Grünes Licht für ersten Totimpfstoff gegen Covid-19 |
Christina Hohmann-Jeddi |
23.06.2022 17:45 Uhr |
Der Ganzvirus-Impfstoff von Valneva ist der inzwischen sechste Coronaimpfstoff, der es bis zur Zulassung gebracht hat, und der erste klassische Totimpfstoff. / Foto: Adobe Stock/Bihlmayerfotografie
Der Covid-19-Impfstoff (inaktiviert, adjuvantiert) Valneva, so die derzeitige Bezeichnung, enthält inaktivierte, also vermehrungsunfähige SARS-Coronaviren-2 des Ursprungsstamms. Es handele sich bei diesem Präparat vom österreichisch-französischen Hersteller Valneva um die sechste in der EU zur Zulassung empfohlene Coronavakzine, heißt es in der Mitteilung der Zulassungsbehörde. Nach den mRNA- und Vektorimpfstoffen sowie einem Proteinimpfstoff werde somit ein viertes Impfstoffprinzip zum Schutz vor Covid-19 verfügbar. Ein Rolling-Review zu dem Kandidaten VLA2001 hatte Anfang Dezember 2021 begonnen. Die EU-Kommission muss der Zulassungsempfehlung noch zustimmen, das gilt aber als Formsache.
Nach sorgfältiger Analyse habe der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA entschieden, dass die Daten zur Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität der Vakzine ausreichend seien. Die Besonderheit: Bei der Hauptstudie mit VLA2001 handelt es sich um eine sogenannte Immunbridging-Studie, bei der die Wirksamkeit eines Impfstoffs abgeschätzt wird, indem die durch die Impfung induzierte Immunantwort mit der eines bereits zugelassenen Produkts verglichen wird. Bislang waren große placebokontrollierte Wirksamkeitsstudien für Covid-19-Impfstoffe der Goldstandard. Doch in dieser Phase der Pandemie mit verfügbaren, gut untersuchten Vergleichsimpfstoffen und kaum Ungeimpften als möglichen Probanden seien solche Vergleichsstudien ein probates Mittel, so die EMA.
Laut EMA zeigte die Studie mit etwa 3000 Probanden im Alter von 30 Jahren und darüber, dass VLA2001 eine stärkere Produktion von Antikörpern gegen das Ursprungsvirus auslöste als der Vergleichsimpfstoff Vaxzevria® von Astra-Zeneca. Zusätzliche Daten zeigten eine Wirksamkeit auch in der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen. Das Fazit des CHMP: Valneva ist zum Schutz vor Covid-19 vermutlich mindestens ebenso wirksam wie Vaxzevria.
Zur Wirksamkeit bei Personen über 50 Jahren hätten die Daten aber keine Rückschlüsse zugelassen, weshalb die Vakzine nur für Personen zwischen 18 und 50 Jahren empfohlen wird. Inwieweit der Ganzvirusimpfstoff auch vor den neueren SARS-CoV-2-Varianten schützt, etwa den derzeit dominierenden Omikron-Subtypen, sei noch nicht zu beurteilen.
Die unerwünschten Impfreaktionen waren in der Regel mild und verschwanden nach wenigen Tagen. Am häufigsten traten Empfindsamkeit und Schmerzen an der Injektionsstelle sowie Müdigkeit, Kopf- und Muskelschmerzen, Übelkeit und Erbrechen auf.
Die Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs werde, wie bei den anderen Covid-19-Impfstoffen auch, noch weiter untersucht – vom Hersteller und von den verschiedenen Pharmakovigilanzsystemen. Insgesamt überwiege der Nutzen des Impfstoffs die Risiken, schreibt die EMA.
Damit steht bald der erste klassische Totimpfstoff gegen Covid-19 in der EU zur Verfügung. Das Präparat enthält neben den inaktivierten SARS-CoV-2-Viren, die in Vero-Zellen produziert werden, auch zwei Adjuvanzien: CpG1018 (eine Toll-like-Rezeptor-9-Agonist) und Alaun. Der Vorteil von solchen Ganzvirus-Impfstoffen ist, dass dem Immunsystem mehr Angriffsziele als nur das Spike-Protein angeboten werden. Wie Valneva Ende 2021 mitteilte, gehe das Unternehmen davon, dass sein Impfstoff auch vor der neuen Omikron-Variante ausreichend schütze, und wolle entsprechende Tests durchführen.
In einer Pressemitteilung zeigte sich Thomas Lingelbach von Valneva über das positive Votum des CHMP erfreut. Man wolle den 15 Prozent der Über-18-Jährigen, die noch ungeimpft seien, eine »neue Option« bieten und hoffe, dass die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten den Wert einer traditionellen Vakzine erkennen.
Die Empfehlung zur Zulassung kam später als erwartet: Mitte Mai hatte das Unternehmen mitgeteilt, dass die EU-Kommission einen Vorab-Kaufvertrag des Impfstoffs wegen Verzögerungen im Zulassungsprozess kündigen wolle. Laut einer am 10. Juni veröffentlichten Pressemitteilung werde mit der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten noch über Anpassungen der Kaufoptionen verhandelt.
»Die von der Europäischen Kommission erhaltenen vorläufigen, inoffiziellen Mengenangaben würden jedoch nicht ausreichen, um die Nachhaltigkeit des Covid19-Impfstoffprogramms von Valneva zu gewährleisten«, heißt es in der Mitteilung. Sollte sich die EU-Kommission mit dem Hersteller nicht einig werden, stünde der inaktivierte Impfstoff in Europa nicht zur Verfügung.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.