In vielen Regionen fehlen Impfstoffe |
In diesem Jahr wollen sich viele Menschen bereits sehr früh gegen die Grippe impfen lassen. / Foto: Your Photo Today
Im Umgang mit Lieferengpässen sind Apotheker eigentlich bereits geübt. Auch ein vorübergehender Mangel an Grippeimpfstoffen ist für sie keine gänzlich neue Situation. Und doch ist in dieser Saison einiges anders als in den vergangenen Jahren. Denn selten waren die Vakzine bereits so schnell verimpft und keine neue Ware im Markt zu bekommen.
Insgesamt verfügt Deutschland über 26 Millionen Dosen Impfstoff, das sind 20 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Allein 6 Millionen Dosen hatte das Bundesministerium für Gesundheit erst vor Kurzem als sogenannte nationale Reserve beschafft, die nun über die regulären Vertriebswege in den Markt fließen sollen. Grundsätzlich liefern die Hersteller Grippeimpfstoffe in mehreren Kontingenten aus. Der erste Aufschlag war bereits im September erfolgt und scheint nun größtenteils aufgebraucht zu sein.
Deutschlandweit stellt sich die Situation dabei recht unterschiedlich dar. Während sich Brandenburg, Sachsen und Westfalen-Lippe noch sehr gut aufgestellt sehen, kommt es im Südwesten häufig zu Engpässen. So seien in den Apotheken zwar erste Lieferungen angekommen, Nachbestelllungen würden die Hersteller derzeit aber nur eingeschränkt oder auch gar nicht entgegennehmen, sagte Frank Eickmann, der für die Apothekerverbände Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz spricht. »Insofern ist derzeit nicht durchgängig Grippeimpfstoff lieferbar.«
Auch im benachbarten Bayern klagen die Apotheker über Probleme. Thomas Metz vom Bayerischen Apothekerverband spricht von einem Vorzieheffekt. So ließen sich bereits zu Beginn der Saison mehr Menschen impfen als sonst. »Das ist vor allem auf die zahlreichen Impfaufrufe durch die Politik zurückzuführen und die allgemein erhöhte Impfbereitschaft der Menschen aufgrund der Coronavirus-Krise«, so Metz. Zuletzt hatte unter anderen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für die Impfung geworben und erklärt, jeder, der sich und seine Kinder impfen lassen wolle, könne und sollte das tun. Tatsächlich aber ist die Menge der verfügbaren Impfdosen begrenzt. Am Ende könnten unter Umständen zu wenig Vakzine für die Risikogruppen zur Verfügung stehen.
Diese Sorge treibt auch die Apotheker in Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt um. Dort fehlen Grippeimpfstoffe ebenso wie in einzelnen Regionen von Niedersachsen und Berlin. Im Saarland bekommt man den Ansturm auf die Impfungen sehr direkt in den Apotheken vor Ort zu spüren. Denn hier übernehmen seit Kurzem auch Apotheker die Grippeimpfung im Rahmen eines Modellprojekts. Allerdings müssten sie ebenso wie die Ärzte viele enttäuschte Patienten vorerst vertrösten, sagte Carsten Wohlfeil, Geschäftsführer des Saarländischen Apothekerverbands.
Offenbar trägt in vielen Regionen auch das Bestellverhalten der Ärzte zu dieser Situation bei. So haben die Mediziner zum Teil recht zurückhaltend Impfstoffe geordert. Im Saarland etwa hatte die Kassenärztliche Vereinigung den Praxen ursprünglich empfohlen, die Bestellungen unter Vorjahresniveau zu kalkulieren. Als Richtwert wurden 95 Prozent des Vorjahresverbrauchs ausgelobt. Ähnliche Empfehlungen hatten Ärztevertreter auch in Niedersachsen ausgesprochen. Zwar hatten die Hersteller den Praxen im April mit Blick auf die Pandemie die Möglichkeit eingeräumt, ihre Bestellungen noch einmal nach oben zu korrigieren. Doch davon haben die Mediziner aus Angst vor Regressen offenbar kaum Gebraucht gemacht. Selbst auf explizite Nachfrage hätten die Praxen nicht nachbestellen wollen, berichteten saarländische Apotheker gegenüber der PZ.
Vor allem Einzeldosen sind derzeit schwer zu bekommen. Damit trifft der Engpass besonders Privatpatienten oder gesetzliche Versicherte, die den Impfstoff selbst zahlen müssen und mit einem entsprechenden Rezept in der Offizin stehen. Apotheker dürfen ihnen keine Impfdosen aus den 10er-Gebinden aushändigen, die für den Sprechstundenbedarf vorgesehen sind. Der Apothekerverband Baden-Württemberg drängt daher auf rechtliche Sonderregeln, die es möglich machen, aus den Zehnerpackungen Einzelportionen zu entnehmen. Man habe bereits eine entsprechende Anfrage bei den Krankenkassen gestellt, sagte Verbandssprecher Eickmann. »Eine Antwort steht derzeit noch aus.«
Immerhin könnte die nationale Reserve etwas Entspannung in diese Situation bringen, die im November in den Markt fließen soll. Dem Vernehmen nach soll das Kontingent vor allem aus Einzeldosen bestehen. Darüber hinaus kann derzeit wohl nur eines die Lage wesentlich entzerren: Die gezielte Information der Patienten, dass auch der November noch ein guter Monat für die Grippe-Impfung ist.
Um sich ein besseres Bild der Lage zu verschaffen, ruft derweil auch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) Apotheker dazu auf, Lieferschwierigkeiten bei Grippe-Impfstoffen online zu melden. Das entsprechende Formular finden Sie auf der Internetseite des PEI.