Höherer Kassenabschlag wäre für AOK »dringend notwendig« |
Cornelia Dölger |
01.04.2022 14:00 Uhr |
Kostenexplosionen im Arzneimittelbereich bemängeln die Krankenkassen. AOK-Nordwest-Vorstandschef Tom Ackermann betonte, die »Preis- und Ausgabenspirale« müsse zurückgedreht werden. / Foto: picture alliance/dpa
Um die Krankenkassen aus ihren roten Zahlen zu holen, muss sich das Bundesgesundheitsministerium etwas einfallen lassen. Für Aufregung sorgte kürzlich ein Papier aus dem Haus von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD), das es in Sachen Sparen in sich hatte: Den Rotstift setzte der Entwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz nämlich insbesondere im Arzneimittel- und Apothekenbereich an, was Hersteller und Apotheker in Alarmbereitschaft versetzte. Höhere Herstellerrabatte, ein über zwei Jahre erhöhter Kassenabschlag für Apotheken und eine niedrigere Mehrwertsteuer auf Medikamente – diese Vorschläge sorgten für Ärger.
Dass der Entwurf intern nicht abgestimmt war und rasch wieder auf Eis gelegt wurde, beruhigte die Gemüter nur wenig, denn mit dem Vorstoß schwante ihnen, welche Einschnitte auf sie zukommen könnten, wenn es dereinst einen »echten« Gesetzesentwurf gibt. Die PZ hatte berechnet, dass ein zeitweise erhöhter Abschlag und eine gesenkte Mehrwertsteuer in Kombination zu Verlusten in Höhe von bis zu 490 Millionen Euro über diesen zweijährigen Zeitraum führen könnten. Das GKV-Finanzierungsgesetz soll laut BMG bereits im Oktober in Kraft treten, wie die PZ erfuhr. Es dürfte also mit Hochdruck an einem neuerlichen Versuch gearbeitet werden.
Vor diesem Hintergrund meldet am heutigen Freitag die AOK Nordwest, dass sie die »aktuellen Überlegungen« des Bundesgesundheitsministeriums begrüße, »die Preis- und Ausgabenspirale wieder zurückzudrehen«, wie die Kasse ihren Vorstandsvorsitzenden Tom Ackermann zitiert. Die anhaltend hohen Ausgabensteigerungen bei Arzneimitteln müssten endlich gebremst werden, denn laut Statistiken des GKV-Spitzenverbands seien die Kosten für Arzneimittel in Westfalen-Lippe auch im vergangenen Jahr erneut gestiegen. Ein Ausgabenplus von 219 Millionen Euro (4,7 Prozent) gegenüber 2020 müsse die AOK Nordwest demnach verzeichnen, im Vergleich zum Jahr 2015 mit fast 3,9 Milliarden Euro liege der Anstieg sogar bei 25 Prozent.
Als zentrale Kostentreiber wertet die AOK hierbei die hochpreisigen Arzneimittel sowie neue Therapien, für die die Hersteller in den ersten zwölf Monaten nach Markteintritt den Erstattungsbetrag selbst festlegen können. An dieser Regelung, einer Säule des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG), wird laut dem Referentenwurf gerüttelt: Künftig soll demnach der Erstattungsbetrag nach § 130b SGB V bereits ab dem siebten Monat nach dem erstmaligen Inverkehrbringen eines Arzneimittels gelten.
Das begrüßt die AOK – ebenso wie weitere Vorschläge aus dem zurückgezogenen Papier. Den Apothekerabschlag temporär zu erhöhen, den Herstellerrabatt anzuheben sowie das Preismoratorium zu verlängern, »wären sinnvolle und dringend notwendige Einsparungen«, heißt es. »Auch die Absenkung der Umsatzsteuer in diesem Bereich auf sieben Prozent wäre zielführend und würde die angespannte Ausgabenseite der GKV entlasten«, wird Ackermann zitiert. Schon Mitte März, als das Papier noch kursierte, hatte auch die Techniker Krankenkasse betont, die angedachten Sparmaßnahmen seien grundsätzlich der richtige Weg, sie gingen aber nicht weit genug.