Hinweis auf antiviralen Effekt von Heparin |
| Sven Siebenand |
| 29.01.2021 16:02 Uhr |
Heparin ist als Antikoagulans ein Begriff. Antivirale Effekte standen bislang noch nicht im Fokus der Öffentlichkeit. / Foto: Adobe Stock/Sherry Yates
In einer Pressemeldung macht die Universität Liverpool gleich auf zwei aktuelle Publikationen zum Thema »Antivirale Effekte von Heparin« aufmerksam, an denen sie beteiligt ist. Die eine Veröffentlichung erfolgte im »British Journal of Pharmacology«, die andere in »Thrombosis and Haemostasis«.
Die veröffentlichten Arbeiten ergaben, dass Heparine mit der Rezeptorbindungsdomäne des Spike-Proteins auf der Oberfläche des Coronavirus SARS-CoV-2 interagieren können, dessen Struktur destabilisieren und so verhindern, dass es an den ACE2-Rezeptor der Wirtszelle andockt. Sie wirken damit möglicherweise auch als sogenannte Entry-Inhibitoren. In-vitro-Tests mit SARS-CoV-2 zeigten, dass unfraktioniertes Heparin, nicht jedoch niedermolekulares Heparin, die Zellinfektiosität in solchen Dosen hemmen konnte, die denen ähneln, die beim Einsatz als Antikoagulans verwendet werden.
Professor Dr. Jeremy Turnbull von der Universität Liverpool spricht von »aufregenden Neuigkeiten«. Er bringt nicht nur den Einsatz dieser Heparine bei Patienten, sondern auch die prophylaktische Behandlung von Risikogruppen ins Spiel. »Die Ergebnisse haben uns auch dazu veranlasst, andere neuartige Verbindungen zu untersuchen, die Heparin imitieren und möglicherweise gegen SARS-CoV-2 wirksam sind.«
Dr. Mark Skidmore von der ebenfalls an der Heparin-Forschung beteiligten Keele University ergänzt: »Wir wissen, dass Heparine auch eine Reihe anderer Viren hemmen. Daher könnte die Untersuchung dieser Medikamente neue therapeutische Strategien und möglicherweise eine erste Verteidigungslinie gegen neu auftretende virale Bedrohungen in der Zukunft bieten.«
Wie der Mitteilung zu entnehmen ist, gibt es bereits Bemühungen, eine klinische Studie mit vernebeltem Heparin bei Patienten auf Intensivstation in Großbritannien zu starten. Vernebeltes Heparin? Richtig gelesen. Dieses Vorhaben entspricht einer Empfehlung in der Publikation im »British Journal of Pharmacology«: »Die Daten deuten darauf hin, dass die derzeitige klinische Anwendung von systemischen unfraktionierten Heparinen bei der Behandlung von Covid-19-Patienten auf der Intensivstation nützliche antivirale Vorteile bieten kann. Darüber hinaus sagen wir voraus, dass die Abgabe von unfraktioniertem Heparin an die Lunge durch Verneblung zusätzlich zu anderen dokumentierten vorteilhaften Wirkungen von Heparinen eine starke direkte antivirale Therapie bieten sollte.«
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.