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Arzneimittel-Preisbindung

IGES-Gutachter: Rx-Boni-Verbot könnte Versandhändlern helfen

Der Bundestag berät in dieser Woche erstmals das von der Bundesregierung geplante Rx-Boni-Verbot für GKV-Versicherte. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hatte das IGES-Institut beauftragt, das Wettbewerbsverhältnis zwischen Versendern und Apotheken zu untersuchen. Die Gutachter sehen keine große Wirkung in einem Rx-Boni-Verbot. Wirklich große Effekte könnten sich allerdings durch das E-Rezept ergeben.
Benjamin Rohrer
09.09.2020  12:30 Uhr

Knapp vier Jahre ist es nun her, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Rx-Preisbindung für EU-Versender wie die Shop Apotheke oder Doc Morris aufgehoben hat. Seitdem dürfen ausländische Versender ihren Kunden hierzulande Rabatte gewähren, inländische Apotheken müssen sich weiterhin an die Rx-Preisbindung halten. Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) ein Rx-Boni-Verbot auf den Weg gebracht, um auf diese Wettbewerbsverzerrung zu reagieren. Das Gesetz soll in dieser Woche erstmals im Bundestag beraten werden.

Ebenfalls im vergangenen Jahr hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) das IGES-Institut damit beauftragt, die Auswirkungen einer veränderten Rx-Preisbindung auf den Apothekenmarkt zu untersuchen. Der Pharmazeutischen Zeitung liegt das Gutachten vor. Die Gutachter haben in ihrer Analyse den Ist-Zustand mit mehreren möglichen Zukunftsszenarien verglichen – unter anderem mit dem Szenario eines Boni-Verbots für alle Marktteilnehmer, aber auch mit einer neuen Wettbewerbslandschaft, die sich durch das E-Rezept ergeben könnte.

In ihrer Analyse des aktuellen Zustands gehen die Gutachter unter anderem auf die Marktanteile des Versandhandels ein. Dargestellt wird unter anderem, dass der Rx-Marktanteil der Versender seit 2013 – also auch nach dem EuGH-Urteil – konstant bei etwa 1 Prozent geblieben ist. Der OTC-Marktanteil hingegen ist seit 2004 von 11 auf nunmehr 19 Prozent gestiegen. Das IGES Institut fügt auch hinzu, dass es Prognosen gibt, nach denen der Online-Einzelhandel insgesamt weiter wachsen wird und bis 2025 einen Marktanteil von 15 Prozent haben könnte.

Die meisten Apothekenschließungen in Städten

Interessant ist auch die Analyse zu Apothekenstandorten und den damit verbundenen Schließungen. Laut Gutachten befinden sich 15,5 Prozent der Apotheken in dünn besiedelten Gebieten, 17, 4 Prozent in ländlichen Kreisen mit Verdichtungsansätzen, 38 Prozent in städtischen Kreisen und 29,2 Prozent in Großstädten. Seit 2006 hat es demnach (in absoluten Zahlen) die wenigsten Schließungen auf dem Land gegeben (250) und die meisten Schließungen in Großstädten (1531). Insgesamt gibt es derzeit laut IGES-Gutachten etwa 6,5 Millionen Menschen, die in Gemeinden ohne eine Apotheke wohnen.

Gutachter erkennen Wettbewerbsverzerrung

Zur Rx-Preisbindung: Auch die IGES-Gutachter sehen im aktuellen Zustand eine »Wettbewerbsverzerrung« zu Lasten der Apotheken, weil die Regulierungen »asymmetrisch« sind. Allerdings dämpfen sie die Hoffnungen in ein generelles Rx-Boni-Verbot für alle Marktteilnehmer. Denn die Wirtschaftsexperten erwarten einen Ausgleich über den OTC-Bereich.

Im Detail gehen die Gutachter davon aus, dass eine Senkung aller Rabatte auf null die Nachfrage bei Versendern im Rx-Bereich verringere. Eine massive OTC-Preissenkung wäre denkbar, aber aus Sicht der Gutachter nicht gewinnmaximierend, weil der dabei realisierte Gewinn zu gering wäre. Die Vor-Ort-Apotheken würden im Falle eines Boni-Verbots hingegen einen Nachfrageanstieg im Rx-Bereich erleben. Die Gutachter gehen allerdings davon aus, dass auch im Falle eines Boni-Verbots der Rx-Marktanteil des Versandhandels »rabattunabhängig« bei 1 Prozent bleiben würde.

Allerdings könnte sich aus den folgenden Effekten sogar ein Vorteil für die Versender ergeben, meinen die IGES-Experten: Langfristig würden die Präsenzapotheken ihre OTC-Preise um rund ein Viertel erhöhen, weil der Wettbewerbsdruck mit dem Versand wegfiele, prognostiziert das IGES-Institut. Der Gewinn der Apotheken dadurch fiele allerdings mit etwa 5 Prozent gering aus, weil der Rx-Anteil in Apotheken viel höher als im Versand ist. Auch die Versender würden ihre OTC-Preise  erhöhen. Bei den Versandhändlern sei allerdings ein weiterer Anstieg der Kundenzahlen erwartbar, so die Gutachter. Insgesamt könnte der Versand seinen OTC-Marktanteil auf 22 Prozent ausbauen, so das Rechenmodell.

IGES: Fehlende Rabatte könnten Versendern helfen

Letztlich gehen die Gutachter auch davon aus, dass die Versender mehr von einem Rx-Boni-Verbot profitieren würden, weil schließlich die gewährten Rabatte wegfielen. Wörtlich heißt es: »Sowohl Präsenzapotheken als auch der Versandhandel können ihre Gewinne steigern, wobei der Gewinnanstieg für den Versandhandel durch den Wegfall der bislang gewährten Rabatte im Vergleich zur Ausgangssituation höher ausfällt.«

In ihrem Rechenmodell zeigen die Gutachter dann, dass die Präsenzapotheken durch diese Effekte ihren relativen Gewinn gegenüber der Ist-Situation um knapp 6 Prozent steigern würden. Obwohl die Steigerung des OTC-Marktanteils beim Versandhandel nur geriung ausfallen soll, könnten die Versender ihre relativen Gewinne allerdings sogar um rund 35 Prozent steigern, rechnet das Institut vor.

Eine ganz »neue Wettbewerbslandschaft« könnte sich allerdings durch das E-Rezept ergeben, meinen die Experten. Denn die »Wartekosten« bei der Rezept-Einreichung und bei der Dauer der Lieferung für die Kunden, würden in diesem Fall so weit sinken, dass keine Unterschiede mehr zu Präsenzapotheken feststellbar wären. Dass die Versender mit dem E-Rezept allerdings riesige Sprünge machen, sieht das IGES-Institut auch nicht – schließlich könnten auch Vor-Ort-Apotheken ihre Kundenkontakte mit dem E-Rezept vereinfachen. Uns so geht das Institut von einem künftigen Marktanteil der Versandhändler von 1,4 Prozent aus.

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