Immunreaktionen im Detail betrachtet |
Theo Dingermann |
23.01.2024 10:30 Uhr |
Nuvaxovid war der erste Proteinimpfstoff gegen SARS-CoV-2, der in der EU zugelassen wurde. / Foto: Getty Images/Carsten Koall
Der Protein-basierte Coronaimpfstoff Nuvaxovid® (NVX-CoV2373) des Unternehmens Novavax enthält als Antigen 5 Mikrogramm des präfusionsstabilisierten Spike-Proteins von SARS-CoV-2 mit einer Deletion der Furin-Spaltstelle und verkürzten Glykanen (BV2373), die als Nanopartikel zusammen mit dem saponinbasiertes Adjuvans Matrix-M (50 Mikrogramm) formuliert sind. Ein Forscherteam um Klara Lenart vom Karolinska-Institut in Stockholm, Schweden, untersuchte in einer Arbeit, die im Fachjournal »npj vaccines« publiziert wurde, detailliert die Wirkung dieses Impfstoffs in Rhesusaffen.
Dazu immunisierten die Forschenden sechs Tiere mit NVX-CoV2373 in den Wochen 0 und 4 und boosterten sie dann in der Woche 35 mit NVX-CoV2443, einem angepassten Impfstoff, der als Antigen das Spike-Protein der Gamma-Variante P.1 von SARS-CoV-2 enthält.
Die Forschenden analysierten die angeborenen und adaptiven Immunantworten in Blut, im Knochenmark und in der bronchoalveolären Lavageflüssigkeit (BAL) über einen Zeitraum von 61 Wochen. Schließlich überprüften sie die Immunität der Affen durch Infektion mit einer hohen Dosis (8 x 105 PFU) Wildtyp-Viren (USA-WA1/2020) oder P.1-Varianten-Viren etwa sieben Monate nach der letzten Immunisierung, indem sie die Viruslast und die Immunantwort in den oberen und unteren Atemwegen bestimmten.
Es zeigte sich, dass durch die Wahl von Matrix-M als Adjuvanz in den ersten 24 Stunden vorwiegend lokale Immunreaktionen an der Einstichstelle induziert wurden, ohne dass die Immunreaktionen in die Peripherie überschwappten. Dies schlossen die Forschenden aus der Beobachtung, dass nach der Impfung im Blut nur wenige Transkriptionsveränderungen nachweisbar waren, wobei diese hauptsächlich mit myeloischen Zellen und Typ-I-Interferon-Reaktionen in Verbindung standen. An der Injektionsstelle im Muskel und in den benachbarten Lymphknoten beobachteten die Forschenden eine starke Immunaktivierung. Dies könnte erklären, warum dieser Impfstoff von vielen geimpften Personen besser vertragen wird als die mRNA-Impfstoffe.
Die Analyse der Antikörperreaktionen über die Zeit zeigte eine typische Kinetik mit einem frühen Peak der Antikörpertiter, der durch die Kombination von Plasmablasten und kurzlebigen Plasmazellen verursacht wird, gefolgt von einem Plateau. Hinweise auf Spike-spezifische Plasmazellen aus dem Knochenmark viele Wochen nach der Erstimpfung könnten andeuten, dass der Impfstoff die Bildung langlebiger Plasmazellen induziert.
Die IgG-Antikörper-Antwort in der BAL zeigt eine ähnliche Kinetik wie die IgG-Antwort im Blut. Auch hier wird eine sukzessive Steigerung der Reaktion mit jeder Dosis beobachtet. Besonders durch die dritte Dosis wurden auch Pseudovirus-neutralisierende Titer gegen die Omikron-Varianten BA.2 und BA.5 induziert. Diese Titer lagen allerdings 2,2- beziehungsweise 3,5-mal niedriger als die entsprechenden Titer gegen das Wildtyp-Virus.
T-Zell-Reaktionen auf das Spike-Antigen mit einer Th1-Signatur folgen zeitnah nach Induktion der Antikörper-Reaktionen. Allerdings wurden weder im Blut noch in der BAL in nennenswertem Maß CD8+-Reaktionen beobachtet.
Mithilfe von Kompetitionsassays charakterisierten die Forschenden die bevorzugten Bindestellen für die durch den Impfstoff induzierten Antikörper. Primär scheint sich die Bindung der Antikörper gegen die rezeptorbindende Domäne (RBD) des Spike-Proteins zu richten. Allerdings scheint diese Präferenz nach weiteren Impfdosen abzunehmen, bevor der Effekt spät nach der dritten Dosis wieder ansteigt. Die Potenz und Avidität (Stärke der Bindungen an das Antigen) der Antikörper nimmt ebenfalls mit der Zeit zu, was auf eine fortgesetzte Affinitätsreifung hindeutet. Dies konnten die Forschenden auch dadurch zeigen, dass somatische Hypermutationen mit der Zeit zunahmen und dass daraus einer höhere Antikörperavidität resultierte.
Schließlich ließ sich auch demonstrieren, dass die Impfstoffe einen guten Schutz gegen das Coronavirus induzierten. Vor allem die dritte Dosis führte zu einer schnelleren Kontrolle des Virus. Nach zwei Dosen erwies sich der Schutz hingegen noch als unzureichend.
Das Virus wiesen die Forschenden über die Bestimmung der Konzentrationen an viraler RNA für jedes einzelne Tier über die Zeit nach. Die RNA wurde im Nasensekret der Tiere detektiert. Zwar lagen die RNA-Spitzenwerte bei den ungeimpften Tieren deutlich höher als bei den geimpften Tieren. Allerdings waren Unterschiede von Tag zu Tag nur schwer zu erkennen. Es zeigte sich aber eine eindeutige negative Korrelation zwischen den IgG-Spike-Werten vor der Infektion und den Virus-RNA-Werten.
Tendenziell geringere CD8+-Reaktionen auf das Virus in der BAL nach der Provokation mit infektiösen Viren bei den geimpften Tieren scheinen darauf hinzudeuten, dass die Immunität dieser Tiere zu einer wirksameren Kontrolle der Infektion beiträgt. Der IgA-Gehalt in der BAL gegen das Spike-Protein war zu gering, um ihn sicher quantifizieren zu können.
Zusammenfassend zeigen die Autoren, dass eine heterologe Booster-Impfung mit einer Variante des Spike-Proteins die Breite und Reifung der B-Zell-Antworten erhöhen und eine langanhaltende Schutzwirkung gegen verschiedene SARS-CoV-2-Varianten zumindest bei nicht humanen Primaten erzielen kann.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.