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Impfgerechtigkeit

Impfdosis strecken, um mehr Menschen zu impfen

Trotz aller Fortschritte beim Impfen gegen SARS-CoV-2 bleibt die Herausforderung hoch, Impfstoff auch den Entwicklungsländern in ausreichenden Mengen zur Verfügung zu stellen. Eine Strategie, das Angebot an Impfstoffen zu steigern, könnte darin bestehen, die bisher eingesetzte Dosis zu reduzieren.
Theo Dingermann
14.07.2021  09:00 Uhr

Kann man die derzeit eingesetzte Impfdosis »strecken«, um so die Verfügbarkeit von Impfstoffen deutlich zu erhöhen? Diese Frage stellten sich Wissenschaftler um Dr. Jose Mateus vom La Jolla Institute for Immunology (LJI), La Jolla, USA. Sie untersuchten die Effekte einer reduzierten Dosis des mRNA-1273-Impfstoffs der Firma Moderna und machten ermutigende Beobachtungen. Zwei Impfungen mit jeweils nur einem Viertel der Standarddosis des Moderna-Impfstoffs führten zu einer nachhaltigen Induktion schützender Antikörper und virusspezifischer T-Zellen, berichten sie in einer Publikation auf dem Preprint-Server »MedRxiv«.

Diese Ergebnisse könnten darauf hindeuten, dass sich die noch viel zu begrenzten Impfstoffvorräte dadurch aufstocken ließen, dass zumindest für den Moderna-Impfstoff nur ein Bruchteil der derzeit verimpften Dosen eingesetzt wird. Dies wiederum könnte einen substanziellen Beitrag leisten, die globale Immunisierung zu beschleunigen.

Das Prinzip ist bekannt und war erfolgreich bei der Bekämpfung der Gelbfieber-Erkrankung. Seit 2016 konnten Millionen zusätzlicher Menschen in Afrika und Südamerika erfolgreich gegen Gelbfieber geimpft werden, da die ursprüngliche Impfdosis auf ein Fünftel reduziert wurde.

Nachhaltiger Schutz auch mit geringerer Impfdosis 

Das Forscherteam aus La Jolla untersuchte nun systematisch, inwieweit eine auf ein Viertel reduzierte Dosis des mRNA-1273-Impfstoffs (also 25 µg statt 100 µg) nachhaltig impfstoffspezifische CD4+- und CD8+-T-Zellen sowie bindende und neutralisierende Antikörper zu induzieren vermochte.

Dazu untersuchten die Wissenschaftler nach sieben Monaten die immunologischen Parameter von Probanden, die damals in einer Phase-I-Studie 25 μg des Moderna mRNA-1273-Impfstoffs erhalten hatten. Die Daten zeigten, dass tatsächlich diese niedrige Dosis die nachhaltige Bildung Spike-bindender Antikörper induziert hatte. Die Titer waren mit denen vergleichbar, die üblicherweise in Rekonvaleszenten-Seren gemessen werden.

Zudem waren Spike-Gedächtnis-CD4+-T-Zellen sechs Monate nach Verabreichung der zweiten Impfdosis in guter Quantität und Qualität nachweisbar, einschließlich follikulärer T-Helferzellen (TFH-Zellen) sowie IFNγ-exprimierenden Zellen. Die Bildung spezifischer CD8+--T-Zellen wurde bei 88 Prozent der Probanden induziert.

Spike-spezifische IgG-Antikörpertiter blieben bei 100 Prozent (33/33) der Probanden für mindestens sieben Monate nach der ersten Impfung auf einem nachweisbaren Niveau. IgG-Antikörper gegen die Rezeptor-Bindedomäne (RBD) wurde durch eine einzelne Immunisierung bei 94 Prozent (33/35) der Probanden induziert. Diese Ansprechrate stieg nach der zweiten Immunisierung auf 100 Prozent (33/33) und blieb für mindestens sechs Monate nach der zweiten Impfung stabil. Die mithilfe von Pseudoviren gemessenen Titer an SARS-CoV-2 neutralisierenden Antikörpern waren zu allen Zeitpunkten nach der Impfung signifikant erhöht.

Relevanz der Ergebnisse für zukünftige Immunisierungsstrategien

Niedrig dosierte RNA-Impfstoffe könnten sich äußerst positiv auf die weltweite Verfügbarkeit von Impfdosen auswirken. Zudem sind niedrig dosierte Impfstoffe auch deutlich weniger reaktogen. Ob unterschiedliche Impfstoffdosen für verschiedene Altersgruppen oder Gruppen mit anderen Risiken in Betracht zu ziehen sind, muss weiter abgeklärt werden.

Offensichtlich beantwortet die Studie aus La Jolla jedoch nicht alle Fragen, die mit einer Reduzierung der zugelassen Impfdosis aufkommen. So gibt auch Dr. Daniela Weiskopf, die Senior-Autorin der Studie gegenüber dem Journal »Nature« zu bedenken, dass ihre retrospektive Studie sorgfältig geplante prospektive Studien zur Wirksamkeit von reduzierten Impfstoffdosen nicht ersetzen kann. Eine solche Studie wurde bereits für den Biontech/Pfizer-Impfstoff in Belgien initiiert. In dieser Studie wird eine reduzierte Dosis des Impfstoffs mit der Standarddosis verglichen.

Dieser Forderung widerspricht hingegen die Infektiologin an der Universität von Chicago in Illinois, Dr. Sarah Cobey. Sie hält zeitaufwendige Studien nicht für erforderlich. In dem Nature-Beitrag argumentiert sie: »Wir sollten nicht so lange warten. Menschen sterben, und wir haben einen historischen Präzedenzfall für sehr gut begründete Vermutungen, von denen wir glauben, dass diese Leben retten werden.«

Dem stimmt auch Professor Dr. Alexander T. Tabarrok vom Becker Friedman Institute for Economics an der University of Chicago zu, der zusammen mit Koautoren ein noch nicht begutachtetes Arbeitspapier publiziert hat, in dem die ökonomischen Auswirkungen der Dosisstreckung eines Impfstoffs beleuchtet wurden. Diese Autoren resümieren, dass jetzt »eine halbe Dosis für eine ungeimpfte Person nützlicher ist als eine volle Dosis in einem Jahr«. Das bedeutet, dass Dosisstreckung von Impfstoffen »ein Weg ist, Impfgerechtigkeit zu fördern«.

Bisher erhielten 25,4 Prozent der Bevölkerung weltweit laut Angaben der Website »Our World in Data« zumindest eine Dosis eines Covid-19-Impfstoffs. In der EU ist inzwischen mehr als die Hälfte aller Erwachsenen vollständig geimpft. In Ländern mit niedrigem Einkommen liegt die Quote dagegen bei 1 Prozent – für die Erstimpfung. Laut einem Bericht der Nachrichtenseite von »Nature« werden die meisten Menschen in den ärmsten Ländern noch zwei Jahre warten müssen, bis sie der Impfstoff erreicht.

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