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Schwere Hauterkrankung: Junge mit Gentherapie behandelt

 

Mit einer Gentherapie haben Mediziner einen kleinen Jungen von einer lebensbedrohenden Hautkrankheit geheilt. Er litt an einer Form der Erbkrankheit Epidermolysis bullosa, auch Schmetterlingskrankheit genannt. Die Ärzte entnahmen dem damals sieben Jahre alten Hassan dazu einige Hautzellen, schleusten im Labor eine gesunde Variante des bei ihm fehlerhaften Gens hinein und vermehrten die Zellen dann. Schließlich transplantierten sie die nachgezüchtete gesunde Haut auf fast die gesamte Körperfläche des Jungen. Er ist heute, knapp zwei Jahre nach dem Eingriff, weitgehend frei von Beschwerden. Die Forscher stellten ihren Ansatz, die unter Leitung von Bochumer Wissenschaftlern erfolgte, jetzt im Fachblatt «Nature» vor.

 

Die Freiburger Dermatologin Leena Bruckner-Tuderman, die nicht an der Studie beteiligt war, spricht von einer sehr guten Arbeit. Es sei nicht nur ein schwer kranker Junge erfolgreich behandelt worden, auch seien wesentliche Fortschritte in der stammzellbiologischen Grundlagenforschung erzielt worden. Die Medizinerin erwartet bei weiterer Verbesserungen der Methodik Hilfe auch für weitere Betroffene mit anderen Varianten der Erkrankung. «Aber das ist Zukunftsmusik, so weit sind wir noch nicht», sagt die Ärztliche Direktorin der Hautklinik am Uniklinikum Freiburg.

 

Bei der Epidermolysis bullosa ist die obere Hautschicht, die Epidermis, nur unzureichend in der darunterliegenden Hautschicht, der Dermis, verankert. Schon kleinste mechanische Belastungen führen zu Blasenbildung und zur Ablösung der Haut, massive chronische Wunden sind die Folge. Das schränkt nicht nur die Lebensqualität enorm ein, es führt auch häufig zu Hautkrebs. Für die Verankerung ist maßgeblich ein Protein namens Laminin-332 verantwortlich. Sind Gene fehlerhaft, die für die Bildung dieses Proteins zuständig sind, tritt die Erkrankung in unterschiedlichen Varianten und Schweregraden auf. Eine Heilung ist bisher nicht möglich.

 

Bei Hassan war die Krankheit zunächst gut unter Kontrolle, nach einer Infektion verschlechterte sich sein Zustand allerdings dramatisch. Als er 2015 mit sieben Jahren ins Brandverletztenzentrum der Bochumer Kinderklinik kam, waren bereits 60 Prozent seiner Hautoberfläche zerstört. Durch die schweren chronischen Wunden und die Infektionen war er völlig ausgezehrt. Die üblichen Behandlungen schlugen nicht an, sodass im Grunde nur noch eine palliativmedizinische Behandlung infrage kam.

 

Auf Wunsch der Eltern suchten die Ärzte nach experimentellen Therapiemöglichkeiten und stießen auf Arbeiten von Michele De Luca, der am Center for Regenerative Medicine der Universität Modena (Italien) eine Gentherapie für diese Erkrankung an zwei Patienten getestet hatte, allerdings nur an kleineren Hautbereichen. Nach Klärung der rechtlichen und organisatorischen Fragen, die zur Durchführung einer Gentherapie nötig sind, schickten die deutschen Ärzte einige Hautzellen des Jungen an die italienischen Experten. Die isolierten daraus die epidermalen Stammzellen, schleusten ein gesundes Gen mittels viralem Vektor ins Erbgut hinein und vermehrten die Zellen. In Deutschland transplantierten die Wissenschaftler dann das nachgezüchtete Gewebe in zunächst drei Operationen. Insgesamt ersetzten sie 80 Prozent seiner Haut.

 

«Zu Beginn der Behandlung lag der Junge wie eine Mumie in seinem Bett, er war von Kopf bis Fuß in Verbände gewickelt», erzählt Tobias Rothoeft von der Kinderklinik in Bochum, der Hassan während seines etwa achtmonatigen Klinikaufenthaltes mitbetreut hat. «Nach der zweiten Operation besserte sich sein Zustand enorm. Heute ist seine Haut stabil, er geht zur Schule, spielt Fußball und kann ein weitgehend normales Leben führen.» Verletzungen an der neuen Haut heilten bei ihm wie bei jedem anderen Kind.

 

Die Forscher zeigten, dass die neue Haut etwa so viel Anker-Protein Laminin-322 enthielt wie gesunde Haut. «Es ist der erste Mensch, der so behandelt wurde. Wir müssen abwarten, ob auch weiterhin alles so gut verläuft. Das wird die Zeit zeigen», sagt Tobias Hirsch vom Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil, der den Jungen operiert hat. Für ihn als plastischen Chirurgen sei es «ein Wunder und ein Segen», dass es dem Jungen so gut gehe.

 

Die Forscher sehen ihren Erfolg als Beweis, dass eine solche Gentherapie grundsätzlich möglich ist. Sie hoffen, dass das Verfahren in Zukunft auch zur Behandlung anderer Patienten eingesetzt werden kann. Nach Angaben von Hirsch sind in Europa etwa 35.000 Kinder von der Schmetterlingskrankheit betroffen. Die Schwere der Erkrankung sei sehr unterschiedlich, eine die Ursache angehende Therapie werde dringend benötigt.

 

Grundsätzlich besteht bei Gentherapien wie der vorgestellten das Risiko, dass sich das neue Gen an einer ungünstigen Stelle im Erbgut integriert. Dadurch können Regulationsprozesse in der Zelle gestört werden, Krebserkrankungen können die Folge sein. Untersuchungen des Erbguts der neuen Haut zeigten, dass sich das Gen in den meisten Zellen in DNA-Bereiche integrierte, die nicht für die Bildung von Proteinen zuständig sind oder in solche Gene, die nicht mit einer Krebsentstehung in Verbindung stehen. Bisher fanden die Forscher bei dem Jungen auch keinen Tumor oder andere schädliche Entwicklungen. Auch bei den zwei Patienten, die vor mittlerweile zwölf Jahren an kleineren Hautregionen behandelt worden waren, gebe es keine derartigen Probleme, schreiben die Forscher in ihrem Fachartikel.

 

Die Freiburger Dermatologin Bruckner-Tuderman ist überzeugt, dass die Risiken solcher Gentherapien künftig beherrschbar sein werden. «Derzeit wird viel an der Entwicklung neuer Vektoren gearbeitet, die sicherer sind als die bisher verfügbaren. Wenn solche Vektoren zur Verfügung stehen und andere sicherheitsrelevanten Fragen geklärt sind, halte ich eine gentherapeutische Behandlung von Epidermolysis-bullosa-Patienten angesichts ihrer Leiden für vertretbar.»

 

Bislang können die Patienten nur symptomatisch behandelt werden, das heißt unter anderem, dass ihre Wunden werden versorgt werden und die Haut mit Cremes und Medikamenten zur Förderung der Wundheilung gepflegt wird. Um sich vor Verletzungen oder offenen Wunden zu schützen, tragen die Betroffenen an vielen Körperstellen Verbände. «Die Lebensqualität der Patienten ist auch in weniger schweren Fällen stark eingeschränkt», so Bruckner-Tuderman. 

 

DOI: 10.1038/nature24487

 

09.11.2017 l dpa

Foto: RUB/Frank Jacobsen

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