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Affenpocken

Impfstoffe werden nur gezielt eingesetzt

Experten rechnen derzeit nicht mit einer Gefahr durch Affenpocken für die Allgemeinbevölkerung. Impfstoffe und Medikamente sollen nur sehr gezielt eingesetzt werden. Eine generalisierte Impfempfehlung ist unnötig.
Daniela Hüttemann
27.05.2022  13:30 Uhr

Der Bund hat bis zu 40.000 Dosen des modernen Pockenimpfstoffs Imvanex® des dänischen Herstellers Bavarian Nordic bestellt. Da zwei Dosen für die Immunisierung benötigt würden, könnten damit bis zu 20.000 Personen geschützt werden, erläuterte Professor Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin sowie Leiter der Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen an der München Klinik Schwabing, am Freitag bei einer Veranstaltung des Science Media Centers. In Schwabing werden derzeit zwei Patienten mit Affenpocken mit leichtem Verlauf behandelt. Wann die Imvanex-Dosen in Deutschland zur Verfügung stünden, sei noch nicht bekannt, sagte Wendtner.

Auch wer genau sie bekommen soll, muss noch festgelegt werden. Denkbar sind sogenannte Ring- und Riegelungsimpfungen, veranlasst durch die zuständigen Gesundheitsämter. Dabei werden bei Ausbrüchen die Kontaktpersonen der Infizierten möglichst schnell geimpft, gegebenenfalls auch nur nach Beurteilung des individuellen Risikos. »Die Impfung wird vorerst immer eine gründlich abgewägte Einzelfallentscheidung sein«, betonte Professor Dr. Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig. »Wir müssen dafür nicht auf eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission warten.« Es sei auf jeden Fall viel zu früh für eine generalisierte Impfempfehlung, ergänzte Wendtner.

Es sei nicht damit zu rechnen, dass die eingelagerten Pockenimpfstoffe zum Einsatz kommen. Sie werden vor allem für den Schutz bei bioterroristischen Angriffen mit den klassischen Pocken, die deutlich gefährlicher und tödlicher für den Menschen sind als Affenpocken, bereitgehalten. Es handelt sich um attenuierte Lebendimpfstoffe, die abgeschwächte, vermehrungsfähige Viren enthalten, während Imvanex als Pockenimpfstoff der dritten Generation auf einem attenuierten Kuhpockenvirus (MVA) beruht. Dieses Impfvirus kann sich nicht im menschlichen Körper vermehren und ist deutlich besser verträglich.

Kaum Evidenz für Impfung und Tecovirimat

Momentan ist unklar, wie gut Imvanex bei der Postexpositionsprophylaxe wirklich hilft, denn dafür ist der Impfstoff nicht zugelassen, sondern als klassische Schutzimpfung. Ähnliches gilt für das antivirale Mittel Tecovirimat, das zur Therapie einer akuten Infektion mit Menschen-, Affen- oder Kuhpocken in der EU zugelassen ist, nicht zur Postexpositionsprophylaxe. Von diesem Medikament stehen laut Wendtner derzeit bereits geringe Mengen zur Verfügung, doch gebe es noch keine konkrete Indikationsstellung.

Die bisherigen wenigen Fälle in Deutschland seien milde Verläufe. Tecovirimat sei für Patienten mit schwereren Verläufe reserviert, so Wendtner. Dabei denkt der Arzt vor allem an Immunsupprimierte wie Patienten mit Tumorerkrankungen oder medikamentös nicht kontrollierter HIV-Infektion.

Professor Dr. Roman Wölfel, Oberstarzt und Leiter des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr in München, betonte ebenfalls, dass die Affenpocken deutlich weniger gefährlich seien als die klassischen, oftmals tödlichen Pocken. Alle Notfall- und Impfpläne, die man seit Langem für reguläre Pockenausbrüche habe, ließen sich hier nicht einfach als Blaupause anwenden.

Eher Haut- als Geschlechtskrankheit

Einig waren sich die Experten, dass derzeit keine Gefahr für eine größere Ausbreitung der Affenpocken in der Allgemeinbevölkerung abzusehen ist. »Wir müssen das Infektionsgeschehen aufmerksam verfolgen, aber es gibt keinen Grund zur Panik«, so Wölfel. Gleichwohl sei es sehr wichtig, Kontakte nachzuverfolgen, Betroffene und Kontaktpersonen zu isolieren und Risikogruppen zu identifizieren und zu schützen.

Bei der Benennung von Risikopersonen drückte Wendtner sich bewusst äußerst vorsichtig aus. Bislang sind vor allem Männer, die Geschlechtsverkehr mit Männern hatten (MSM), betroffen. Dies dürfe aber nicht zur Stigmatisierung führen. In Kanada ist zum Beispiel mittlerweile auch ein Schulkind erkrankt. »Ein enger Körperkontakt ist entscheidend«, betonte der Arzt.

Zwar konnte sein Labor erstmals Affenpockenviren im Sperma eines der beiden in München behandelten Männer nachweisen. Doch Pockeninfektionen seien in erster Linie Schmierinfektionen, die vor allem von den hochinfektiösen Pusteln ausgingen, die nicht immer gut zu erkennen seien. Daher sei eine Übertragung generell bei engem Hautkontakt möglich, nicht nur beim Geschlechtsverkehr, und auch nicht nur bei ungeschütztem Sex.

Wendter geht davon aus, dass es nicht nur bei männlichen Betroffenen bleiben wird. Er sprach von geschlechtsunabhängig promiskuitivem Verhalten als derzeitigem Risikofaktor.

Bislang keine auffälligen Mutationen

Zurzeit wird genau untersucht, ob und wie sich das Affenpockenvirus molekularbiologisch verändert. Wölfels Labor hat die Virusgenome der beiden Münchener Patienten sequenziert und zumindest keine offensichtlichen größeren genetischen Veränderungen festgestellt, die darauf hindeuten, dass sich das Virus besser an den Menschen anpasst.

»Wir schauen uns jetzt jede einzelne veränderte Base genau an, denn an der falschen Stelle können auch solche Mutationen große Unterschiede ausmachen«, erklärte Wölfel. Bislang seien aber auch international noch keine bahnbrechenden Änderungen im Virusgenom aufgefallen. Als DNA-Viren seien Pockenviren deutlich weniger anfällig für Mutationen als RNA-Viren, zu denen etwa die Coronaviren gehören.

Warum es derzeit gehäuft zu den von Mensch zu Mensch übertragenen Infektionen kommt, während zuvor meist Mensch-Tier-Kontakte ausschlaggebend waren, könne man noch nicht sagen.

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