Hausmittel und Arzneitees im Check |
Heißer Tee ist grundsätzlich eine gute Idee bei Erkältungen, am besten ein passender Arzneitee in Apothekenqualität. Zusätzliches Vitamin C ist nicht nötig. / © Getty Images/Anastasia Gryukanova
Wenn es draußen kühler wird, beginnt quasi gleichzeitig auch die Erkältungszeit. Immerhin waren es bereits Mitte September laut Grippe-Web etwa 6,2 Millionen Personen mit einer neu aufgetretenen Atemwegserkrankung in Deutschland. Ob kratzender Hals oder laufende Nase – für nahezu jedes Erkältungssymptom gibt es alternative Hausmittel. Doch wie steht es um die Evidenz und worauf sollte man bei der Anwendung achten?
Ob Hühnersuppe, Halswickel oder Fußbad – es gibt unzählige Mittel und Methoden bei Erkältungen, die häufig über Generationen hinweg weitergegeben werden. »Oft haben wir wissenschaftliche Erklärungen dafür, wie Hausmittel wirken«, sagt Professor Dr. Andreas Michalsen, Chefarzt am Immanuel-Krankenhaus Berlin und Stiftungsprofessor für Naturheilkunde an der Berliner Charité. Klassische Studien gebe es jedoch meistens nicht, da sie niemand finanziere. Anders sieht das bei Arzneipflanzen aus, die oft gut erforscht sind.
Ein Bottich warmes Wasser, dazu etwas Senfmehl oder Ingwerpulver, um die Durchblutung zu fördern, und schon hat man ein Fußbad, das die Abwehrkräfte stärken soll. »Man weiß, dass die Temperatur der Füße auch die Temperatur in der Mund- und Rachenschleimhaut bestimmt«, sagt Andreas Michalsen. »Das hat tatsächlich einen abwehrstärkenden Effekt« so der Mediziner. Wichtig dabei: Nicht mehr als zwei Esslöffel Senfmehl verwenden und maximal fünf bis zehn Minuten anwenden, da sonst die Gefahr von Hautirritationen und Verbrennungen besteht. Ähnlich wirken Halswickel mit Kartoffeln oder Leinsamen. Auch die klassischen Zwiebelsäckchen auf den Ohren sollen entzündungshemmend und antibakteriell wirken.
Und die heiße Hühnersuppe? Sie kann bei Erkältungen wohltuend sein, zumal sie dem angeschlagenen Körper zusätzliche Energie liefert. Laut der Stiftung Gesundheitswissen deuteten Laboruntersuchungen sogar auf eine antientzündliche Wirkung von Hühnersuppe hin. Diese Wirksamkeit habe man bei Menschen jedoch noch nicht nachweisen können.
Kapuzinerkresse, Meerrettich und Ingwer sind die klassischen Scharfstoffe, die bei der Erkältungsabwehr zum Einsatz kommen. »Es gibt Studien, die belegen, dass durch diese Scharfstoffe Erkältungen abgekürzt werden können«, sagt Mediziner Michalsen. Der Grund: Scharfstoffe wirken antiviral und antibakteriell.
Arzneipflanzen kommen in unterschiedlichen Darreichungsformen wie ätherische Öle, Badezusätze oder Tees. »Sehr hilfreich und auch gut erforscht« ist laut Dr. Heidi Braunewell, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Phytotherapie, »ein Gemisch aus Thymian und Primelwurzel, das Hustenbeschwerden lindert und die Krankheitsdauer verkürzt«.
Auch Pflanzen wie Salbei, Pfefferminze, Spitzwegerich, Eibisch, Efeu, Süßholzwurzel und Fenchel haben sich bewährt. »Fast alle dieser hochkonzentrierten Heilpflanzen haben eine antivirale oder antibakterielle Wirkung«, sagt Andreas Michalsen. Während Efeu beispielsweise bei bronchialen Infekten helfe und krampfartigen Husten löse, wirke Süßholzwurzel entzündungshemmend und schleimlösend, erklärt Braunewell.
Wenn es um die Wirkung geht, rät die Expertin von Thymian und Co. aus dem eigenen Garten ab, und auch vom Supermarktregal: »Wenn ich einen Pfefferminztee in Lebensmittelqualität nehme, kann ich nicht damit rechnen, dass er antiviral und antibakteriell wirkt«, so die Expertin. Stattdessen sollte man zu Arzneitees aus der Apotheke oder aus dem Reformhaus greifen.
Wichtig: Pfefferminze und andere ätherisch-ölhaltige Heilpflanzen sollten nicht bei Kindern unter zwei Jahren angewendet werden, da sie einen Atemstillstand auslösen können. Abgesehen davon bergen Heilpflanzen aber selten Risiken oder Nebenwirkungen. »Mit Thymian und Salbei kann man sich kaum vergiften. Was die Wirkung betrifft, sind Arzneipflanzen weniger stark als chemisch synthetisierte Medikamente«, sagt Michalsen. Wichtig: Bei Fertigarzneimitteln sollte man sich an den Beipackzettel halten.
Ob im Tee oder direkt vom Löffel: Honig hat eine entzündungshemmende, antibakterielle und antivirale Wirkung, sagt Andreas Michalsen. Laut Stiftung Gesundheitswissen kann Honig Hustenattacken lindern und einem besseren Schlaf dienen.
Dabei muss es nicht der teure Manuka-Honig sein. Dass der besonders gut helfe, »ist überwiegend gutes Marketing. Im Grunde hat jeder Honig dieselben Eigenschaften. Man sollte eher darauf achten, dass er nicht verunreinigt ist und bestenfalls Bioqualität hat«, so Michalsen. Kinder unter einem Jahr dürfen keinen Honig zu sich nehmen, weil die Darmflora noch nicht ausgereift ist und es so zu Vergiftungen durch Botulinumsporen kommen kann.
Wadenwickel sind der Klassiker, wenn es darum geht, das Fieber zu senken. Laut Stiftung Gesundheitswissen sollen die kühlen Wickel bewirken, dass der Körper mehr Wärme abgibt und das Fieber dadurch sinkt. Einen Nachweis der Wirkung gebe es jedoch nicht. Bei kalten Waden oder Schüttelfrost sowie bei Harnwegsinfekten oder Durchblutungsstörungen sollte man Wadenwickel nicht anwenden.
Ein sanfteres Mittel zur Fiebersenkung sind Tees aus Lindenblüte oder heißer Holundersaft. »Sie wirken antiviral, leicht fiebersenkend und regen zum Schwitzen an«, erklärt Andreas Michalsen. Grundsätzlich ist Fieber nichts Schlechtes: Der Körper versucht durch die Erwärmung die Viren und Bakterien zu bekämpfen. Wenn Fieber jedoch mehrere Tage anhält und über 39 Grad bleibt, rät der Mediziner dringend dazu, einen Arzt aufzusuchen.
Und was ist mit dem viel beworbenen Vitamin C? Zwar ist in vielen Medizinprodukten Vitamin C enthalten, aber die Erkältung verbessert das in aller Regel nicht. »Natürlich ist es gut, frische Lebensmittel zu essen. Vitamin-C-Brausetabletten oder ähnliche Präparate sind jedoch nicht notwendig«, sagt Michalsen.
Stattdessen rät der Mediziner bei allen Erkältungen dazu, auf genügend Schlaf zu achten und ausreichend zu trinken – ganz klassisch.