| Theo Dingermann |
| 27.11.2025 10:30 Uhr |
Kuchen kaufen, statt Kuchen backen – hochverarbeitete Lebensmittel verdrängen zunehmend traditionelle Ernährungsweisen. / © Getty Images/Tang Ming Tung
Sie sind praktisch, preiswert und überall zu haben: hochverarbeitete Lebensmittel (Ultra-Processed Foods, UPF). Darunter wird die Gruppe der am meisten verarbeiteten Lebensmittel im NOVA-Klassifizierungssystem verstanden, das Lebensmittel nach Umfang und Zweck der Verarbeitung kategorisiert. Die Produkte haben in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker die Regale der Supermärkte gefüllt. Dabei wird immer deutlicher, welchen Schaden sie hinsichtlich der öffentlichen Gesundheit verursachen. UPF fördern weltweit chronische Krankheiten und verschärfen die globalen gesundheitlichen Ungleichheiten. So steht es zumindest in einem Editorial im Wissenschaftsjournal »The Lancet«, das einer Serie von drei Fachartikeln zu UPF vorangestellt ist.
Ein Autorenteam um Professor Dr. Carlos Monteiro von der Universität Sao Paulo in Brasilien stellt in der ersten Arbeit die wissenschaftliche Evidenz für die gesundheitlichen Gefahren von UPF vor. Die Forschenden zeigen, dass UPF mittlerweile in nahezu allen Weltregionen traditionelle Ernährungsformen auf Basis unverarbeiteter oder minimal verarbeiteter Lebensmittel verdrängen. Aus Erhebungen aus 36 Ländern und globalen Verkaufsdaten lässt sich ableiten, dass der Anteil und Konsum von UPF einerseits mit nationalem Wohlstand korreliert, dass aber auch kulturelle Unterschiede erkennbar sind. Während der Anteil der UPF in Ländern wie den USA und UK bei mehr als 50 Prozent liegt, bleibt er in Teilen Südeuropas und Asiens unter 25 Prozent. Allerdings nimmt der Anteil an UPF besonders dort rasch zu, wo ihre Verbreitung bislang noch gering ist.
Der Trend habe Konsequenzen, denn UPF weisen systematisch hohe Konzentrationen an Zucker, Fett, Salz sowie eine unphysiologisch hohe Energiedichte auf, heißt es in der Analyse. Dagegen sind sie arm an Ballaststoffen, komplexen Kohlenhydraten und bioaktiven sekundären Pflanzenstoffen.
Über die ungünstige Zusammensetzung hinaus verleiten die Produkte Konsumenten dazu, über ihren Hunger hinaus zu essen. Dieser Kontrollverlust wird durch Hyperpalatabilität, also eine Geschmacksverstärkung durch Aromen, weiche Texturen, eine hohe Energiedichte, schnelle Magenpassagen und die Auflösung natürlicher Nahrungsmatrizen begünstigt. In metabolischen Studien zeigt sich, dass die Kombination aus hoher Energiedichte und fehlender Sättigungssignatur die Energieaufnahme messbar steigert.
Zudem können UPF-Produkte auch Kontaminationen enthalten, die durch die extreme Verarbeitung entstehen, etwa Acrylamid oder Emulgatoren, und synthetische Zusatzstoffe, die die Darmbarriere, die Darmmikrobiota und immunologische Pfade stören. Einige Additive wirken als endokrine Disruptoren.
Aus mehr als 100 prospektiven Kohorten sowie mehreren Metaanalysen lägen robuste Daten vor, die Assoziationen zwischen hohem UPF-Konsum und Adipositas, Typ-2-Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen, bestimmten Krebsarten, Depressionen und erhöhter Gesamtmortalität belegen, schreiben Monteiro und Kollegen.