstände von Reformen gewöhnen. Das wird durchaus berechtigt mit der demographischen Entwicklung begründet. Es liegt aber auch daran, dass in der Vergangenheit Sozialpolitiker zu sehr im für die Wiederwahl primär notwendigen Vier-Jahres-Rhythmus und zu wenig mittel- und langfristig dachten. Unter diesem Aspekt ist die Selbstkritik von Wolfgang Zöller, der auch im neuen Bundestag die Gesundheitspolitik entscheidend mitgestalten wird, zu begrüßen: »Wir müssen als Politiker behutsamer vorgehen, denn sonst wissen die Menschen letzten Endes überhaupt nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht.«
Die Standesvertretung der deutschen Apotheker signalisierte in Köln die Bereitschaft zu einer konstruktiven Zusammenarbeit. Für Außenstehende mag es auf den ersten Blick überraschend gewesen sein, dass ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf gleich zu Beginn des Apothekertags betonte, vom neuen Bundestag werde keine neue Reform, sondern eine konsequenten Umsetzung der alten erwartet. Das war nicht nachträgliche Begeisterung für das GMG, sondern eine berechtigte Mahnung vor vorschnellen Änderungen, bevor ausreichende praktische Erfahrungen vorliegen. Die Politiker in Berlin täten gut daran, das Signal aus Köln aufzunehmen und künftig für mehr Kontinuität zu sorgen.
Dr. Siegfried Löffler
© 2005 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de