»Pharmazie leben!« |
26.09.2005 00:00 Uhr |
Nicht nur mit Wünschen im Gepäck, aber auch nicht passiv sollten die Apotheker in die Zukunft gehen, sagte ABDA-Geschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz, Moderator des dritten Arbeitskreises. Barmer-Vorstand Klaus H. Richter sieht den richtigen Weg in einer Stärkung der standeseigenen Kernkompetenz: die qualifizierte pharmazeutische Betreuung.
Die derzeitige Ausgangslage beschrieb Richter als gut, schließlich habe das GMG »endlich Raum für Ideen gegeben«. Nun gelte es, die gewachsenen Strukturen des Gesundheitswesens zu optimieren und zu modifizieren. Eine passende Strategie sieht er in dem Hausapothekenmodell, einem »Leuchtturmvertrag« innerhalb der inzwischen mehr als 90 Verträge, die die Barmer-Ersatzkasse im vergangenen Jahr geschlossen hat. Hier haben sich in nur sechs Monaten bereits nahezu 1,5 Millionen Versicherte eingeschrieben.
Nun ist der Barmer-Mann gespannt auf »Generikaverträge« anderer Krankenkassen. Dabei plädierte er jedoch dafür, keinen Wettbewerb um Selektion, das heißt den gesunden Patienten zu verfolgen, sondern einen Wettbewerb um mehr Wirtschaftlichkeit, mehr Qualität und »für den chronisch Kranken«.
An Apotheker gibt es aus Richters Sicht mehrere Anforderungen für die Zukunft. Allem voran müssten sie »die Pharmazie leben«. Der Versicherte müsse wissen, was die öffentliche Apotheke leiste, um sie Alternativen vorzuziehen. Darüber hinaus gelte es, die Kundenbindung zu stärken. »Sehen Sie die eingeschriebenen Versicherten als VIP-Kunden«, sagte Richter. Diese sollten immer wieder aufs Neue begeistert werden, wobei es ratsam sei, auch die Angebote und Serviceleistungen von nicht öffentlichen Apotheken genau zu beobachten.
Des Weiteren plädierte der Referent für eine sachgerechte Aut-idem-Handhabung, um die Arzneimittelkosten zu senken. Wünschenswert sei, wenn die Ärzte mehr und mehr zu Wirkstoffverordnungen gelangten. Damit könnten die Rabatt- und Kooperationsvereinbarungen zwischen Barmer und neun Pharmaunternehmen auch effektiver zur Geltung kommen.
Eine wichtige Anforderung an die Apotheker sei zudem, für noch mehr Arzneimittelsicherheit zu sorgen. Dabei setzte er auf die Zusammenarbeit der zwei Heilberufler im Hausapothekenmodell sowie auf die Medikationsliste für die Patienten. Apotheker sollten ferner offen für neue Ideen sein, etwa in der Prävention stärker tätig werden: über Ernährungsberatung oder Check-up-Messungen und dem Bewerben von gesundheitsbewusstem Handeln. In diesem Zusammenhang hält Richter auch gemeinsame Projekte wie die derzeit laufende Aktion »Deutschland lernt Zähneputzen« für zukunftsweisend. Denn auch in der medizinisch-pharmazeutischen Informations- und Öffentlichkeitsarbeit sei die öffentliche Apotheke gefragt.
Nicht zuletzt müsse der Apotheker aber auch dazu beitragen, die Arzneimittelkosten zu senken. »Alle Partner müssen zur Entschärfung beitragen«, so Richter. Dabei müssen hohe Qualität und Wirtschaftlichkeit rational verbunden werden, so dass Scheininnovationen erkannt werden und der generikafähige Markt gestärkt wird. Hier erwartet der Referent künftig auch Empfehlungen des IQWiG, aber auch die Selbstverwaltung sollte hier freiwillig und von unten entsprechend mitwirken. »Zeigen Sie, dass die Hausapotheke gewillt ist, Probleme anzugehen!«, appellierte Richter an die Apotheker, die »Hauskasse« werde sie dabei weiter unterstützen.
Stärker kooperieren
Auch in Zukunft wird die zentrale Aufgabe der Apotheker die bestmögliche Versorgung der Patienten mit Arzneimitteln sein, sagte Schmitz zu Beginn der anschließenden Podiumsdiskussion. Wie im Einzelnen ihr Beitrag zu einer optimalen Arzneimittelversorgung aussehen könnte, diskutierte der ABDA-Geschäftsführer mit Vertretern aus Ärzte- und Apothekerschaft, Kassen und Verbraucherschutz.
Arzt und Apotheker müssen eine sich ergänzende und keine konkurrierende Beratung durchführen, zeigte sich Dr. Ulrich Weigeldt, Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, überzeugt. Die Beratung an sich sei unbestritten eine Kernkompetenz der Apotheker, doch sollten die einzelnen Tätigkeitsfelder sauber abgesteckt werden. Der Hausapothekenvertrag habe einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass in vielen Fällen das Eis zwischen Arzt und Apotheker gebrochen sei.
Der Vertrag habe dazu geführt, dass mit- und nicht mehr übereinander geredet wird, bekräftigte auch DAV-Vorsitzender Hermann S. Keller. Die Apotheker müssten hier in Vorleistung treten und auf die Ärzte zugehen, sagte Apotheker Werner Henke. Zudem könnten sie ihrer Beratungsleistung zusätzlich in Form von Referaten in Selbsthilfegruppen nachkommen. Einen wesentlichen Beitrag könnten sie auch an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung leisten und so zum Beispiel unnötige Krankenhaus-Rückeinweisungen verhindern.
Eine flächendeckende Versorgung bedarf zwingend einer Absprache zwischen Arzt und Apotheker, unterstützte Manfred Krüger die Ansicht seines Kollegen. Durch den Vertrag erfährt der Apotheker nun die »ganze Geschichte« des Patienten, sodass eine ganzheitliche Versorgung möglich wird.
Für viel Diskussionsstoff sorgten die Ansichten von Dr. Stefan Etgeton, Referent für Gesundheit bei der Verbraucherzentrale Bundesverband. Für den Verbraucher seien bei der Entscheidungsfindung die erhaltene Information sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis wichtig. Insofern sei die Beratungsleistung der Apotheker ganz entscheidend. Allerdings sei die Qualität der Beratung fraglich, sagte Etgeton und verwies auf die Berichterstattung der Stiftung Warentest. Zudem sei die Beratung nicht unabhängig, sondern von wirtschaftlichen Interessen beeinflusst. Daher befürworte er zusätzlich eine unabhängige Beratung, die zum Beispiel auch die Kassen leisten können. Dem Hausapothekenvertrag stünde er skeptisch gegenüber, da die Wahlmöglichkeiten des Patienten dadurch eingeschränkt werden. »Der Patient wird weitergereicht«, so Etgeton.
Zwar hätte der Patient weniger Auswahlmöglichkeiten, räumte Keller ein, doch sei dies letztlich zu seinem Nutzen, da das Hausapothekenmodell ihm eine ganzheitliche Betreuung ermöglicht. Keller verwehrte sich entschieden dagegen, dass die Beratung nicht unabhängig sei: »Der Apotheker ist der einzige Berufsstand, bei dem die Gesundheit des Patienten vor dem Profit kommt.«
Fair bleiben Für viel Emotionalität sorgte die Kritik seitens des Vertreters für Verbraucherschutz. Dr. Stefan Etgeton bezweifelte die Unabhängigkeit der Beratung, da diese von wirtschaftlichen Aspekten beeinflusst sei. Unrecht hat er damit nicht, denn schließlich ist der Apotheker als verantwortungsbewusster Arbeitgeber auch für die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter verantwortlich. Doch daraus zu schließen, das dies auf Kosten der Patienten ginge, ist falsch.
Denn wenn das Profitdenken der Apotheker so vorrangig wäre, wie es ihnen häufig zugedacht wird, hätte sich sicherlich nicht die Mehrzahl der Apotheker dazu entschlossen, am Hausapothekenmodell teilzunehmen. Zurzeit bedeutet das Modell, das unbestritten die Arzneimittelsicherheit zum Wohle des Patienten erhöht, noch eine freiwillige unterbezahlte Zusatzleistung. Sicherlich wird keine Apotheke wegen der Aufwendungen wirtschaftlichen Schaden nehmen, doch sollte fairerweise dieser Aspekt bei solchen Diskussionen Erwähnung finden. Zumal in einer Zeit, in der es Apotheker teilweise schwer haben, selbst ihnen zustehende Honorare einzufordern.
Dr. Kerstin A. Gräfe
Ressortleitung Pharmazie
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