Grundsatzstreit um Kammerbeiträge |
Alexander Müller |
19.06.2025 10:54 Uhr |
Doch das Gericht folgte der Argumentation der AKNR nicht und verwies auf die strengen Grundsätze der Rechtsprechung zur zulässigen Rücklagenbildung. Denen würden die Haushaltspläne der Kammer für die Jahre 2021 bis 2024 nicht gerecht, weil die finanziellen Rücklagen dem Gebot der Schätzgenauigkeit nicht entsprächen. Zwar darf sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweisen, zu ihrer Zeit – »ex ante« – muss sie aber sachgerecht und vertretbar sein.
Rücklagen müssen laut Urteil an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit gebunden sein. Eine Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder -ausfällen wäre ein solcher Zweck, solange dies in angemessener Höhe erfolgt – sonst ist es eine unzulässige Vermögensbildung. Ein Haushaltsplan kann laut Gericht sogar rechtswidrig sein, wenn eine überhöhte Rücklage beibehalten wird.
50 Prozent des Jahreshaushaltes pauschal auf die hohe Kante zu legen, geht aus Sicht des Gerichts zu weit. Die Kammer müsse stets im Einzelfall prüfen, ob die allgemeine Rücklage, die sie für ein Haushaltsjahr vorsieht, durch entsprechende Finanzrisiken gerechtfertigt ist. »Eine Kalkulation der allgemeinen Rücklage hat nicht stattgefunden, wäre aber geboten gewesen«, so das Gericht.
Die Kammer hatte argumentiert, sie benötige die allgemeine Rücklage, weil es gerade bei großen Apotheken, deren Jahresabschlüsse nicht rechtzeitig fertig würden, zu verspäteter Mitteilung der relevanten Jahresumsätze und damit auch zu einer verspäteten Berechnung der fälligen Beiträge komme. Das komme zwar vor, so das Gericht, dennoch flössen der Kammer in dieser Zeit ja Mittel zu. Einen konkreten Bedarf habe die Kammer im Verfahren jedenfalls nicht dargelegt.
Die »Verlustrücklage« ist für drohende Einnahmeausfälle oder Kostensteigerungen vorgesehen, wenn Apotheken schließen oder ihre Beiträge nicht zahlen. Dafür hält die Kammer rund ein Viertel der erwarteten Beitragszahlungen vor. »Konkrete Hinweise auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Apotheken, beziehungsweise ein Apothekensterben in dieser Größenordnung hat die Beklagte jedoch nicht benannt«, so das Gericht, dem eine tragfähige Begründung für die Ausgleichsrücklage insgesamt fehlte.
Ausgleichsrücklagen in Höhe von 15 Prozent seien in der Rechtsprechung gebilligt, so das Gericht, teilweise würden auch 30 Prozent noch als angemessen betrachtet. 54 Prozent der erwarteten Ausgaben für das Jahr 2021 als Absicherung wie bei der AKNR erscheine dagegen nicht gerechtfertigt. Auch für die folgenden Beitragsjahre stellte das Gericht ein Missverhältnis zwischen den Rücklagen und der finanziellen Absicherung fest. Die Gesamtrücklagen entsprachen in diesen Jahren jeweils über 60 Prozent der geplanten Ausgaben. Dass die Kammer sogar einen unplanmäßigen Beitragszuwachs nutzte, um ihre Absicherung weiter zu erhöhen, war für die Richter nicht nachvollziehbar.