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Pille danach

Gut aufgehoben in der Apotheke

Seit März 2015 darf in den Apotheken vor Ort die »Pille danach« ohne Rezept abgegeben werden. Das geschieht verantwortungsbewusst, wie eine Umfrage der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) zeigt.
Daniela Hüttemann
22.07.2020  08:00 Uhr

Die Abgabezahlen von oralen Notfallkontrazeptiva wachsen kontinuierlich. Dabei sinkt der Anteil der ärztlich verordneten Packungen: Während die Apotheken 2015, also im Jahr dieses besonderen OTC-Switches, insgesamt etwa 662.000 Packungen der »Pille danach« abgaben, davon 467.000 ohne Rezept, waren es im vergangenen Jahr insgesamt rund 877.000 Packungen. Davon waren nur 57.000 Packungen ärztlich verordnet (zwei Drittel auf Kassen- und ein Drittel auf Privatrezept). Diese Zahlen, die der neuesten Broschüre »Zahlen, Daten, Fakten« der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände zu entnehmen sind, verdeutlichen, dass Apothekern eine besondere Verantwortung bei der Beratung und Abgabe rezeptfreier Notfallkontrazeptiva zukommt.

Eine rechtzeitige Einnahme oraler Notfallkontrazeptiva und eine ausreichende Aufgeklärtheit der Frau sind Voraussetzung für eine wirksame und sichere Anwendung im Rahmen der Selbstmedikation. Aber auch individuelle Faktoren können Auswirkungen auf die Wirksamkeit und Sicherheit der »Pille danach« haben. Mögliche fachliche Bedenken des Apothekers können sich im Beratungsgespräch ergeben oder auch ausgeräumt werden. Dieses dient der Wahrung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) und damit der Sicherheit der Frau.

Zur Bewertung der AMTS nach rezeptfreier Abgabe oraler Notfallkontrazeptiva hat die AMK eine Umfrage bei ihren 860 Referenzapotheken durchgeführt. Insgesamt 555 Apotheken nahmen teil. Ein besonderer Fokus der Umfrage lag auf den Umständen der Anfrage, wodurch Apotheker fachliche Bedenken zur Abgabe der »Pille danach« geltend machten und/oder der betroffenen Frau der Besuch eines Gynäkologen empfohlen wurde. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal »International Journal of Clinical Pharmacy« veröffentlicht (DOI: 10.1007/s11096-019-00911-6).

»Insgesamt können wir sagen, dass sich die Apotheken ihrer besonderen Verantwortung bewusst sind«, resümiert Studienleiter Professor Dr. Martin Schulz, Vorsitzender der AMK. Im Zweifelsfall sprachen die Apotheker zusätzlich zur Abgabe in der Regel die Empfehlung aus, einen Gynäkologen aufzusuchen. Diese pragmatische Haltung sei positiv im Sinne des vorbeugenden Schutzes der betroffenen Frauen zu sehen, meint Schulz. »Und es zeigt, dass die Apotheker ihre Handlungskompetenzen ausschöpfen.«

Wie häufig geben Apotheken Notfallkontrazeptiva ab?

Die meisten der an der Online-Umfrage teilnehmenden Apotheker (38,2 Prozent) gaben an, sechs bis zehn Packungen der »Pille danach« in den vorangegangenen drei Monaten abgegeben zu haben. 24,1 Prozent gaben im Schnitt weniger als fünf Packungen ab und 18,3 Prozent 11 bis 15 Packungen.

Dabei nahmen die Frauen in mehr als 30 Prozent der Fälle den Nacht- und Notdienst in Anspruch, schätzten die Umfrageteilnehmer. »Das zeigt, dass der niedrigschwellige Zugang gut funktioniert und Frauen die Möglichkeit zur spontanen Notfallkontrazeption nutzen«, so Schulz. Bei der Einnahme der Präparate sei das Zeitfenster kritisch. »Je eher die Betroffene an die Tablette kommt, umso besser.« Das scheinen auch die Betroffenen zu wissen: Viele kamen innerhalb von zwölf Stunden, die meisten innerhalb von drei Tagen, so die befragten Apotheker. Allerdings kommen Frauen auch mehr als fünf Tage nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr, die dann an den Gynäkologen verwiesen werden. Als Hauptgründe für den Kauf eines Notfallkontrazeptivums wurden eine vergessene Einnahme des regulären Verhütungsmittels, ein geplatztes Kondom sowie ungeschützter Geschlechtsverkehr ohne Kinderwunsch genannt.

Levonorgestrel muss innerhalb von 72 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr angewendet werden, Ulipristalacetat innerhalb von 120 Stunden. Die Sicherheitsprofile beider Wirkstoffe gelten als vergleichbar. »Die Bundesapothekerkammer favorisiert in ihrem Leitfaden keine der beiden Substanzen, solange sie entsprechend der Fachinformationen ausgewählt werden«, so Schulz. Für Levonorgestrel spreche die längere Erfahrung, auch in Bezug auf die Sicherheit, während ein aktuelles Cochrane-Review Ulipristalacetat als etwas wirksamer einstufe (DOI: 10.1002/14651858.CD001324.pub6).

Welche Herausforderungen gibt es?

Probleme bei der Beratung beziehungsweise Abgabe rezeptfreier Notfallkontrazeptiva sahen Apotheker mit Abstand am häufigsten in Situationen, in denen nicht die Betroffene selbst, sondern Dritte das Notfallkontrazeptivum verlangten. 82,8 Prozent hatten in den vorangegangenen drei Monaten diese Erfahrung gemacht. 44,3 Prozent erkannten zudem Unsicherheiten in der Eigendiagnose der Frau, zum Beispiel aufgrund mangelnder Sexualkenntnisse. 21,0 Prozent nannten sprachliche Verständigungsprobleme und 8,2 Prozent erkannten potenzielle Medikationsfehler bei der Anwendung.

Etwa drei von vier Befragten gaben an, dass Sie innerhalb der vorangegangenen drei Monate in mindestens einem Fall Bedenken hinsichtlich der korrekten und sicheren Anwendung der »Pille danach« gehabt hätten. Am häufigsten wurde angegeben, dass die Indikation für eine Notfallkontrazeption fraglich gewesen sei, da beispielsweise die reguläre Pille einmalig vergessen wurde, der Zeitpunkt des ungeschützten Geschlechtsverkehrs dabei aber weniger als zwölf Stunden zurücklag. 43,6 Prozent gaben dennoch sicherheitshalber das Notfallkontrazeptivum ab. »Wenn das Fünf-Tages-Fenster überschritten war, verweigerten drei Viertel der Befragten die Abgabe und fast alle verwiesen an einen Arzt«, so Schulz.

Wurde eine bereits bestehende Schwangerschaft vermutet, sahen ebenfalls fast alle Apotheker von einer Abgabe ab und verwiesen an den Gynäkologen. Bei Verdacht der Übertragung einer sexuellen Krankheit gaben 60 Prozent die Pille danach ab und rieten der Frau zusätzlich zum Arztbesuch. Insgesamt 43 Apotheker vermuteten sexuelle Gewalt hinter der Anfrage. Die Hälfte gab das Präparat ab und fast alle verwiesen an einen Arzt.

In anderen Fällen verweigerten die Apotheker in der Regel die Abgabe, zum Beispiel bei mehrmaliger Einnahme eines Notfallkontrazeptivums innerhalb eines Menstruationszyklus, einem Kauf der »Pille danach« auf Vorrat oder bei befürchteten klinisch relevanten Wechselwirkungen. Die Apotheker nahmen sich dabei ausreichend Zeit für die Betroffenen. Drei Viertel der Befragten berieten geschätzt bis zu zehn Minuten lang, ein Viertel der Gespräche dauerte länger.

»Nach gut fünf Jahren hat sich die Abgabe oraler Notfallkontrazeptiva in den Apotheken etabliert«, schlussfolgert Schulz. »Die Apotheker sind sich ihrer Verantwortung bewusst und nehmen diese auch wahr. Im Zweifelsfall verweisen sie die Frauen zusätzlich an den Arzt.« Diese professionelle und leitliniengerechte Beratung festige das Nutzen-Risiko-Profil der Notfallkontrazeptiva auch und gerade bei der rezeptfreien Abgabe. 

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