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Tularämie

Hasenpest ist auch auf Menschen übertragbar

Die Tularämie wird vom Bakterium Francisella tularensis übertragen. Fälle beim Menschen sind selten, sie nehmen aber zu – vermutlich bedingt durch den Klimawandel. Ein Überblick über eine eher unbekannte Zoonose und einen Erreger, der wohl auch als potenzielle Biowaffe fungieren könnte.
Sven Siebenand
05.09.2024  07:00 Uhr

Benannt ist die Tularämie nach dem Tulare County im US-Bundesstaat Kalifornien, wo die Erkrankung Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals als Pest-ähnliches Vorkommen beschrieben wurde. Von dem hochinfektiösen Erreger, dem gramnegativen Bakterium Francisella tularensis, gibt es mehrere Subspezies. In Europa kommt vor allem die Holarctica-Variante vor, die meist mildere Verläufe macht als die Tularanis-Variante, die zum Beispiel in Nordamerika vertreten ist.

Das Wirtsspektrum des Erregers ist extrem breit. Von mehr als 250 Tierarten ist bekannt, dass sie mit F. tularensis infiziert werden können. Allen voran Hasen und Kaninchen sowie Nagetiere wie Mäuse und Ratten sind betroffen. Diese Tierarten weisen auch eine sehr hohe Sterblichkeit bei einer Infektion auf. Daher stammt auch die Bezeichnung Hasenpest beziehungsweise Nagerpest. Doch auch andere Tiere können erkranken und eine Übertragung auf den Menschen ist möglich. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung wurde jedoch bisher nicht beschrieben.

Risikogruppen für eine Infektion

Menschen stecken sich entweder durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren oder durch Vektoren wie Zecken und Stechmücken an. Auch über kontaminiertes Wasser, den Verzehr von unzureichend gebratenem Fleisch oder durch Inhalation von Aerosolen aus kontaminiertem Staub ist eine Infektion möglich. Ein erhöhtes Erkrankungsrisiko tragen zum Beispiel Jagdpersonal und Personen, die in der Fleischverarbeitung tätig sind.

Laut Informationen des Robert-Koch-Instituts (RKI) aus dem Jahr 2016 wurden in Deutschland jährlich zwischen 20 und 30 Fälle dieser meldepflichtigen Erkrankung an das RKI übermittelt.

In einem Podcast der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen aus dem Jahr 2023 werden aktuellere Zahlen genannt. In Deutschland sei die Anzahl gemeldeter Fälle beim Menschen auf 60 bis 70 pro Jahr gestiegen. Dies könnte daran liegen, dass durch den Klimawandel zum Beispiel andere als die bekannten Zeckenarten heimisch werden, die den Erreger als Vektoren übertragen.

Wahrscheinlich ist die tatsächliche Fallzahl wesentlich höher. Denn das RKI gibt die Seroprävalenzrate in der Allgemeinbevölkerung mit immerhin 0,2 bis 2,3 Prozent an. Insgesamt ist die Tularämie aber immer noch eine seltene Zoonose.

Geschwollene Lymphknoten als Leitsymptom

Die Inkubationszeit der Tularämie beträgt meist drei bis fünf Tage, kann aber auch deutlich länger sein. Zu Beginn sind die Beschwerden unspezifisch. Es treten etwa Fieber, Schüttelfrost sowie Kopf- und Gliederschmerzen auf.

Mediziner unterscheiden abhängig von der Eintrittspforte des Erregers verschiedene klinische Formen der Tularämie. Am häufigsten ist die ulceroglanduläre Tularämie. Sie ist durch die Bildung eines Hautgeschwürs an der Eintrittsstelle des Erregers und eine regionale Lymphknotenschwellung charakterisiert. Diese Schwellung kann auch ohne sichtbare Hautläsionen auftreten. In diesem Fall spricht man von einer glandulären Tularämie. Zudem können eine pneumonische Tularämie (bei Inhalation des Erregers), eine oropharyngeale Form (nach dem Verzehr des Erregers), eine oculoglanduläre Tularämie (bei Augenkontakt mit dem Erreger) und die typhoidale Tularämie (unbekannter Infektionsweg) auftreten.

Empfohlene Antibiotika zur Therapie der Tularämie

Unbehandelt kann eine Tularämie beim Menschen tödlich verlaufen. Die Erkrankung lässt sich aber gut antibiotisch behandeln, wobei die Therapie so frühzeitig wie möglich starten sollte.

Bei einem milden oder moderaten Verlauf erhalten Erwachsene in der Regel Ciprofloxacin 500 mg peroral zweimal täglich für 10 bis 14 Tage oder Doxycyclin 100 mg peroral zweimal täglich für 14 bis 21 Tage. Bei schwerer Tularämie kommen Aminoglykoside ins Spiel, insbesondere Gentamicin. Da diese aber eine schlechte Gewebe- und Liquorpenetration aufweisen, wird die intravenöse Gabe (5 mg/kg Körpergewicht einmal pro Tag) mit der oralen oder intravenösen Gabe von Ciprofloxacin (500 mg peroral zweimal täglich oder 400 mg intravenös zweimal täglich) kombiniert. Die empfohlene Behandlungsdauer liegt bei 10 bis 14 Tagen.

Auch bei Kindern stellt Ciprofloxacin die bevorzugte Therapie dar. Bei mildem bis moderatem Verlauf wird Ciprofloxacin allein gegeben, bei schwerem Verlauf in Kombination mit Gentamicin. β-Lactam-Antibiotika sollten wegen ihrer fehlenden Wirksamkeit bei Tularämie grundsätzlich nicht in Betracht gezogen werden.

Bislang kein Impfstoff in Deutschland zugelassen

Ein zugelassener Impfstoff gegen Tularämie steht in Deutschland nicht zur Verfügung. Im Fachjournal »Current Microbiology« veröffentlichten Forschende kürzlich einen Überblick über die Impfstoffentwicklung. Diesem ist zu entnehmen, dass es zwar verschiedene Ansätze für Vakzinen gibt – von attenuierten Lebendimpfstoffen über Subunit-Impfstoffe bis hin zu mRNA-Vakzinen. Weit vorangeschritten in der Entwicklung sind sie aber alle noch nicht.

Als ein Manko in der Impfstoffentwicklung nennen die Forschenden das Problem, geeignete Tiermodelle für die Testung zu finden. In der Impfstoffforschung werden häufig Mäuse verwendet, gerade diese sind aber anfälliger für eine Infektion mit F. tularensis als Menschen. Der bei Mäusen induzierte Schutz unterscheidet sich zudem von dem beim Menschen.

Was lässt sich sonst zum Thema Prävention sagen? Bei Kontakt mit infizierten Tieren sollten Handschuhe und falls möglich eine FFP3- oder FFP2-Atemmaske getragen werden, um sich vor einer Infektion zu schützen. Fleisch von Wildtieren sollte nur gut durchgegart verzehrt werden. Zu beachten ist, dass gefrorenes kontaminiertes Fleisch monatelang infektiös bleibt.

Postexpositionsprophylaxe: Ja oder Nein?

Der Ständige Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger am RKI äußert sich in seinen Therapiehinweisen auch zu Möglichkeiten der Postexpositionsprophylaxe. Indikationen für eine solche (bei Erwachsenen mit Ciprofloxacin oder Doxycyclin, bei Kindern mit Ciprofloxacin) können laut der Expertengruppe in der frühen Inkubationszeit zum Beispiel Exposition von Laborpersonal, Anwesenheit bei Autopsien oder Erregerkontakt über nicht intakte Haut, Schleimhaut oder infektiöse Aerosole darstellen. Später in der Inkubationszeit oder bei niedrigem Risikokontakt sei aus klinischer Sicht in der Regel ein Monitoring klinischer Symptome ausreichend.

Aufgrund seiner hohen Infektiosität und Stabilität in der Umwelt gilt der Erreger der Tularämie auch als potenzielle Biowaffe. 10 bis 50 Bakterien seien ausreichend, um durch Inhalation oder intrakutane Applikation eine Erkrankung auszulösen, schreibt das RKI. Sollte im Fall eines bioterroristischen Angriffs mit F. tularensis eine Postexpositionsprophylaxe angezeigt sein, so sind Ciprofloxacin und Doxycyclin dafür am besten geeignet, empfiehlt der genannte Arbeitskreis.

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