Grippe ein Risikofaktor, Oseltamivir nicht |
Sven Siebenand |
19.08.2025 14:00 Uhr |
Oseltamivir verhindert durch die Blockade des Virushüllproteins Neuraminidase das Abkoppeln neuer Grippeviren von der infizierten Zelle. Dadurch werden die Infizierung neuer Zellen und die Ausbreitung der Infektion verhindert. Der Wirkstoff ist seit mehr als 20 Jahren auf dem deutschen Markt. / © Imago Images/Star-Media
Seit Jahren besteht die Sorge, dass Oseltamivir, das zur Behandlung und Prophylaxe der Influenza zum Einsatz kommt, bei Kindern neuropsychiatrische Nebenwirkungen auslösen kann. In der Fachinformation von Tamiflu® ist zum Beispiel ein Warnhinweis zu neuropsychiatrischen Ereignissen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, vorhanden.
Forscher von der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, USA, haben in »JAMA Neurology« nun Ergebnisse publiziert, die nahelegen, dass nicht der Wirkstoff, sondern vielmehr die Virusinfektion das Problem darstellt.
Für die Analyse griff das Forschungsteam um Professor Dr. James W. Antoon auf Behandlungsdaten von fast 700.000 Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 5 und 17 Jahren zurück. Die Wissenschaftler untersuchten die Häufigkeit neuropsychiatrischer Ereignisse, die eine Krankenhausbehandlung erforderten. Während des Beobachtungszeitraums traten insgesamt 1230 schwerwiegende neuropsychiatrische Ereignisse (898 neurologische, 332 psychiatrische) auf. Die Gesamtinzidenz schwerwiegender neuropsychiatrischer Ereignisse betrug 6,25 pro 100.000 Personenwochen und das Risiko für das Auftreten eines schwerwiegenden Ereignisses war in Zeiträumen ohne Influenza-Exposition am geringsten.
Bei den mit Oseltamivir behandelten Teilnehmern war das Risiko eines schwerwiegenden neuropsychiatrischen Ereignisses während der Influenza- und Nachbehandlungsphase geringer als bei den unbehandelten Teilnehmern. Das Risiko war etwa auf die Hälfte reduziert, was auf einen schützenden Effekt durch Oseltamivir bei Influenza hindeutet. Auch prophylaktisch behandelte Kinder ohne Grippe wiesen keine erhöhte Rate an neuropsychiatrischen Ereignissen auf.
»Unsere Daten zeigen klar, dass nicht das Medikament, sondern die Influenza selbst das Problem darstellt«, so Antoon in einer Pressemitteilung der Hochschule. Seniorautor Professor Dr. Carlos G. Grijalva fügt hinzu: »Diese Behandlungen sind sicher und effektiv – insbesondere, wenn sie früh im Krankheitsverlauf eingesetzt werden.«