Herzinfarkt durch Pseudoephedrin? |
Da epidemiologische Studien keine ungünstige Wirkung von Pseudoephedrin auf das Herz-Kreislauf-System nachgewiesen hätten, sei klar, dass diese schweren Nebenwirkungen sehr selten sein müssen. »Eine naheliegende Erklärung ist, dass eine besondere – seltene – Genkonstellation existiert, die einzelne Menschen dafür besonders empfänglich macht«, vermutet Eschenhagen. »Nach genau dieser Genkonstellation wollen wir nun suchen.«
Die Herzstiftung erklärt das Vorgehen der Studie so: Zunächst müssten alle entsprechenden Fälle identifiziert werden. Dies sei schwierig, da die Einnahme frei verkäuflicher Erkältungsmittel bei einer Medikamentenanamnese nach einem Herzinfarkt bislang nicht routinemäßig erfasst wird. Am UKE werden seit einigen Monaten alle Patienten, die mit einem Infarkt eingeliefert werden, danach gefragt. Die Patienten füllen dafür einen Fragebogen mit Bildern aller entsprechenden Kombipräparate aus. Der Bogen darf gern auch von anderen Krankenhäusern genutzt werden, um die Datengrundlage zu erweitern.
Pseudoephedrin ist laut Herzstiftung in mindestens 15 frei verkäuflichen Erkältungsmitteln enthalten, neben Aspirin® Complex etwa auch in Boxagrippal®, Grippostad® Complex, Grippal Complex Doppelherz, RatioGrippal®, Wick® Duogrippal, Rhinopront® Kombi. Genaue Verkaufszahlen konnte die Herzstiftung nicht nennen, geht jedoch von hunderttausendfacher Anwendung in der Erkältungssaison allein in Deutschland aus.
Zugleich haben nun Mitarbeitende des Universitären Herz- und Gefäßzentrums begonnen, das eingelagerte Blut von Infarktpatienten der letzten Jahre, die am UKE behandelt wurden, auf Pseudoephedrin zu testen. Hatten sie auch Koronarspasmen, soll im Nachhinein wenn möglich eine genetische Testung stattfinden.
Das Studienziel sei, mindestens 20 Patienten zu finden, die nach Anwendung eines Pseudoephedrin-haltigen Präparats Gefäßspasmen erlitten haben. Aber auch mit weniger Fällen ließen sich bereits Aussagen zum genetischen Risiko machen, meint Eschenhagen – und hat bereits bestimmte Gene im Verdacht: »Es könnte sich um Genvarianten handeln, die zu einer Überaktivität der gefäßverengenden Signalwege oder auch einer Fehlfunktion der gefäßerweiternden Signale führen.«
Sollte sich diese Hypothese bestätigen, könnte ein Gentest entwickelt werden, der eine Anfälligkeit für schwere Nebenwirkungen unter Pseudoephedrin nachweist. Das könnte auch für andere Arzneistoffe mit verwandtem Wirkmechanismus relevant sein, etwa Triptane. Auch bei Rauschmitteln wie Kokain, Ecstasy und Crystal Meth könnte der Mechanismus relevant sein.
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) schlug bereits 2024 risikominimierende Maßnahmen für schwere Nebenwirkungen von Pseudoephedrin vor. Es wurde bestätigt, dass diese Arzneimittel bei Patienten mit schwerem oder unkontrolliertem (nicht behandeltem oder therapieresistentem) Bluthochdruck oder bei Patienten mit schweren akuten oder chronischen Nierenerkrankungen oder Nierenversagen nicht angewendet werden sollen. »Vorsichtig sein sollten auch Menschen mit autonomer Dysfunktion, etwa bei Diabetes, Parkinson oder Autoimmunerkrankungen«, so die Herzstiftung.