Handlungsbedarf beim Apothekenhonorar |
Kerstin Pohl |
12.05.2022 14:30 Uhr |
Gesundheitspolitische Positionen zur Arzneimittel- und Gesundheitsversorgung auf dem Prüfstand: Es diskutierten der AVNR-Verbandsvorsitzende Thomas Preis, Peter Preuß (CDU), Martina Hannen (FDP) und Josef Neumann (SPD, v.l.). / Foto: PZ/Alois Muellers
In den vergangenen zwei Jahre haben Apotheker während der Coronavirus-Pandemie ein großes Durchhaltevermögen und eine hohe Leistungsfähigkeit gezeigt, die nicht selbstverständlich sind, stellte Preis direkt zu Beginn der Veranstaltung fest. Keine andere Berufsgruppe hätte so schnell flächendeckend und niedrigschwellig Hilfe bereitgestellt. Eine entsprechende Honorierung dafür sollte deshalb selbstverständlich sein und dafür bräuchte man sich nicht zu schämen, so der Verbandsvorsitzende.
Kritik äußerte Preis an dem seit 20 Jahren immer noch unveränderten Fixhonorar von 8,35 Euro und dem unsinnigen bürokratischen Mehraufwand. Das Sparpotenzial in öffentlichen Apotheken sei ausgereizt und es kämen stattdessen noch weitere, größere Herausforderungen auf die Apotheken zu: steigende Kosten und fehlendes Personal. Es sei nun Aufgabe des Staates, die finanziellen Rahmenbedingungen endlich zu verbessern. »Apotheke ist keine Goldgrube mehr. Wir bewegen uns auf ganz dünnem Eis«, machte der Vorstandsvorsitzende deutlich. Andere Branchen könnten ihre Kosten weitergeben, bei Apotheken sei das aufgrund der Festpreise bei den verordneten Arzneimitteln nicht möglich. Zudem bestehe ein öffentlicher Versorgungsauftrag, der eine Kürzung von Leistungen unmöglich mache, so Preis.
Mit der Einführung des E-Rezepts sieht Preis große Probleme auf die Apotheker zukommen. Er befürchtet, dass ein Großteil der E-Rezepte direkt an den Versandhandel gehen wird. In Schweden sei das bereits bei mehr als 15 Prozent der Rx-Rezepte der Fall. Hinzu kommen auch Kosten für die Schulung des Personals sowie der Zeitaufwand für eine entsprechende Aufklärung der Patienten.
Kritisch sieht Preis auch die Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken in Apotheken. Er plädiert deshalb für eine kontrollierte Cannabis-Abgabe, die unbedingt in heilberuflicher Verantwortung verbleiben und nicht an medizinfremde Institutionen abgegeben werden sollte, wie das beispielsweise bei den Bürgertests der Fall war.
Ralf Denda von der ABDA gab einen Überblick zum aktuellen Stand der Bundesgesundheitspolitik. Hier gab es kaum ein anderes Thema als Corona, auch die entsprechenden Gesetze schulden dem Rechnung, sagte er. In seiner Amtszeit als Bundesgesundheitsminister habe Lauterbach zwei entsprechende Gesetze auf den Weg gebracht: Das Infektionsschutzgesetz und des Impfpräventionsgesetz. »Bei der nächsten im Herbst zu erwartenden Welle sind wir gut aufgestellt«, so Denda.
Gescheitert sind hingegen die Einführung einer Corona-Impfpflicht sowie die Stabilisierung der Finanzen. Lauterbach solle die Apotheker unterstützen und sie nicht benachteiligen, plädierte Denda.
Am kommenden Sonntag stehen in NRW die Landtagswahlen an. Was ist von den einzelnen Parteien im Hinblick auf die Unterstützung der Apotheken zu erwarten? Zu einer Podiumsdiskussion waren geladen: Martina Hannen, Mitglied Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales bei der FDP-Landtagsfraktion, Josef Neumann, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und Peter Preuß, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU Landtagsfraktion. Auch Mehrdad Mostofizadeh, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen, war eingeladen, konnte aber nicht teilnehmen.
Preuß sagte, dass sich die Arzneimittelversorgung unabhängig vom außereuropäischen Ausland machen sollte, sowohl im Hinblick auf die Produktion als auch die Rohstofflieferung. Dazu müssten allerdings die Rahmenbedingungen geändert werden. In der Pandemie habe sich gezeigt, wie wichtig die Apotheken vor Ort sind. Zukünftig könnten Apotheken noch weitere Aufgaben übernehmen; über die Höhe der Honorierung für zusätzliche Aufgaben müsse man dann sprechen.
Auch Hannen meinte, man müsse über die Honorierung reden sowie den Nacht-und Notdienstfonds. Schon seit Jahren zeichne sich ein bedrohlicher Prozess für die Apotheker ab und Selbstständigkeit müsse sich lohnen. »Wir haben keine Zeit zu verlieren«, so Hannen.
Im Gegensatz dazu sieht Neumann die Situation der Apotheken nicht so kritisch: die Inflation bestehe erst seit sehr kurzer Zeit und es sei noch keine Apotheke Pleite gegangen. Von der Inflation seien nicht nur Apotheken betroffen. Trotzdem seien die Apotheken ein zentraler Faktor der Gesundheitsvorsorge. Die Landespolitik werde daran allerdings wohl wenig ändern können.
Preis regte in der Diskussion an, auch andere Impfungen in den Leistungskatalog der Apotheken aufzunehmen. Das sei ein niedrigschwelliges Angebot, das bereits sehr gut genutzt werde. Denkbar seien beispielsweise auch Impfungen gegen FSME und Pneumokokken. In Frankreich sind bereits alle Impfungen in Apotheken möglich, bis auf Lebendimpfungen, und das werde dort sehr gut angenommen.
Auch für Hannen sind weitere Impfangebote denkbar, dabei seien Standesstreitereien mit der Ärzteschaft nicht notwendig. Vielmehr appellierte sie für ein Miteinander, gerade im ländlichen Raum. Die Politik müsse das begleiten und moderierend gestalten. Preuß sieht ebenfalls keinen sachlichen Grund, warum Apotheker nicht impfen dürfen sollten. Entsprechende rechtliche Hürden sollten dazu abgebaut werden.
Beim Thema E-Rezept wurde deutlich, dass es grundsätzlich als eine gute Idee gilt, die Umsetzung sich aber sehr schwierig gestaltet. Hannen ist sich sicher, dass Patienten trotzdem auch weiterhin die individuelle Beratung in der Apotheke nutzen werden. »Die Digitalisierung wird kommen«, so auch Neumann. Die Apotheker sollten den Prozess aber auf jeden Fall mitgestalten, »sonst wird es jemand anders tun«.
Beim Thema »Cannabis-Abgabe in Apotheken« waren sich alle drei Mitglieder des Landtages einig und zeigten sich sehr skeptisch. Bei dieser Einstiegsdroge in die Sucht müsse der Staat die Abgabe streng reglementieren. Hannen zeigte zwar Verständnis, »habe aber kein gutes Gefühl dabei«, ebenso wie Preuß, der es als Gesundheitsminister ablehnt und auch Neumann sagte, es bereite ihm »Bauchschmerzen« und er sei sehr skeptisch. »Man muss sich nicht jedem Mainstream anpassen«, so der gesundheitspolitische Sprecher der SPD.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.